Nach Eskalation bei Frauen-Demo Londoner protestieren gegen Polizeigesetz
16.03.2021, 05:15 Uhr
Auf dem Parliament Square in London kamen Hunderte Teilnehmer für die Demonstration zusammen.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Bei einer nicht genehmigten Mahnwache für die getötete Sarah Everard gehen Polizisten gegen Teilnehmer vor. Bilder von zu Boden gedrückten Frauen in Handschellen sorgen für Empörung. Zwei Tage später verhandelt das Unterhaus über ein neues Polizeigesetz. Dagegen regt sich heftiger Widerstand.
Hunderte Menschen haben in London gegen ein neues Polizeigesetz und Gewalt an Frauen demonstriert. Zeitweise blockierten die Demonstranten die Westminster Bridge nahe des Parlaments. Der "Police, Crime, Sentencing and Courts Bill", der am Nachmittag in die zweite Lesung im Unterhaus ging, soll unter anderem die Befugnisse der Polizei zur Einschränkung von Protesten erweitern.
Das Gesetzesvorhaben kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Polizei wegen ihres harten Einsatzes bei einer Mahnwache am Wochenende schwer in der Kritik steht. Beamte hatten am Samstagabend bei einer nicht genehmigten Versammlung zum Gedenken an die auf ihrem Nachhauseweg entführte und getötete Sarah Everard in London unter Berufung auf die Corona-Maßnahmen eingegriffen und mehrere Menschen festgenommen. Das Vorgehen führte zu heftiger Kritik und heizte die Stimmung weiter an.
Die Leiche der 33-jährigen Everard war in einem Waldstück in der südostenglischen Grafschaft Kent entdeckt worden. Sie war am 3. März in der Nähe des Parks Clapham Common zuletzt lebend gesehen worden. Im Verdacht steht ein 48 Jahre alter Polizist, der inzwischen in Untersuchungshaft sitzt. Der Fall hatte zu einem landesweiten Aufschrei gegen Belästigungen und Gewalt an Frauen geführt. In sozialen Netzwerken haben Tausende über ihre Ängste auf dem abendlichen Nachhauseweg berichtet.
Johnson: "Von Bildern tief betroffen"
Am Samstag hatten Tausende - auch Herzogin Kate - Blumen im Südlondoner Park Clapham Common niedergelegt, wo die 33-Jährige zuletzt gesehen worden war. Doch am Abend eskalierte die Situation: Weil Abstandsregeln missachtet wurden, schritt die Polizei teils rüde ein, Bilder von zu Boden gedrückten Frauen in Handschellen machten die Runde. "Wie jeder, der sie gesehen hat, war ich von den Bildern vom Clapham Common tief betroffen", sagte Premier Boris Johnson.
Er kündigte noch für diesen Montag ein Treffen einer Arbeitsgruppe an. Ziel sei, Schritte zum Schutz von Frauen und Mädchen zu erörtern und sicherzustellen, "dass unsere Straßen sicher sind", teilte die Regierung mit. "Der Tod von Sarah Everard muss uns in dem Entschluss vereinen, Gewalt gegen Frauen und Mädchen auszutreiben und jeden Teil des Justizsystems dafür einzusetzen, sie zu schützen und zu verteidigen", sagte Johnson.
Innenministerin Priti Patel verteidigte das Gesetzesvorhaben. "Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Veränderungen in Protest-Taktiken gesehen, wobei Demonstranten Schlupflöcher im Gesetz ausgenutzt haben, die zu einem unverhältnismäßigen Maß an Behinderungen geführt haben", so die konservative Politikerin.
Quelle: ntv.de, chf/dpa