Panorama

Corona-Lage verschlechtert sich RKI-Chef: "Uns stehen schwere Wochen bevor"

Die anstehenden Feiertage bereiten dem Chef des Robert-Koch-Instituts große Sorgen. Lothar Wieler appelliert daher eindringlich an die Bevölkerung, sich auch an Weihnachten an die Regeln zu halten, von Reisen abzusehen und Kontakte zu reduzieren. Derzeit verschlechtere sich die Lage noch weiter.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) sieht auch nach einer Woche Lockdown keine Trendwende bei den Infektionen in Deutschland. "Zur Zeit verschlechtert sich die Situation weiter", sagte RKI-Chef Lothar Wieler. "Es wird vermutlich noch mehrere Wochen dauern, bis die Fallzahlen zurückgehen." Es stünden schwere Wochen bevor. "Ich bitte Sie eindringlich, die Tage zwischen den Jahren in Ruhe und in kleinstem Familienkreis zu verbringen", appellierte Wieler.

Die derzeitigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens seien nur dann besonders effektiv, wenn private Kontakte reduziert würden. "Das Virus lebt von unseren Kontakten", so Wieler. Deswegen appelliere er eindringlich, die "AHA + L"-Regeln einzuhalten und vor allem, wenn möglich, nicht zu verreisen und Weihnachten zu Hause zu bleiben. Zudem sollten sich diejenigen, die bei sich Krankheitsanzeichen feststellen, vorsorglich fünf Tage isolieren.

Alle Bürger sollten die Festtage nur im kleinsten Kreis verbringen, Treffen möglichst auf dieselben Teilnehmer beschränken und dies möglichst draußen machen. Mit den nun verschärften Alltagsbeschränkungen seien die Infektionszahlen schneller herunterzubringen, wenn alle achtsam seien. "Wir befürchten, dass sich über die Feiertage das Infektionsgeschehen noch weiter anspannen könnte."

Das Virus sei in der gesamten Bevölkerung, in allen Altersgruppen und überall in Deutschland vorkommend, führte Wieler weiter aus. Von einem schweren Covid-19-Verlauf seien dabei vor allem Über-80-Jährige betroffen. In der vergangenen Woche wurden dem RKI zwischen 14.000 (vor allem durch den Wochenendeffekt) und 33.000 neue Fälle pro Tag gemeldet. Die Lage in den Bundesländern Sachsen und Thüringen sei dabei besonders gravierend. Bundesweit werden Wieler zufolge mehr als 5000 Patienten intensivmedizinisch behandelt - davon werden 2700 beatmet, was "sicher eine traumatische Erfahrung" sei, so der RKI-Chef.

Mutation sehr wahrscheinlich bereits in Deutschland

Er sei glücklich darüber, dass kurz nach Weihnachten die ersten Impfungen in Deutschland stattfinden könnten. An der Gesamtsituation ändere dieser Umstand jedoch nichts, sagte Wieler. Wie der Leiter des Fachgebiets Impfprävention am RKI, Ole Wichmann, weiter ausführte, werde es noch Monate dauern, bis so viele Menschen geimpft seien, dass das Virus weniger stark in der Bevölkerung zirkuliere. Das eingesetzte Vakzin sei sicher und äußerst wirksam, sagte Wichmann. "Aber kein Impfstoff ist perfekt."

Bislang gebe es noch keine Erkenntnisse darüber, ob der Impfstoff auch Ansteckungen anderer Menschen verhindern könne, so der Impf-Experte. Auch sei noch nicht abschließend geklärt, wie lange die Wirkung anhält und ob besonders immungeschwächte Risikogruppen einen vergleichbaren Schutz erhalten.

Mit Blick auf eine in Großbritannien aufgetretene neue Variante des Coronavirus sagte Wieler, deren Bedeutung für das Infektionsgeschehen sei noch nicht endgültig einzuschätzen. Dies werde genau beobachtet, es seien noch viele Fragen offen. Generell sei klar: Je mehr sich ein Virus verbreite, desto mehr Gelegenheit habe es, sich zu verändern.

Die Mutation sei zwar in Deutschland bisher noch nicht nachgewiesen worden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie unerkannt aber bereits vorhanden sei, sei "sehr, sehr hoch", so Wieler. Für die Wirkung der Impfstoffe gegen das Coronavirus sehe er jedoch durch die Mutation keine Nachteile. "Alles spricht dafür, dass der Impfschutz nicht eingeschränkt ist, wenn sich diese Variante weiter ausbreitet."

Reisende sorgen für Unverständnis

Wann Deutschland das derzeitig hohe Infektionsgeschehen überstanden hat, ist nach Einschätzung des RKI-Präsidenten noch nicht absehbar. "Das hängt im hohen Maße von uns allen ab." Es gebe jedoch nach wie vor Menschen, die die Existenz des Virus leugneten. Manche Gruppierungen scherten sich auch nicht darum, wie ihr Verhalten sich auf andere auswirkt. Wie groß deren Einfluss auf das Infektionsgeschehen sei, könne das Institut jedoch nicht abschätzen.

Dass noch immer Zehntausende Menschen reisen würden, sei für ihn schwer nachvollziehbar, betonte Wieler. Er verstehe zwar, dass es eine gewisse Corona-Müdigkeit gebe, aber die Bürger sollten einsichtig sein, dass sie selbst andere anstecken könnten. Diejenigen, die die Regeln einhalten können - etwa weil sie keine Dienstreisen machen müssen - sollten sich auch daran halten.

Quelle: ntv.de, fzö/rts/dpa/AFP

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