Nach Flucht im Wald versteckt Mörder kehrt aus Dschungel zurück und kommt frei
01.03.2024, 12:39 Uhr Artikel anhören
Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis verschlägt es den Täter zunächst nach Chile, bevor er mehr als zwei Jahrzehnte im argentinischen Regenwald lebt. (Symbolbild)
(Foto: picture alliance / Zoonar)
Im Jahr 2000 erschießt ein Mann seine Ex-Freundin im südargentinischen Río Grande. Er wird verurteilt, doch dem Täter gelingt die Flucht aus der Haft. Mehr als 20 Jahre versteckt er sich im Regenwald - dann kehrt er zurück. Obwohl er seine Strafe nie verbüßt hat, erklärt ihn ein Gericht zum freien Mann.
Ein verurteilter Mörder entkommt aus dem Gefängnis, versteckt sich - und ist nach seiner Rückkehr ein freier Mann. Genau so lässt sich der Fall von Ramón A. laut dem argentinischen Nachrichtenportal "Clarín" zusammenfassen. Der Argentinier tötete im Jahr 2000 seine schwangere Ex-Freundin. Kurz nach seiner Verurteilung gelang ihm die Flucht aus dem Gefängnis und aus dem Land. Mehr als 20 Jahre versteckte er sich im Dschungel, bis er im vergangenen Winter plötzlich zurückkehrte und sich den Behörden stellte. Allerdings tat der mittlerweile 70-Jährige dies offenbar weniger aus schlechtem Gewissen als vielmehr, weil er die rechtliche Lage seines Falles kannte. Denn dieser ist nach argentinischem Recht verjährt, wie die Richter am Strafgericht Río Grande jüngst erklärten. Damit hat A. gute Chancen, aus der Haft entlassen zu werden.
Medienberichten zufolge lebte A. zum Tatzeitpunkt im Januar 2000 bereits von Eva F., die im siebten Monat schwanger war, getrennt. Am Tattag betrat A. ihre Wohnung in der südargentinischen Stadt Río Grande und schoss auf sie. Schwerverletzt schaffte es F. zunächst in eine Klinik zu flüchten, wo A. sie schließlich einholte und mit vier weiteren Schüssen tötete. Noch im September desselben Jahres verurteilte ihn das Strafgericht Río Grande zu 20 Jahren Haft.
Verbüßt hat A. jedoch gerade einmal fünf Monate seiner Strafe. Im Februar 2001 gelang es ihm, sich in einem Lastwagen zu verstecken und aus dem Gefängnis zu fliehen. Dies lag offenbar auch an den damaligen miserablen Sicherheitsstandards der Anstalt - laut einem ehemaligen Polizeichef gab es weder eine Umzäunung noch ausreichend Justizpersonal. Belegen würde dies auch die Tatsache, dass A. am Morgen aus der Haft entkam, dies jedoch erst am Nachmittag auffiel.
Femizid seit 2012 eigener Tatbestand
Der Flüchtige reiste zunächst nach Chile, bevor er unbemerkt wieder nach Argentinien kam und anschließend rund 22 Jahre im Dschungel des Chaco Salteño lebte. Im vergangenen Winter tauchte er dann überraschend wieder in Río Grande auf - und beantragte die Verjährung seines Falles. "Die Verjährungsfrist beträgt 20 Jahre, so lange war er untergetaucht", erklärte der Anwalt von A. gegenüber argentinischen Medien. Der Verteidiger geht davon aus, dass sein Mandant die Strafe "auf diese Weise abgesessen" habe.
Und tatsächlich: Vor wenigen Tagen entschieden die Richter, dass die Strafe, die A. zu verbüßen hatte, verjährt ist. Die Entscheidung fiel im selben Gerichtssaal, in dem der Mann 2000 wegen Mordes verurteilt wurde. A. müsse aufgrund der Verjährung aus der Haft entlassen werden, hieß es vom Gericht. Vorerst bleibt der Mörder jedoch in Gewahrsam - die Entscheidung des Berufungsgerichts Río Grande muss noch im Obersten Gerichtshof Argentiniens bestätigt werden.
Dass eine Verjährung in diesem Fall überhaupt möglich war, liegt an einer Besonderheit im argentinischen Strafrecht. Dies unterscheidet zwischen einfachem und schwerem Mord. Während schwerer Mord mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe belegt ist, beträgt der Strafrahmen für einfachen Mord zwischen acht und 25 Jahren. Die geschlechtsspezifische Perspektive der Tötung spielte zum Zeitpunkt des Prozesses noch keine Rolle im argentinischen Recht. A. wurde daher nicht wegen Femizids, sondern wegen einfachen Mordes verurteilt. 2012 führte das Land Femizid als Straftatbestand ein. Seitdem begründen Morde an Frauen aus geschlechtsspezifischen Gründen eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Quelle: ntv.de, spl