Antikörper in Blutspenden RKI: Übersterblichkeit steigt in Deutschland
30.04.2020, 12:25 Uhr
Im Kampf gegen das Coronavirus ist weiter ungeklärt, wie viele Menschen unbemerkt erkrankt und schon immun sind. Das Robert-Koch-Institut will hierzu Blutspenden auf Antikörper untersuchen. Institutspräsident Wieler appelliert, Arzt- und Klinikbesuche nicht aufzuschieben.
Bei der Frage nach dem Stand der Corona-Durchseuchung der Bevölkerung in Deutschland erwartet das Robert-Koch-Institut (RKI) noch im Mai erste Antworten. Dann werden erste Ergebnisse aus der Auswertung von Spenderblut vorliegen, das auf Antikörper untersucht werden soll, wie RKI-Präsident Lothar Wieler sagte. Er schränkte jedoch ein, dass die Untersuchung von Blutspenden erst systematisiert werden müsse, um mehr über ihre Aussagekraft für die Gesamtbevölkerung sagen zu können. Das RKI arbeitet seit Jahren mit Blutspendeorganisationen zusammen und lässt sich Auswertungen übermitteln, wie oft bestimmte Erreger in Blutspenden gefunden werden.
Flächendeckende Testungen auf Coronaviren lehnt das RKI weiter ab. "Wir raten weiterhin davon ab, generell alle Menschen zu testen", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Er begründete dies mit Unsicherheiten bei Menschen, die noch keine Symptome zeigten. Die Zeit für Immunitätspässe hält Wieler noch nicht für gekommen. Es gebe noch zu viele offene Fragen, wann und wie lange ein Mensch wirklich immun sei. In verschiedenen Ländern werden Immunitätspässe erwogen, mit denen etwa Einreisen von Ausländern wieder möglich sein könnten.
Viel testen, aber richtig
Grundsätzlich seien Tests ein wichtiger Baustein bei der Eindämmung der Corona-Epidemie, betonte der RKI-Chef. In der vergangenen Woche seien insgesamt 467.000 Corona-Tests vorgenommen worden, 25.000 davon seien positiv ausgefallen. Die Testkapazitäten in Deutschland lägen mit 860.000 so hoch wie noch nie.
Es sei richtig, dass die Tests schneller und niederschwelliger als noch vor einigen Wochen angewendet würden. Die Forderung, auch Menschen ohne Symptome zu testen, sieht das RKI aber skeptisch. "Die Aussagekraft ist nicht sehr hoch", sagte Wieler. Menschen ohne Symptome könnten bereits infiziert sein und später noch erkranken, ein Test könne also "zu falscher Sicherheit" führen. Für sinnvoll hält Wieler dagegen Tests auch unabhängig von Symptomen in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen. Gerade dort gehe es darum, Infektionen so früh wie möglich zu erkennen, um Risikogruppen zu schützen.
Dunkelziffer bei Toten vermutet
Wieler bekräftigte, dass Deutschland nach wie vor am Anfang eines Marathons zur Überwindung der Krise stehe. Erst wenn die sogenannte Durchseuchung der Bevölkerung bei 60 bis 70 Prozent liege, sei die Pandemie unter Kontrolle. Derzeit liege man in Deutschland im einstelligen Prozentbereich. Die Mehrheit der Wissenschaftler gehe im Übrigen von einer zweiten und vielleicht sogar einer dritten Welle aus.
"Das Virus ist in unserem Land, es wird noch monatelang in unserem Land bleiben", sagt Wieler. Dabei steigt die Zahl der Corona-Toten weiter. "Wir sehen, dass die Übersterblichkeit steigt in Deutschland", sagte Wieler. Er fügte hinzu: "Wir gehen eigentlich davon aus, dass mehr Menschen daran gestorben sind, als eigentlich gemeldet." Dazu gebe es aber noch keine belastbaren Zahlen.
Vorsorge bleibt wichtig
Wieler rief ferner dazu auf, Vorsorgeuntersuchungen und die empfohlenen Impfungen für Kinder wahrzunehmen. Die Hygienestandards würden in den Praxen eingehalten. Auch gebe es keine Hinweise, dass sich eine Impfung gegen eine andere Krankheit negativ auswirke, wenn jemand später an Covid-19 erkranke. Hintergrund sind unter anderem Meldungen von Kinder- und Jugendärzten, wonach Eltern wegen Corona die sogenannten U-Untersuchungen für ihre Kinder meiden.
Auch der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands appellierte an die Patienten, wegen der Corona-Pandemie keine wichtigen Vorsorgeuntersuchungen zu verschieben. Insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen benötigten regelmäßige ärztliche Betreuung, um eine Verschlechterung des Krankheitsbilds zu vermeiden.
Quelle: ntv.de, shu/AFP/rts