Panorama

Konsequenzen für Waffengebrauch Polizisten erschießen 16 Menschen in diesem Jahr

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In Bund und Ländern arbeiten derzeit rund 350.000 Polizisten und Polizistinnen.

In Bund und Ländern arbeiten derzeit rund 350.000 Polizisten und Polizistinnen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Fall des 21-jährigen Lorenz aus Oldenburg, der von einem Polizisten von hinten erschossen wird, sorgt für Empörung. Er ist aber nur einer von mehreren Menschen, die dieses Jahr an Schüssen der Beamten starben. Daten der Deutschen Hochschule der Polizei liefern einen Überblick.

Polizisten richten in Deutschland nur selten eine Schusswaffe auf Menschen. Geschossen werden darf nur, wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg bringen - etwa um das eigene Leben oder das eines anderen Menschen zu schützen, ein Verbrechen zu verhindern oder einen flüchtigen Verdächtigen aufzuhalten.

Der 21-jährige Lorenz, der in Oldenburg von der Polizei getötet wurde, ist eines der bisher 16 Todesopfer im Jahr 2025. Das listet die Zeitschrift "Bürgerrechte & Polizei/Cilip" des Instituts für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit an der Humboldt-Universität zu Berlin anhand von Daten der Deutschen Hochschule der Polizei auf. Die jüngsten Fälle:

Leonberg (Baden-Württemberg), 19. Juli: Ein Spezialeinsatzkommando erschießt einen 44-Jährigen, der zuvor aus seinem Haus auf Passanten und Polizisten feuerte und später die Beamten mit einer Schusswaffe bedroht haben soll. Der Polizei zufolge handelte es sich um eine Schreckschusswaffe.

Stuttgart (Baden-Württemberg), 1. Juli: Ein Polizist erschießt einen 29-Jährigen auf der Flucht, der zuvor in einer Bar bei einem blutigen Streit einen anderen Mann verletzt haben soll. Der Beamte trug keine Bodycam. Diese wurden 2019 flächendeckend eingeführt, müssen aber manuell eingeschaltet werden.

Wangen (Baden-Württemberg), 26. Juni: Nach einem mutmaßlichen Messerangriff auf Beamte wird ein 27-Jähriger von der Polizei erschossen. Der afghanische Staatsangehörige sollte an seinem Wohnort festgenommen und in Haft gebracht werden.

München (Bayern), 7. Juni: Eine 30-Jährige, die zuvor mit einem Messer zwei Passanten leicht verletzt hat, wird von der Polizei niedergeschossen und stirbt kurz darauf. Die aus Mazedonien stammende Frau soll bereits Stunden zuvor "auffällig" geworden sein. Die zwei Beamten sollen insgesamt neun Schüsse abgegeben haben.

Schirnding (Bayern), 31. Mai: Polizisten erschießen an der bayerischen Grenze zu Tschechien einen flüchtigen Autofahrer. Bei einer Grenzkontrolle sei der 47-Jährige davongerannt und habe auf die Polizei geschossen. Im Nachgang teilte die Polizei mit, der im Raum Mannheim lebende Iraner sei auf dem Rückweg von einer Drogenbeschaffungsfahrt in Tschechien gewesen.

Seit der deutschen Wiedervereinigung sind nach "Cilip"-Angaben bis heute mindestens 376 Personen durch Kugeln der deutschen Polizei getötet worden. Im Jahr 2024 wurden mit 22 Personen demnach so viele Menschen erschossen wie nie zuvor seit Beginn von Aufzeichnungen im Jahr 1976. In Bund und Ländern arbeiten aktuell rund 350.000 Polizisten und Polizistinnen.

Verurteilung von Polizisten eher selten

Nach einem Schusswaffengebrauch der Polizei wird generell ermittelt, ob die Voraussetzungen für einen solchen Einsatz tatsächlich vorgelegen haben. Die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob sie überhaupt Anklage erhebt. Zu einer Verurteilung kommt es fast nie.

Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich etwa aktuell mit einem Fall vom August 2024 aus Düsseldorf. Das dortige Landgericht hatte einen Polizisten freigesprochen, obwohl er dem Urteil zufolge die Schüsse nicht hätte abfeuern dürfen, weil keine akute Gefahr für Menschen bestand. Dennoch war die Tat nach Ansicht des Richters nicht strafbar, weil der Beamte schlicht eine Fehleinschätzung getroffen habe. Die Staatsanwaltschaft ging in Revision.

Bundesweit für Aufsehen erregte der Fall des 16-jährigen Mouhamed Dramé. Das Landgericht Dortmund kam im Dezember 2024 zu dem Schluss, dass keinen der fünf angeklagten Polizisten Schuld an dessen Tod nach den Polizeischüssen trifft, weil sie irrtümlicherweise davon ausgingen, der suizidale Jugendliche wolle sie mit einem Messer angreifen. Nur gegen den Freispruch des Einsatzleiters ging die Staatsanwaltschaft in Revision.

Vor 15 Jahren wurde wegen Totschlags im minderschweren Fall ein Berliner Polizist zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil er an Silvester 2008 in Schönfließ einen Kleinkriminellen bei einer Kontrolle durch die Seitenscheibe des gestohlenen Autos erschossen hatte. Nach Ansicht des Gerichts war der Schuss zur Fluchtverhinderung nach dem brandenburgischen Polizeigesetz nicht erlaubt.

Quelle: ntv.de, raf/dpa

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