Panorama

Vorläufiges Obduktionsergebnis "Querdenken"-Protestler erliegt Herzinfarkt

Aufgrund des Verstoßes gegen Corona-Maßnahmen und Angriffen auf Polizisten gab es zahlreiche Festnahmen auf der "Querdenken"-Demonstration in Berlin.

Aufgrund des Verstoßes gegen Corona-Maßnahmen und Angriffen auf Polizisten gab es zahlreiche Festnahmen auf der "Querdenken"-Demonstration in Berlin.

(Foto: picture alliance / SULUPRESS.DE)

Der 48-jährige Mann, der während der Proteste der "Querdenker" in Berlin verstirbt, soll laut Obduktionsbericht einem Herzinfarkt erlegen sein. Er war nach Zusammenstößen in eine Gefangenensammelstelle gebracht worden. Die Protestpartei "Die Basis" erklärt, dass er eines ihrer Gründungsmitglieder sei.

Ein 48-Jähriger, der am Sonntag während der Corona-Proteste in Berlin ums Leben kam, starb einem vorläufigen Obduktionsbericht zufolge an einem Herzinfarkt. Wie Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung mitteilt, soll der Mann aus dem Kreis Euskirchen im Rheinland gegen 16.20 Uhr im Stadtteil Kreuzberg versucht haben, eine Polizeikette zu durchbrechen. Den vorläufigen Ermittlungen zufolge habe er im Bereich des Tempelhofer Ufers einen Beamten zu Boden gestoßen und sei gemeinsam mit dem Polizisten zu Boden gegangen. Der Polizist sei dabei verletzt worden.

Nachdem Einsatzkräfte versucht hätten, den 48-Jährigen festzunehmen, sei dieser zunächst geflüchtet. Nach einer kurzen Verfolgung sei er zu Boden gebracht und mit Handfesseln gefesselt worden. Der Mann habe zunächst über Schmerzen in der Schulter geklagt, dann aber erklärt, dass diese abgeklungen seien, hieß es. Anschließend sei er in einem Polizeitransporter zu einer Gefangenensammelstelle gebracht worden, wo seine Identität festgestellt werden sollte. Hier habe der 48-Jährige wieder über Schmerzen, unter anderem in der Brust, geklagt und um einen Arzt gebeten.

Wenig später seien den Angaben zufolge ein Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug eingetroffen, während bereits umfangreiche Reanimationsmaßnahmen liefen. Der Mann sei in die Charité eingeliefert und in eine Intensivstation gebracht worden. Dort sei er nach erfolglosen Rettungsversuchen gestorben.

Verstorbener soll Protestpartei mitbegründet haben

Laut dem vorläufigen Ergebnis einer sofort angeordneten Obduktion starb der 48-Jährige laut Staatsanwaltschaft an einem Herzinfarkt. Neben Verletzungen, die durch die Reanimationsversuche verursacht wurden, seien laut vorläufigem Obduktionsergebnis keine Spuren schwerer Gewalteinwirkung festgestellt worden. Die genauen Todesumstände des Rheinländers, der dem Bericht zufolge mit seinem Sohn im Jugendalter an den Protesten teilgenommen hatte, soll nun ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren klären. Wie die Corona-Protest-Partei "Die Basis" demnach mitteilte, handelt es sich bei dem Verstorbenen um ein Gründungsmitglied der Kleinpartei.

Trotz des Verbots mehrerer Demonstrationen auch aus der "Querdenker"-Szene waren in Berlin am Sonntag Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Dabei kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei. Es wurden auch Einsatzkräfte und Gewerkschaftsvertreter angegriffen. Nach Angaben der Polizei gab es fast 600 Festnahmen. Sie sprach von rund 5000 Teilnehmern an den Protesten.

Mit Besorgnis reagierte die Bundesregierung auf die Ausschreitungen. Es habe dabei auch "Angriffe auf Personen aus dem Protestgeschehen heraus" gegeben, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. "Das nimmt die Bundesregierung mit großer Besorgnis wahr." Für Gewalt und Provokation sei ebenso wenig Platz wie "für rechtsextremistisches Gedankengut, für Verschwörungsmythen, egal von welcher Seite diese kommen", so Demmer.

Das Bundesinnenministerium hatte im April mitgeteilt, dass der Verfassungsschutz einzelne Akteure und Teile der Corona-Protestbewegung bundesweit mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Grund dafür sei die von ihnen betriebene "verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates". Die Stuttgarter Gruppe "Querdenken 711" gilt als eine Art Keimzelle der mittlerweile bundesweit aktiven Protestbewegung. "Querdenker ist nicht Querdenker" - die Szene sei sehr heterogen, betonte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter. In der Pandemie sei eine neue Form von Extremismus entstanden, bei der unterschiedliche Akteure "das Ziel eint, die staatlichen Institutionen, den Staat als solches, zu destabilisieren und zu delegitimieren".

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verteidigte das Verbot der Demonstrationen und das Vorgehen der Einsatzkräfte. "Angesichts der enormen Gewaltbereitschaft und zahlreicher verletzter Kolleginnen und Kollegen war es richtig, entsprechende Demos vorab zu untersagen, sodass sich gar nicht erst Zehntausende versammeln konnten", teilte der Sprecher der Berliner GdP, Benjamin Jendro, mit. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr hätten gezeigt, dass die Anmelder bei ihren Demos die gebotenen Hygieneregeln nicht gewährleisten könnten und es aus den Versammlungen heraus immer wieder zu schweren Straftaten komme, erklärte Jendro.

Polizei leitet mehr 500 Ermittlungsverfahren ein

Die Polizei leitete mindestens 503 Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer ein. In 59 Fällen werde wegen Widerstands und in 43 Fällen wegen tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt, teilte die Polizei mit. Weitere Anzeigen wurden demnach wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, Gefangenenbefreiung sowie Verstößen gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz und die Berliner Infektionsschutzverordnung geschrieben.

Mehr als 60 Polizistinnen und Polizisten seien zum Teil schwer verletzt worden, bilanzierte die Polizei. Die größte unerlaubte Ansammlung im Stadtteil Westend umfasste laut Polizei bis zu 2000 Teilnehmer. Mit einem Reisebus sei eine Kreuzung blockiert worden. Insgesamt hätten Einsatzkräfte am Wochenende knapp 1000 Personen "in ihrer Freiheit beschränken oder sie festnehmen" müssen. Mehr als 60 Prozent von ihnen seien aus anderen Bundesländern nach Berlin gekommen.

Quelle: ntv.de, als/dpa

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