Panorama

"Kein schuldhaftes Verhalten" Klagen von Corona-Erkrankten im Fall Ischgl abgewiesen

Polizisten betreten den Verhandlungssaal in einem der ersten Prozesse um Ischgls Hinterbliebene und Schadenersatzforderungen.

Polizisten betreten den Verhandlungssaal in einem der ersten Prozesse um Ischgls Hinterbliebene und Schadenersatzforderungen.

(Foto: picture alliance/dpa/APA)

Unzählige Urlauber infizieren sich zu Beginn der Pandemie im Skigebiet Ischgl mit Corona. Einige davon klagen nun gegen Österreich. Erste Forderungen auf Schadenersatz lehnt ein Gericht ab. Verbraucherschützer finden: ein Justizskandal.

Das Landgericht Wien hat die ersten Schadenersatzklagen von deutschen Corona-Erkrankten aus Ischgl gegen die Republik Österreich abgewiesen. Das Epidemiegesetz würde nur die allgemeine Volksgesundheit, nicht aber auch konkrete Personen schützen, urteilte das Zivilgericht. Der Republik sei in den "hier relevanten Zeiträumen weder ein schuldhaftes noch ein rechtswidriges Verhalten anzulasten", heißt es in dem Urteil weiter. Insgesamt sind aktuell etwa 50 Klagen anhängig.

"Einzelpersonen haben kein Recht darauf, vom Staat vor Ansteckung geschützt zu werden, auch wenn das gebotene Handeln der Behörden die Ansteckungsgefahr insgesamt und daher auch für den Einzelnen reduzieren soll", begründete die zuständige Richterin ihre sich zunächst auf zwei Fälle beziehende Entscheidung.

Verbraucherschützer sieht Justizskandal

Die klagenden Parteien hätten nun die Möglichkeit beim Oberlandesgericht Wien in Berufung zu gehen. Der Verbraucherschutzverein, der die Kläger vertritt, sprach in einer ersten Reaktion von einem Justizskandal und will die Urteile durch alle Instanzen bekämpfen. "Wir werden es nicht zulassen, dass über die massiven Behördenfehler in Ischgl im Jahr 2020 der Mantel des Schweigens gebreitet wird", sagte Vereinsvorstand Peter Kolba. "Wir werden gegen diese Skandalurteile Berufung erheben, weitere Klagen einbringen und eine Sammelklage organisieren".

In Ischgl und anderen Tiroler Wintersportorten sollen sich im März 2020 mehr als 6000 Menschen aus 45 Ländern mit dem Coronavirus angesteckt haben. 32 der Infizierten starben. Ischgl wurde so zu einem der ersten Corona-Hotspots in Europa. Viele Betroffene und Hinterbliebene werfen den verantwortlichen Behörden schwere Fehler im Umgang mit dem Ausbruch vor.

Das Gericht allerdings gehe davon aus, dass sich nicht mit erforderlicher Sicherheit feststellen lasse, dass am 1. März 2020 isländische Ischgl-Urlaubsrückkehrer in ihrer Heimat positiv getestet worden sind und somit ein Ausbruch vorherzusagen war.

Kolba - der die Kläger vertritt - entgegnet, diese Meldungen seien über das Europäische Warnsystem der Gesundheitsbehörden gekommen. "In einer Pandemie muss man Meldungen des Europäischen Warnsystems ernst nehmen, sonst ist eine Eindämmung einer Pandemie unmöglich."

Experten räumen Fehleinschätzung ein

Statt weitere Touristen von der Anreise nach Ischgl abzuhalten, äußerte die Regionalregierung dem Expertenbericht zufolge zunächst Zweifel, ob sich die Isländer tatsächlich in Tirol infiziert hätten. Erst ein paar Tage später stellte Österreichs damaliger Kanzler Sebastian Kurz Ischgl unter Quarantäne und rief tausende Touristen auf, binnen weniger Stunden abzureisen - was chaotische Zustände auslöste.

Eine unabhängige Experten-Kommission hatte ihrerseits zuvor zwar kein Versagen, wohl aber Fehleinschätzungen festgestellt: Die österreichischen Behörden hätten zu spät und nicht umfassend genug reagiert, nachdem sie aus Island am 5. März gewarnt worden waren, dass mehrere Urlauber positiv auf das Virus getestet wurden.

Am Landesgericht Wien wurden im Zusammenhang mit Ischgl bereits mehrere Klagen eingebracht. Weitere Urteile würden demnächst erwartet, einige Prozesse wurden allerdings aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Amtsträger aus Tirol allerdings, wurden von der Staatsanwaltschaft Innsbruck bereits eingestellt.

Quelle: ntv.de, smu/dpa/rts/AFP

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