Immunologe Förster bei ntv "Omikron-Studie ist besorgniserregend"
09.12.2021, 15:44 Uhr
Professor Reinhold Förster - hier im Gespräch mit ntv-Moderatorin Nele Balgo - ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.
Noch immer ist vieles im Zusammenhang mit der neuen Corona-Variante unsicher. Der Immunologe Reinhold Förster rechnet im ntv-Interview mit deutlich steigenden Infektionszahlen, und auch die Studie der Virologin Sandra Ciesek stimmt ihn besorgt - auch wenn die Ergebnisse noch mit Vorsicht zu interpretieren sind.
ntv: Die Zahl der Neuinfektionen entwickelt sich von einem hohen Niveau aus leicht zurück. Wie geht das weiter, wenn sich die Omikron-Variante bei uns flächendeckend ausbreitet?
Reinhold Förster: Zum einen ist festzuhalten, dass Delta nach wie vor die dominierende Variante hier ist. Und trotz der Maßnahmen gehen die Zahlen kaum oder vielleicht etwas zurück. Aber sie steigen nicht mehr an, das ist die erste gute Nachricht. Wie sich das mit Omikron entwickelt, können wir momentan noch nicht so gut absehen. Aber Daten aus Südafrika, aus England und auch aus Dänemark lassen befürchten, dass das Virus deutlich infektiöser ist als die Delta-Variante. Von daher ist damit zu rechnen, dass es deutlich nach oben gehen wird, wenn Omikron sich durchsetzt.
Die Virologin Sandra Ciesek hat herausgefunden, dass die Impfstoffe gegenüber der Omikron-Variante eine deutlich geringere Wirksamkeit haben. Was bedeutet das?
Frau Ciesek hat echtes Virus genommen, das Delta-Virus und das Omikron-Virus, und hat dann die Seren getestet, wie gut sie in der Lage sind, das Virus zu neutralisieren. In der Tat sind diese Daten besorgniserregend, weil einfach klar ist, dass wenig Antikörper da sind, die uns schützen würden. Auf der anderen Seite sind diese Daten, so wie alle anderen Daten, auch sehr vorläufig zu betrachten. Hinzu kommt natürlich noch, dass auch T-Zellen da sind, und mit diesen T-Zellen wurden bisher keinerlei Untersuchungen durchgeführt. Aber nun wissen wir: Ja, die Impfung kann schützen, der Antikörperschutz wird aber nicht wahnsinnig hoch sein.
Biontech kommt da auf ganz andere Werte: Drei Impfungen sollen gut vor Omikron schützen. Warum will man dann noch einen angepassten Impfstoff entwickeln?
Auch da ist klar, dass es eine massive Reduktion des Impfschutzes gegen Omikron gibt. Dort wurde ein etwas anderer Labortest verwendet als bei Sandra Ciesek in Frankfurt. Allein das kann schon dazu führen, dass wir Unterschiede sehen. In beiden Fällen war die Anzahl der untersuchten Seren wirklich sehr gering, sodass man davon momentan wirklich nicht viel lernen kann, außer, dass alle Daten dahingehend zusammenpassen, dass die Antikörper wenig schützen werden vor Infektionen, wenn man sich nicht mindestens dreimal impfen lässt.
Omikron ist laut WHO in 57 Ländern nachgewiesen worden, und es gibt Berichte, dass die Infizierten nicht so schwere Verläufe haben. Könnte Omikron wirklich so eine "Sweetspot"-Variante sein?
Das kann man momentan wirklich gar nicht sagen. Es sind - zumindest in der westlichen Welt - viel zu wenige Fälle seit viel zu kurzer Zeit bekannt, als dass man irgendeine Aussage darüber machen könnte, wie schwer oder wie leicht die Krankheitsverläufe nach Infektionen sind. Die Daten, die man hat, kommen aus Südafrika, aber da ist die Situation eine ganz andere. Die Bevölkerungsstruktur ist zum einen ganz anders, da gibt es sehr viele junge Leute, bei uns gibt es sehr viele ältere Menschen. Auf der anderen Seite - und das darf man auch nicht außer Acht lassen - gab es in Südafrika schon eine sehr hohe Durchseuchung durch Delta. Deshalb sind die Menschen vielleicht aufgrund einer vorherigen Infektion deutlich besser geschützt vor einer neuen schweren Erkrankung.
Was spricht nach Ihrer Meinung für eine Impfung bei Fünf- bis Elfjährigen - und was dagegen?
Die Impfung der Kinder spielt sich auf drei Ebenen ab. Die erste ist: Wie gut schützt die Impfung vor einer schweren Erkrankung? Und da ist es zumindest bei der Delta-Variante so, dass man da nicht wahnsinnig viele Anhaltspunkte hat, dass Kinder, wenn sie keine anderen Erkrankungen haben, schwer an Covid-19 erkranken. Die zweite Ebene ist: Was passiert mit den Kindern aufgrund der ständigen Lockdowns? Wenn sie nicht ihre Freunde sehen können, wenn sie nicht in die Schule gehen können, wenn sie nicht zum Sport gehen. Und wenn man den Kindern dadurch ihr soziales Umfeld zurückgeben kann, dann spricht schon sehr viel mehr dafür, die Kinder impfen zu lassen. Die dritte Ebene ist die der Pandemiebekämpfung. Wie weit hilft es, Kinder zu impfen, um einen Herdenschutz zu erzeugen? Da, denke ich, ist ganz klar die Antwort: Hier sind die dran, sich impfen zu lassen, die das große Risiko tragen. Das sind einfach die Menschen über 50, über 60, und solange dort noch so viele Menschen ungeimpft sind, finde ich, kann man dort nicht darüber diskutieren, die Kinder impfen zu lassen, damit die älteren Menschen geschützt sind, die sich nicht impfen lassen wollen.
Verändert die Omikron-Variante jetzt den Umgang mit den Kinderimpfungen?
Das wird man auch sehen. Es ist tatsächlich so, dass in Südafrika berichtet wurde, dass jetzt auch ein deutlich höherer Anteil der Null- bis Vierjährigen in die Klinik muss aufgrund einer Infektion mit Sars-Cov-2. Natürlich wirft das ein neues Bild darauf, wie die Impfung zu sehen ist. Aber momentan sprechen wir von einer Impfung der Fünf- bis Elfjährigen und nicht der Null- bis Vierjährigen.
Mit Reinhold Förster sprach Nele Balgo
Quelle: ntv.de