Eingestürzte Häuser in Syrien Mehrere Tote bei neuem Erdbeben in der Türkei
21.02.2023, 07:08 Uhr Artikel anhörenAuch zwei Wochen nach dem tödlichen Erdbeben kehrt in der Türkei keine Ruhe ein. Erneut wird das Land von Erdstößen erschüttert, diesmal mit der Stärke 6,3. Wieder trifft es die Grenzregion zu Syrien. Es gibt auf beiden Seiten der Grenze erneut Tote und Verletzte.
Zwei Wochen nach der Erdbebenkatastrophe in der Region hat ein weiteres Beben der Stärke 6,4 den Südosten der Türkei und den Norden Syriens erschüttert. Das Beben war auch im Libanon zu spüren. Das Epizentrum lag in der türkischen Provinz Hatay, wie die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul mitteilte. Mindestens drei Menschen seien gestorben, 213 Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden, sagte der türkische Innenminister Süleyman Soylu.
In Syrien stürzten erneut Häuser ein. Syrischen Aktivisten zufolge starben mindestens fünf Menschen. In den Orten Aleppo, Tartus und Hama seien Anwohner in Panik geraten und etwa von ihren Häusern gesprungen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
Die Aktivisten hatten bereits kurz nach den erneuten Erdstößen 470 Verletzte gemeldet, davon 320 in den von der Regierung kontrollierten Regionen und 150 in den Rebellen-Gebieten. Auch der Chef der Rettungsorganisation Weißhelme, Raed al-Saleh, meldete 150 Verletzte für die syrischen Regionen, die von Rebellen gehalten werden. Nach Angaben der Hilfsorganisation SAMS stürzten in mehreren Orten nahe der Stadt Aleppo Häuser ein.
Mindestens 20 Nachbeben
Nach Angaben der türkische Katastrophenschutzbehörde Afad erschütterten zwei Beben der Stärke 6,4 und 5,8 im Abstand von drei Minuten die Region. Es habe mindestens 20 Nachbeben gegeben, sagte der türkische Vize-Präsident Fuat Oktay.
Der Sender CNN Türk berichtete, die Menschen seien in Panik auf die Straße gelaufen, zudem sei in Hatay der Strom ausgefallen. Rettungskräfte in der Stadt Antakya arbeiten laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu daran, drei unter Trümmern eingeschlossene Menschen zu befreien. Der Bürgermeister von Hatay warnte, die Erdbebenserie sei noch nicht vorbei. Via Twitter rief er dazu auf, sich von einsturzgefährdeten Gebäuden fernzuhalten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, das staatliche Krankenhaus in der Küstenstadt Iskenderun werde evakuiert.
Das Beben war Medienberichten zufolge auch in den umliegenden Provinzen der Türkei sowie im Norden Syriens, in Israel, im Irak und im Libanon zu spüren. In mehreren Orten nahe der Stadt Aleppo seien erneut Häuser eingestürzt, sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation SAMS. Darunter sei die Kleinstadt Dschindiris, die schon vor zwei Wochen stark von den Beben getroffen wurde. Fünf Kliniken der Organisation hätten mindestens 30 Verletzte aufgenommen - darunter ein Kind mit Herzstillstand, das reanimiert werden konnte. Ob in der Türkei Häuser einstürzten, war zunächst unklar.
Bisher mehr als 47.000 Tote
Am 6. Februar hatte frühmorgens ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Das Epizentrum lag in beiden Fällen in der südtürkischen Provinz Kahramanmaras. Mehr als 47.000 Menschen starben, davon mehr als 41.000 in der Türkei.
In vielen Provinzen in der Türkei wurden die Sucharbeiten nach Verschütteten inzwischen beendet. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte davor, dass sich Infektionskrankheiten in der Region ausbreiten und in den kommenden zwei bis vier Wochen etliche Ansteckungen zur Folge haben könnten. Krankheiten, die durch Lebensmittel und Wasser übertragen werden, sowie Atemwegsinfektionen und durch Impfung vermeidbare Infektionen stellten in der kommenden Zeit ein besonderes Risiko dar. Derweil sagten Unternehmen und Verbände in Deutschland am Montag dringend benötige Materialien wie Arzneimittel, medizinische Geräte und weitere Hilfsgüter im Millionenwert zu, wie das Bundesgesundheitsministerium in Berlin nach einem "Spendengipfel" mitteilte. Die Lieferungen sollen schnell in die Krisengebiete gebracht werden - von den Firmen selbst oder in Kooperation mit der türkischen Regierung sowie mit Helfern.
Steinmeier spricht von Jahrhundertkatastrophe
Am Dienstag reisen Außenministerin Annalena Baerbock und Innenministerin Nancy Faeser in das von den Erdbeben vor zwei Wochen betroffene Gebiet. Die Ministerinnen wollen sich in der Region um das Epizentrum nahe der Stadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien ein Bild der Lage machen, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin mitteilte.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einer Jahrhundertkatastrophe und bat die Menschen in Deutschland, langfristig zu helfen. "Was wir jetzt brauchen, ist ausdauernde Solidarität", sagte er bei einer Gedenkveranstaltung der Türkischen Gemeinde in Deutschland und des Verbandes Deutsch-Syrischer Hilfsvereine am Brandenburger Tor in Berlin. Das Ausmaß der Zerstörung lasse erahnen, dass es lange dauern werde, bis die Überlebenden regelmäßig mit dem Nötigsten versorgt seien.
US-Außenminister Antony Blinken zeigte sich in Ankara fassungslos angesichts der Zerstörungen in der türkisch-syrischen Erdbebenregion. Er hatte sich am Sonntag gemeinsam mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu ein Bild von der Situation in der besonders schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay gemacht. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte bei einem erneuten Besuch in Hatay an, die Städte in der Provinz zügig wieder aufzubauen. Man wolle Hatay "in all seinen Farben wiederbeleben", sagte er. Zuvor hatte Erdogan den US-Außenminister am Flughafen in Ankara getroffen.
Quelle: ntv.de, ghö/ino/dpa