Die "Plage mit den Schnörkeln" Schreibschrift kommt aus der Mode
13.01.2015, 14:23 Uhr
Zum Lernen muss jeder mit der Hand schreiben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Zeiten, in denen Schönschrift ein anerkanntes Unterrichtsfach war, sind lange vorbei. Nun geht es als nächstes wohl der Schreibschrift an den Kragen. Finnland ist dabei Vorreiter.
Das finnische Schulsystem gilt unter Schulexperten als Vorreiter, seit die finnischen Kinder bei den Pisa-Vergleichstests regelmäßig ganz vorn landen. Doch nun setzen die Bildungspolitiker des Landes eine Neuerung um, die für heftige Diskussionen sorgt. Ab dem Herbst 2016 gibt es die Empfehlung finnischen Schulanfängern statt der Schreibschrift nur noch die Druckschrift beizubringen.
Grundschüler seien mehr mit dem Aussehen der Buchstaben als mit dem Inhalt beschäftigt, begründet Minna Harmanen vom finnischen Ausbildungsamt die Entscheidung in der "Helsinki Times". Die Plage mit den Schnörkeln könne sogar zu Schreibblockaden führen. Außerdem sei es heutzutage eine wichtigere Kompetenz, flüssig auf einer Tastatur tippen zu können.
Deshalb steht es finnischen Lehrern künftig frei, ihren Schülern die Schreibschrift beizubringen. Der neue Lehrplan für Grundschulen empfiehlt jedoch eine einfache Blockschrift und räumt der Vermittlung von Computerkenntnissen Priorität ein. Allerdings räumt auch Harmanen ein, dass die Abkehr von der Schreibschrift ein "kultureller Bruch" sei. Die Tendenz zur Abkehr von der Schreibschrift gibt es jedoch nicht nur in Finnland und ist wohl eher Ausdruck eines kulturellen Wandels.
Zweimal Schreiben lernen?
Auch in Deutschland schreiben Kinder heute die ersten Buchstaben in Druckschrift, später kommt die Schreibschrift dazu. Wie sinnvoll das ist, darüber wird auch hierzulande heftig diskutiert. Kritisiert wird vor allem, dass die Kinder innerhalb kurzer Zeit das Schreiben de facto zweimal lernen - einmal mit Druckbuchstaben, dann mit der Schreibschrift. Zum Teil sehen die Buchstaben dabei anders aus und müssen nun miteinander verbunden werden, ohne den Stift vom Papier zu heben. So schreiben allerdings auch die wenigsten Erwachsenen heute.
Deshalb wird in Hamburg, Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen bereits überwiegend die neue Grundschrift gelehrt, die sich ohne Bögen und Schnörkel weitgehend an der Druckschrift orientiert. Nur hier und da lädt ein Häkchen dazu ein, die Buchstaben miteinander zu verbinden.
Vor allem einen Vorteil sehen die Befürworter der an der Druckschrift orientierten Grundschrift: Sie ist einfacher zu schreiben. Das führt in den meisten Fällen am Ende zu einem leserlicheren Schriftbild. Außerdem entspricht diese einfache Schrift in ihrem Lesebild dem, was die Schülerinnen und Schüler in ihren Büchern, in Zeitungen und Zeitschriften, aber auch im Internet finden. Das könnte den Zugang zum Lesen erleichtern.
Immer einfacher
In Deutschland werden derzeit drei Schriften gelehrt: die Lateinische Ausgangsschrift, die Vereinfachte Ausgangsschrift und die Schulausgangsschrift. Was den Schülern vermittelt wird, entscheiden die Bundesländer. Schon an den deutschen Schreibschrifttypen lässt sich der Trend zur immer größeren Vereinfachung klar ablesen. Zwischen der alten Sütterlin-Schrift und der neuen Grundschrift liegen Welten. Vorgeschrieben bleibt nur, dass die Schüler nach der Grundschule eine gut lesbare Handschrift flüssig und schnell schreiben können sollen. Das könnte künftig auch eine gut eingeübte Grundschrift mit wenig verschnörkelten Druckbuchstaben sein.
Die Anhänger der Schreibschrift argumentieren vor allem damit, dass es sich dabei um eine Kulturtechnik handele, die erhalten bleiben muss. Außerdem könne nur durch die Schreibschrift eine individuelle Handschrift entstehen. Ein Text in schöner Schrift werte außerdem auch den Inhalt auf. Allerdings kann auch eine einfache Schreibweise ästhetisch durchaus überzeugen.
Eine ganz andere Debatte ist die darum, ob und wie viel überhaupt noch mit der Hand geschrieben wird. Die Befürworter der Druckschrift argumentieren, dass die meisten Menschen im digitalen Zeitalter sowieso viel häufiger an Tastaturen schreiben, als mit der Hand. E-Mails, SMS und soziale Medien haben handschriftliche Briefe und Grußkarten abgelöst, sogar Notizen oder Einkaufszettel können längst direkt im Smartphone eingegeben werden.
Möglicherweise wird das handschriftliche Papier, geschrieben mit einem Füller auf besonders festem Papier irgendwann eine Seltenheit werden. Doch beim Schreibenlernen werden auch die finnischen Kinder nach 2016 noch Buchstaben üben, und dafür jeden Einzelnen mit der Hand aufschreiben und schließlich zu Worten verbinden.
Quelle: ntv.de