In NRW und Schleswig-Holstein Schlachtbetriebe werden Corona-Brennpunkte
08.05.2020, 13:24 Uhr
Die Hygienevorschriften in den betroffenen Betrieben wurden verschärft.
(Foto: picture alliance/dpa)
Beschäftigte von Schlachtbetrieben rücken nach Dutzenden Neu-Infektionen in den Fokus der Behörden. Neben betroffenen Betrieben in NRW gibt es nun auch Fälle in einem Schlachthof in Schleswig-Holstein. Damit überschreitet der Kreis Steinburg die Covid-19-Obergrenze.
Ein Landkreis in Schleswig-Holstein hat die von Bund und Ländern festgelegte Obergrenze neuer Corona-Infektionsfälle überschritten. Mit 87 bestätigten aktuellen Fällen lag der Kreis Steinburg über der Höchstzahl von 50 Neuinfizierten je 100.000 Einwohner. Der Grenzwert für den Kreis mit 131.000 Einwohnern liegt nach Behördenangaben bei 66 Neuinfektionen. Insgesamt gab es dort bislang 164 bestätigte Covid-19-Fälle. Drei Menschen starben. 74 sind wieder gesund.
Zu notwendigen Maßnahmen könnten noch keine Angaben gemacht werden, sagte eine Sprecherin des Kreises. Es gebe noch keine entsprechende Verordnung des Landesgesundheitsministeriums. Die meisten Infizierten sind Beschäftigte eines Schlachthofs in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg). Ein Großteil der Ausländer, die dort arbeiten, sind auf dem Gelände einer Kaserne im Kreis Steinburg in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht hat. In dem Schlachthof gab es bis Donnerstag 109 Infektionen.
In Deutschland gibt es weitere Kreise, die über dem zulässigen Wert liegen. Im Kreis Coesfeld (Nordrhein-Westfalen) lag die Zahl am Freitag nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) bei 52,7. Das Virus hatte sich zuletzt vor allem in dem fleischverarbeitenden Betrieb Westfleisch in Coesfeld ausgebreitet. Dort wurden nach Angaben des Kreises vom Donnerstag 129 Infizierte erfasst. Alle 1200 Beschäftigten sollen nun getestet werden. Der Landkreis Greiz (Thüringen) hat ebenfalls die Obergrenze überschritten. Greiz registrierte nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI; Stand 7.5., 0 Uhr) 80,5 Infektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen.
NRW will Mitarbeiter aller Schlachthöfe testen lassen
Nach dem Corona-Ausbruch unter den Beschäftigten einer fleischverarbeitenden Firma im Münsterland sollen die Mitarbeiter aller Schlachtbetriebe in Nordrhein-Westfalen auf das Virus getestet werden. Das teilte der Sprecher der Landesregierung, Christian Wiermer, mit. Das Coronavirus hatte sich in dem Coesfelder Betrieb der Firma Westfleisch ausgebreitet.
Die Landesregierung nehme die Lage "sehr ernst", sagte der Sprecher. Deshalb habe das NRW-Gesundheitsministerium bereits am Donnerstagabend die Bezirksregierungen angewiesen, unverzüglich alle Beschäftigten von Schlachtbetrieben im Land testen zu lassen. Insbesondere müssten Mitarbeiter getestet werden, die mit einem Werkvertrag beschäftigt seien. Zu den Maßnahmen gehöre auch die Kontrolle ihrer Unterkünfte, sagte Wiermer weiter. Bei hygienischen Defiziten müssten Auflagen zur Nachbesserung erteilt werden.
Ein Westfleisch-Sprecher hatte am Donnerstagabend erklärt, die Krankheitsverläufe seien vergleichsweise mild. Alle Infizierten, die nicht im Krankenhaus liegen, und ihre Kontaktpersonen befänden sich in häuslicher Quarantäne. Am Werkstor werde kontaktlos Fieber gemessen, um Verdachtsfälle schnell zu erkennen. Das Unternehmen stehe in engem Kontakt mit den Behörden, sagte der Sprecher. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann kündigte am Freitag in Düsseldorf an, dass der Betrieb vorerst geschlossen werde.
Mehr als 600 Mitarbeiter bundesweit infiziert
Wie der "Spiegel" berichtet, sind in deutschen Schlachtbetrieben bislang mehr als 600 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. Meist hätten sich rumänische Werkvertragsarbeiter angesteckt, die oft in Gemeinschaftsunterkünften lebten, berichtete das Blatt unter Berufung auf Behördeninformationen. Demnach wurden beim baden-württembergischen Produzenten Müller Fleisch in den vergangenen Wochen etwa 300 Infizierte registriert, beim Unternehmen Westfleisch in Nordrhein-Westfalen mehr als 200.
"In den Betrieben darf weitergearbeitet werden, weil die Behörden davon ausgehen, die Lage mit den verfügten Quarantänemaßnahmen unter Kontrolle zu haben", schrieb der "Spiegel". Demnach dürfen Mehrbettzimmer nur von Partnern oder Familien bewohnt werden, die Fleischproduzenten verweisen auf verstärkte Hygiene in ihren Betrieben. Die Firma Vion allerdings habe ihren Schlachtbetrieb im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt nach einem Corona-Ausbruch mit mehr als hundert Infizierten vorerst geschlossen.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast sagte dem Magazin, die seit Mitte April geltenden Vorgaben des Arbeitsministeriums würden "nach allem, was ich weiß, in kaum einer Unterkunft" für Arbeitskräfte eingehalten. Sie will künftig die Fleischproduzenten selbst statt Subunternehmen für die Wohnsituation haften lassen: "Das Geschäftsmodell mit den prekären Unterkünften für osteuropäische Arbeiter muss beendet werden", forderte die SPD-Politikerin.
Quelle: ntv.de, fzö/sgu/dpa/AFP