800-jähriges Erbe Mathias Schilling ist Land- und Gastwirt auf drei Ostsee-Inseln
26.07.2025, 18:28 Uhr Artikel anhören
Schilling ist ständig zwischen Öhe, Hiddensee und Rügen unterwegs.
(Foto: dpa)
Zwischen Rügen und Hiddensee kommen Urlauber kaum am Familienbetrieb der Schillings vorbei. Im Zentrum steht die Verpflichtung eines jahrhundertealten Erbes.
Täglich auf drei Inseln zu arbeiten, trägt laut Mathias Schilling auch zur Entschleunigung bei. "Jetzt kommt die Viertelstunde Ruhe am Tag", sagt der 43-Jährige, während er sein 225 PS starkes Boot von Rügen Richtung Hiddensee lenkt. Für einen Landwirt verbringt Schilling viel Zeit auf dem Wasser - kein Wunder: Seit rund 800 Jahren gehört seiner Familie die Privatinsel Öhe. Sie liegt zwischen Rügen und Hiddensee, ist rund 75 Hektar groß - im Sommer leben dort mehr Rinder als Menschen.
Von hier aus haben Schilling und seine Frau in den vergangenen Jahren die umliegende Küste erobert und sind von Landwirten auch zu Gastwirten geworden. In Restaurants, Imbissen und Hofläden auf Hiddensee und Rügen verkaufen sie unter anderem das Fleisch ihrer Rinder. Die Tiere grasen im Sommer auf der Öhe sowie auf den Nachbarinseln.
Er habe Spaß am Machen, sagt Schilling. Es gibt aber auch handfeste wirtschaftliche Motive. Von Rügen aus gesehen wirke die Privatinsel zwar romantisch, aber: "Wenn du nicht weißt, wie du das alles bezahlen sollst, dann kann es noch so romantisch sein." Sein Urgroßvater habe die Insel auch als Danaergeschenk bezeichnet, also ein Geschenk mit Nachteilen. Für den gelernten Hotelfachmann und Vater zweier Töchter ist die Insel auch eine Verpflichtung.
Vater geflohen, Großmutter behütete die Insel
Schillings Großmutter lebte 25 Jahre allein auf der Öhe und schützte sie vor dem Zugriff der DDR-Verwaltung, die die Familie mit Abgaben belastete. "Sie hat die Insel für die Familie über den Sozialismus getragen." Schilling selbst ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen, verbrachte seine Ferien aber schon zu DDR-Zeiten auf der Insel. Sein Vater war mit einem Faltboot in den Westen geflohen, weil er in der DDR nicht Medizin studieren durfte. Nach der Wende kam er zurück und begann, die Öhe landwirtschaftlich zu nutzen.
Passend zur Region gehört auch Fisch zu Schillings Repertoire. Vor fast zehn Jahren gründeten sie zusammen mit Fischern der Insel Hiddensee den Verein Hiddenseer Kutterfisch, um den regionalen Hering als Feinkost zu vermarkten. Die Stralsunder Fischmanufaktur Rasmus samt Laden betreiben die Schillings seit 2021 und verkaufen hier etwa Bismarckhering, für den Stralsund als Geburtsort gilt. Den Fisch von Rasmus - damals noch unter anderer Führung - ließen sich schon die Ex-Präsidenten George W. Bush und François Hollande schmecken, der Grund: Hier liegt der Wahlkreis der Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die Familie Schächtele vom anderen Ende Deutschlands bringt nach eigener Aussage regelmäßig Fischdosen von Hiddenseer Kutterfisch aus dem Urlaub mit. Sie habe ein gutes Gefühl bei den Produkten, sagt Gabriele Schächtele. "Weil wir wissen: Die Sachen sind von hier." Gerade sitzt die Familie aus Freiburg auf der Terrasse von Schillings skandinavischem Bäcker auf Hiddensee. "War lecker", so das Fazit. Ihren Mann, Traugott, der regelmäßig als Kurpastor auf die Insel kommt, freut nach eigener Aussage, dass es auf Hiddensee nicht nur "Fisch mit Bratkartoffeln" gibt.
Gestiegene Kosten - "kämpfen wie die Blöden"
Lange, regionale Wertschöpfungsketten, Direktvermarktung - das klingt nachhaltig. Wirtschaftlich ist es laut Schilling mitunter schwierig. Unter anderem gestiegene Personal- und Energiekosten hätten dazu geführt, dass er im vergangenen Jahr eine Nullrunde gemacht habe. In der Gastronomie ließen sich höhere Kosten kaum an die Gäste weitergeben - die Margen seien gering. "Wir kämpfen wie die Blöden." Zudem funktionierten solche Konzepte nur, wenn es vor Ort auch noch produzierendes Gewerbe gebe, etwa zur Fischverarbeitung. Doch auch das stehe wegen der Kosten unter Druck.
Einen Betriebsleiterposten habe Schilling wieder abgeschafft, weil er sich nicht rechne. Die Aufgaben übernimmt er wieder selbst und das bei vier Restaurants, einem Bäcker, einem Café, mehreren Läden und etwa 300 Rindern. Etwa 40 Menschen beschäftige er während der Hochsaison. Die wahren Urlaubsmacher und -macherinnen seien inzwischen seine ausländischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die mehr als die Hälfte seiner Belegschaft ausmachten. Sie kämen vor allem aus Rumänien, Kirgistan, aber auch Polen.
Sieht Schilling bei all der Arbeit eigentlich noch die Idylle der Urlaubsregion? "Na klar, muss man ja versuchen, zu sehen. Also, wenn man früher nach Hiddensee gefahren ist und Freizeit hatte, war das natürlich schöner. Aber seine eigene Heimat mitzugestalten, ist ja auch schön." Und dann verweist er wieder auf die Augenblicke auf dem Wasser. "Die sind natürlich auch wie Kurzurlaub."
Quelle: ntv.de, Christopher Hirsch, dpa