Bereits 16 Kilo verloren Nawalny droht offenbar Zwangsernährung
12.04.2021, 16:16 Uhr
Nawalny klagt über Schmerzen im Rücken und Taubheitsgefühle in den Beinen und Armen.
(Foto: dpa)
Kreml-Kritiker Alexej Nawalny geht es in seinem Hungerstreik offenbar immer schlechter. Wie sein Team mitteilt, hat er bereits mehrere Kilo an Körpergewicht verloren. Das könnte die russischen Behörden nun zum Handeln zwingen.
Die russischen Behörden drohen offenbar mit der Zwangsernährung des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, der sich im Hungerstreik befindet. Nawalnys Team erklärte auf Twitter, angesichts der "Ernsthaftigkeit" von dessen Hungerstreik drohe die Gefängnisverwaltung "täglich" mit Beginn der Zwangsernährung.
Der 44-Jährige war Ende März aus Protest gegen seine Haftbedingungen in einem Straflager in den Hungerstreik getreten und hat seitdem nach Angaben seines Teams acht Kilogramm verloren. Nawalny wiegt laut seinem Team mittlerweile nur noch 77 Kilo. Schon vor seinem Hungerstreik hatte der 1,89 Meter große Nawalny im Straflager stark abgenommen. Bei seiner Ankunft in dem Straflager wog er noch 93 Kilo.
Nawalnys Unterstützer hatten zuletzt über eine weitere Verschlechterung von dessen Gesundheitszustand berichtet. Der Oppositionelle hat demnach Schmerzen im Rücken und Taubheitsgefühle in Beinen und Armen. Mit dem Hungerstreik will er seine Behandlung durch einen Arzt durchsetzen. Vergangene Woche hatte Nawalny zudem über Husten und Fieber geklagt und war in die Krankenstation des Lagers verlegt worden. Nach Angaben seines Teams wurde er mittlerweile aber zurück in die Baracken gebracht. Ein Arzt wurde demnach immer noch nicht zu ihm gelassen.
Nach Angaben von Nawalnys Anwältin Olga Michailowa ergab eine MRT-Untersuchung, dass Nawalny unter zwei Bandscheibenvorfällen und einer angeschwollenen Bandscheibe leidet. Seine Unterstützer fordern eine Verlegung in ein Krankenhaus. Der Kreml erklärte, Nawalny stehe keine besondere Behandlung zu.
Kampagne für seine Freilassung
Nawalnys Team hat inzwischen eine Kampagne für seine Freilassung gestartet und die größten Proteste in der neueren Geschichte Russland angekündigt. Das Datum für die Proteste soll festgelegt werden, sobald sich 500.000 Unterstützer auf einer Internetseite registriert haben. Bis jetzt sind es fast 420.000 Menschen.
Erst am Wochenende hatten Abgeordnete von Grünen, Union, SPD und FDP die Haftbedingungen für den erkrankten Nawalny als "gezielte Folter" angeprangert und eine Untersuchung des Europarats gefordert. In einem an Nawalny adressierten Brief sprachen die Abgeordneten dem 44-Jährigen ihre "volle Solidarität" aus.
Auf seinem Instagram-Account ist vor wenigen Tagen ein Beitrag veröffentlicht worden, in dem in Nawalnys Namen geschildert wird, mit welchen Mitteln sein Hungerstreik schikaniert werde. So seien ihm unter anderem heimlich Süßigkeiten untergeschoben worden, um ihn bei Kontrollen als Streikbrecher zu entlarven, heißt es in dem Beitrag. Nawalny habe gewusst, dass die Behörden versuchen würden, seinen Hungerstreik zu diskreditieren und lächerlich zu machen. "Aber die Primitivität des Vorgehens ist überraschend", so der Kreml-Kritiker.
Der 44-Jährige hatte im August des vergangenen Jahres einen Anschlag mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe überlebt. Nach dem Attentat, für das Nawalny den Kreml verantwortlich macht, wurde der prominente Kritiker von Staatschef Wladimir Putin nach Deutschland geflogen und in der Berliner Charité behandelt. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Russland im Januar wurde er festgenommen.
Der Oppositionspolitiker wurde dann wegen angeblicher Verstöße gegen seine Bewährungsauflagen zu mehr als zweieinhalb Jahren Haft in einem Straflager verurteilt. Die Entscheidung wurde international scharf verurteilt und löste Massenproteste in Russland aus. Zur Haft wurde Nawalny in das Straflager N2 in der Kleinstadt Pokrow gebracht, die rund 200 Kilometer östlich von Moskau liegt.
Quelle: ntv.de, hek/AFP