Krasses Fehlurteil Unschuldige Frau kommt nach 43 Jahren aus US-Gefängnis frei
21.07.2024, 10:25 Uhr Artikel anhören
Erstmals seit 43 Jahren: Sandra Hemme schließt ihre Verwandten in Freiheit in die Arme.
(Foto: AP)
Keine Frau saß so lange unschuldig in einem US-Gefängnis wie sie: Über vier Jahrzehnte verbringt Sandra Hemme wegen eines vermeintlichen Mordes in Haft. Im Juni hebt ein Richter das Urteil auf. Doch ein Staatsanwalt versucht die Freilassung der 64-Jährigen noch zu verhindern.
In den USA ist eine fälschlich wegen Mordes verurteilte Frau nach 43 Jahren aus dem Gefängnis entlassen worden. Nach einer energischen Intervention von Richter Ryan Horsman verließ die 64-jährige Sandra Hemme am Freitag die Haftanstalt in Chillicothe im Staat Missouri. Dort schloss sie in einem nahe gelegenen Park ihre Schwester, ihre Tochter und ihre Enkelin in die Arme. Nach Angaben der auf Justizirrtümer spezialisierten Organisation Innocence Project war sie die am längsten fälschlich inhaftierte Frau in den USA.
Hemme war wegen des Mordes an einer Bibliotheksmitarbeiterin zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Mitte Juni entschied Richter Horsman, ihre Anwälte hätten klare und überzeugende Beweise für ihre Unschuld vorgelegt und hob das Urteil auf. Hemme sei stark sediert gewesen, als Ermittler sie in einer psychiatrischen Klinik befragt hätten. Ihr Geständnis sei der einzige Beweis und bestehe aus einer Reihe einsilbiger Antworten auf Suggestivfragen. Die Frau sei "das Opfer einer offensichtlichen Ungerechtigkeit".
Staatsanwalt Andrew Bailey ging in Berufung. Obwohl mehrere Gerichte entschieden, Hemme solle bis zu einer Entscheidung über Bailys Einspruch freigelassen werden, stellte sich der Staatsanwalt quer und argumentierte, die Frau sei eine Gefahr für die Öffentlichkeit. Zuletzt forderte er, Hemme solle noch zwei Strafen absitzen, die sie während der Haft erhalten hatte.
Am Freitag platzte dem Richter der Kragen. Falls die Freigesprochene nicht binnen Stunden auf freiem Fuß sei, werde er Baily wegen Missachtung des Gerichts vorladen, sagte Horsman und stauchte auch gleich noch dessen Büro zusammen, weil es das Gefängnis trotz richterlicher Anordnung angewiesen hatte, Hemme in Haft zu behalten. "Ich empfehle, das niemals zu tun", sagte Horsman. "Es ist falsch, jemanden anzurufen und ihm zu sagen, er solle sich über einen Gerichtsbeschluss hinwegsetzen."
Bailys Büro äußerte sich vorerst nicht. Hemmes Anwalt Sean O'Brien kommentierte, offenbar falle es der Staatsanwaltschaft recht leicht, Unschuldige zu verurteilen, aber ziemlich schwer, sie freizulassen.
Quelle: ntv.de, lme/AP