Haarsträubende Corona-PolitikSchulen zu und Malle auf
Sabine Oelmann
Das muss einem erstmal einer erklären. Kann aber keiner so richtig. Schüler dürfen nicht zur Schule - zu voll -, Mallorca-Reisende aber in den Flieger. Was nach Hass auf den Malle-Touristen klingt, ist vielmehr die pure Verzweiflung über eine unfähige Politik.
300 Flüge mehr nach Mallorca wurden gerade von der jüngst üppig subventionierten Lufthansa-Tochter Eurowings angeboten, aber die Schule bleibt für große Teile verschlossen. Zumindest für die 7. bis 9. Klassen in Berlin und einigen anderen Bundesländern. Statt sich endlich mal Gedanken darüber zu machen, wie diese Kinder mithilfe von Schnelltests wieder und angesichts der Pandemie-Lage insgesamt besser beschult und wie darüber hinaus die Schulen endlich digitalisiert werden könnten, wie man einen vernünftigen Stundenplan trotz oder mit Corona hinkriegen könnte, packt man Teenager einfach in die Warteschleife. Aber: "Scheiß drauf - Malle is' nur einmal im Jahr", wie es ein Schinkenstraßengassenhauer treffend formuliert.
Und höchstwahrscheinlich bleibt es dann ja auch bei diesem einen Mal - weil nach Ostern nämlich alles wieder geschlossen wird wegen rasant ansteigender Inzidenzwerte. Und somit wird dann auch der Mallorca-Urlaub - und alle anderen - im Sommer infrage gestellt. Im Sommer, wo vielleicht schon ein paar mehr Menschen geimpft sein könnten, wo wir das Virus vielleicht ein bisschen besser im Griff hätten haben können. Aber so?
Auch an der Nord- und Ostsee, im Harz, im Thüringer Wald und in den Großstädten fragt man sich, wann wieder Gäste in Hotels empfangen werden dürfen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet dämpfte die Hoffnungen bereits, dass nach der Aufhebung der Reisewarnung für Mallorca der Tourismus auch in Deutschland schon bald freie Fahrt bekommt. Über Öffnungsstrategien werde sich die Ministerpräsidenten-Konferenz erst am 22. März unterhalten, so Laschet. Und die Aufhebung der Reisewarnung nach Mallorca sei durch die dort niedrigen Inzidenzen begründet. "Ob für Deutschland der Tourismus am 22. März bei steigenden Inzidenzen geöffnet wird, halte ich eher für fraglich."
Auch draußen keine Kännchen
Die Wut ist groß, das Verständnis auch bei den Geduldigsten mittlerweile klein. Der potenzielle Mallorca-Oster-Urlauber sagt nun vielleicht recht trotzig und wutbürgerlich: "Die können mir gar nix verbieten, ich darf nach Malle fliegen, also mach' ich das!" Das ist partiell richtig und partiell nachvollziehbar, denn bitte nicht falsch verstehen: Wir wollen irgendwie alle nach Malle.
e Nun muss man dem potenziellen Mallorca-Urlauber aber dennoch entgegenhalten: Ja, verbieten ist immer blöd, aber wie anders soll man "Reisen sind möglichst zu unterlassen, auch Reisen im eigenen Land, und Hotels und Gaststätten dürfen nicht öffnen" aus dem Bundeskanzleramt sonst interpretieren? Klingt das nach Wahlmöglichkeiten? Auch über Ostern wird es draußen nicht einmal Kännchen geben, denn die Außengastronomie wurde auch abgesagt. Man könnte auch sagen, sie wird verboten.
Und wie erklärt man nun Teenagern, dass sie zwar weiterhin, auf unbestimmte Zeit, nicht nebeneinander in ihren Klassen sitzen dürfen, mit Maske, Lüftung und Hygienekonzepten, dass sie sich nachmittags nicht mit ihren Freunden sehen sollen, dass sie nicht in Fußballvereinen kicken dürfen, aber dass die Passagier-Schlangen am Flughafen viele dichtgedrängte Meter lang sind? Wird da, zum Beispiel am BER, einfach besser gelüftet?
Es reicht!
Es wird einem ja per se unterstellt, dass man sich zu blöd anstellt, am eigenen Esstisch Abstand zu halten. Man darf aber ins Flugzeug mit 150 Leuten. Bitte keine Erklärungen jetzt von Flugzeug-Freaks, dass die Lüftung da besonders pfiffig ist! Es geht gar nicht nur darum, mit 150 Leuten in einem "Flieger" sitzen, sondern auch darum, mal wieder mit sechs Leuten, die sich alle zuvor einem Schnelltest unterzogen haben, an einem sehr langen Esstisch zu genießen!
Es geht darum, dass Kinder eine Chance auf Bildung haben. In der Schule, nicht zu Hause, wo es nur klappt, wenn Eltern zu Lehrern werden, wenn Kinder überhaupt Eltern haben, die ihnen helfen können und wenn die Gegebenheiten für Homeschool und Homeoffice tatsächlich vorhanden sind. Sind sie das nicht, funktioniert es nämlich gar nicht mal so gut! Es geht darum, dass in dieses Thema Geld, Energie und Zeit gesteckt wird! Genauso viel wie in andere Bereiche des Lebens.
Erinnern Sie sich noch an den "Pisa-Schock" vor 20 Jahren? Hat sich etwas verändert seitdem? Noch immer klingt es ja so, als wäre das erst gestern gewesen. Man darf gespannt sein, was in 20 Jahren über den "Corona-Schock" gesagt wird. Können wir bitte endlich anfangen, es jetzt besser zu machen? Aber nun auch los, der "Flieger" wartet nicht!