Karl Lauterbach bei ntv "Noch drei Wochen Vorsicht sichern Sommer ab"
18.05.2021, 15:44 Uhr
Karl Lauterbach glaubt, dass die Gefahr durch die indische Mutante durch das Impfen eingedämmt werden kann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschland impft im Akkord, die Zahlen sinken - und so manches Bundesland macht sich locker. Doch SPD-Experte Lauterbach mahnt zu Vorsicht, um nicht ungeschützt der indischen Variante in die Arme zu laufen. Öffnungen sollten mit Bedacht und vorerst allenfalls für Außenbereiche erfolgen, rät er bei ntv.
ntv: Herr Lauterbach, wo stehen wir beim Impfen?
Karl Lauterbach: Noch ist die Versorgung mit dem Impfstoff sehr knapp. Wir müssen uns aus meiner Sicht weiter damit begnügen, dass wir die Menschen mit Priorisierung impfen. Die Situation wird aber deutlich besser werden ab Anfang Juni, ab der zweiten Juniwoche. Dann kommt sehr viel Impfstoff.
Wie verhindern wir, dass die indische Variante die britische Variante ablöst? Was können wir von der Erfahrungen Großbritanniens da lernen?
Wir können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, wie ansteckend die indische Variante tatsächlich ist. Es gibt vorläufige Daten, die darauf hinweisen, dass sie ungefähr 50 Prozent ansteckender sein könnte als die britische Variante. Wenn sich das bestätigt, dann werden die Engländer ein Problem bekommen. Das kann aber auch sein, und darauf deuten neuere Daten hin, dass es möglicherweise mit dem schnellen Impffortschritt in England gelingen wird, die Ausbreitung zu stoppen. Wenn das gelingen sollte, wäre es auch für uns sehr wichtig.
Aber wir hinken ja mit dem Impfen noch hinterher, und wenn wir erst Anfang Juni den Turbo zünden, dann dauert es noch mal eine Weile, bis der Impfschutz tatsächlich einsetzt. Wie viel Spielraum ist da für die indische Mutante?
Der wäre in Deutschland im Moment noch sehr groß. Das wird sich bei uns erst ändern Ende Mai, Anfang Juni. Dann also werden wir auch eine kritische Größe bei den Impfungen, insbesondere bei den Erstimpfungen erreicht haben. Ich glaube wir müssen in den nächsten zwei bis drei Wochen noch sehr vorsichtig sein, bei Lockerungen sehr zurückhaltend bleiben. Dann sichern wir den gesamten Sommer damit ab.
Was wissen wir über die Wirksamkeit der Impfstoffe? Gibt es bestimmte Impfstoffe, die mehr oder weniger gegen die Mutante wirken?
Ja, es gibt in der Tat Unterschiede. Wir würden zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass die Impfstoffe von Moderna und Biontech besonders stark wirken, aber auch die Wirkung von Astrazeneca ist wahrscheinlich hoch genug, um damit schwere Verläufe zu vermeiden. Gestern ist noch mal eine sehr gute, wichtige Studie breit diskutiert worden in der Wissenschaft, die im "Nature" erschienen ist. Da kann man ganz klar sehen, dass der Schutz vor schweren Verläufen, auch bei den Mutationen, die wir bisher haben, bei fast allen Impfstoffen weltweit gewährleistet ist - zumindest von allen, die wir in Deutschland verwenden.
Sie haben die Lockerungen angesprochen. Wie risikobereit kann man im Moment schon sein?
Man darf nicht zu schnell lockern. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist man in Deutschland vorsichtig gewesen und insbesondere sind auch die Bürger sehr vorsichtig. Das ist sicherlich ein großer Wert, den dürfen wir nicht verspielen. Was ich für besonders bedenklich hielte, wenn wir die Innenräume, also Gastronomie, Fitness-Center, Veranstaltungen, zu schnell öffnen. Denn da ist die Ansteckungsgefahr ja noch immer am größten. Wenn wir weitgehend auf Lockerungen im Außenbereich setzen, für die nächsten Wochen zumindest, dann sind wir wahrscheinlich relativ sicher unterwegs Richtung Sommer.
Für den Sommer braucht es einen digitalen Impfnachweis. Glauben Sie noch daran, dass wir das vor der Sommersaison in Deutschland erleben werden?
Ich hoffe, dass wir Ende Juni einen Impfpass hinbekommen, der sowohl die Kriterien des Datenschutzes erfüllt als auch leicht zu nutzen ist, um dann Impfnachweise zu führen und auch andere wichtige Informationen. Wenn man das Ganze dann auch noch kombinieren könnte mit der Corona-Warn-App, wäre es optimal. Das ist eine Leistung, die der Bürger erwartet. Und ich hoffe, dass wir das bis Ende Juni noch schaffen.
Wovon hängt das ab?
Das Konsortium, das diesen Auftrag jetzt abarbeitet, hat diesen Auftrag relativ spät bekommen. Es muss ja auch gründlich gemacht werden. Aber es nutzt ja nichts, zurückzublicken und kritisch zu sein, sondern jetzt ist wichtig, dass wir die Vorbereitungen treffen, dass diejenigen mit regulärem gelbem Impfausweis dann auch sehr schnell den Impfnachweis übertragen können in die elektronische Form.
Ich glaube schon, dass man da kritisch sein kann. Was sind denn die spezifischen Hürden, einen digitalen Impfpass zu erstellen?
Der digitale Impfpass muss vor allen Dingen manipulationssicher sein, sodass man sich nicht die Impfung einfach selbst bescheinigen kann, ohne dass man sie tatsächlich gehabt hat. Oder, dass der Ausweis missbraucht werden kann durch Dritte. Und all dies muss auch datenschutzkonform vorbereitet werden. Das sind keine kleinen Hürden, die Programmierung ist keineswegs trivial. Das in fünf oder sechs Wochen hinzubekommen, ist keine Kleinigkeit. Nichtsdestotrotz, hätte man früher angefangen, dann wäre man möglicherweise schon etwas weiter.
Mit Karl Lauterbach sprach Katrin Neumann
Quelle: ntv.de