Panorama

Alpträume und NervositätStiefmutter schildert Angstzustände der Block-Kinder

19.11.2025, 17:20 Uhr
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"Wir als Familie waren schockiert über die Erlebnisse", erklärte die neue Ehefrau von Stephan Hensel vor Gericht. (Foto: picture alliance/dpa)

Zur Auswertung der 229-seitigen Aussage eines Mitangeklagten wird der Entführungsprozess gegen Christina Block für drei Wochen ausgesetzt. Kurz zuvor schildert noch die Stiefmutter der Kinder, wie diese auch fast zwei Jahre nach ihrer Entführung aus Angst nur ungern das Haus verlassen.

Mutter und Stiefmutter in einem Gerichtssaal: Die Sitzplätze der Angeklagten Christina Block und der neuen Ehefrau ihres Ex-Mannes im Saal sind fast nebeneinander. "Hier lügt jemand", sagt die Dänin Astrid Have als Zeugin über den seit Juli laufenden Prozess um die Entführung zweier Block-Kinder aus Dänemark. Die Tochter wünsche sich, die Mutter solle "endlich mal die Wahrheit sagen", sagt die 39-Jährige und wendet sich direkt an Block: "Denn das würde deinen Kindern helfen, Christina."

Have, die fließend Deutsch spricht, berichtet über die Folgen der Entführung für die Familie. "Wir als Familie waren schockiert über die Erlebnisse", sagt Have, die sich nach eigenen Angaben als Hausfrau um die fünf Kinder der Patchwork-Familie in Dänemark kümmert. Weil ihr Ehemann Stephan Hensel bei dem Überfall verletzt wurde, ist der 51-Jährige auch Nebenkläger in dem Mammut-Prozess mit sieben Angeklagten. Das Hauptverfahren soll nach einer neuen Entscheidung des Gerichts erst am 10. Dezember fortgesetzt werden.

Christina Block und Stephan Hensel, deren Ehe 2018 geschieden wurde, haben vier gemeinsame Kinder. Block und ihr Ex-Mann führen seit Jahren einen erbitterten Sorgerechtsstreit um ihre zwei jüngsten. Die Tochter des Gründers der Steakhouse-Kette "Block House", Eugen Block, ist angeklagt, den Auftrag zur Entführung des damals zehn Jahre alten Jungen und der 13-jährigen Tochter in der Silvesternacht 2023/24 erteilt zu haben. Sie bestreitet das.

Die Kinder waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft von einer israelischen Sicherheitsfirma ihrem Vater gewaltsam entzogen und nach Deutschland gebracht worden. Weil Hensel bei dem Überfall verletzt wurde, ist er Nebenkläger in dem Mammut-Prozess mit sieben Angeklagten, der noch bis Juni dauern könnte.

Die beiden Kinder seien sehr verändert gewesen, sagte Have, die seit 2020 mit Hensel verheiratet ist. Das Mädchen habe ihr erzählt, sie habe während der Entführung nach Deutschland "Todesangst" gehabt. Die Kinder verbrachten drei Tage bei ihrer Mutter in Hamburg, dann sollten sie gemäß einer neuen Gerichtsentscheidung wieder nach Dänemark.

Im Sommer 2021 hatte der Vater die Kinder nicht wie vereinbart nach einem Wochenendbesuch zurück nach Deutschland gebracht - seither leben sie bei ihm und seiner zweiten Ehefrau. Wegen der Zurückhaltung der Kinder hat die Staatsanwaltschaft 2023 Anklage gegen das Paar erhoben. Hensel wird Kindesentziehung, Have Beihilfe vorgeworfen. "Eine endgültige Entscheidung über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens ist bislang noch nicht ergangen", lautet die Auskunft der Staatsanwaltschaft.

Weil sich ein Zeuge nicht selbst vor Gericht belasten muss, äußert sich Have nur zu der Zeit nach der Rückkehr der Kinder und zu dem, was sie erzählten. Das Mädchen habe von Schmerzen berichtet, sagt die Stiefmutter. Den Geschwistern sei Klebeband über den Mund und um den Kopf gewickelt worden. Im Auto hätten die Entführer immer wieder ihren Kopf nach unten gedrückt. Die 13-Jährige habe davon Schmerzen im Nacken bekommen. Im Wald an der Grenze habe ihr ein Mann eine Kette vom Hals gerissen und weggeworfen.

Der Zehnjährige trug einen Alarmknopf der dänischen Polizei. Die Aufnahmen dieses Geräts hatte das Gericht am vergangenen Verhandlungstag vorgespielt. Die Aufnahmen - unterdrückte Schreien, Wimmern und Keuchen sowie Männerstimmen - hatten große Betroffenheit im Gerichtssaal ausgelöst.

Auch das Entfernen des Klebebands aus den Haaren habe wehgetan. Beim Wiedersehen auf einer Hamburger Polizeiwache habe die 13-Jährige noch Reste des Tapes an der Hand gehabt. "Sie sind uns in die Arme gesprungen", erinnert sich Have an das erste Treffen nach der Entführung. "Das war sehr emotional."

Nach der Rückkehr nach Dänemark hätten die Geschwister und auch die übrigen drei Kinder im Haushalt große Angst gehabt. Wochenlang seien sie nicht aus dem Haus gegangen. Wenn sie die Einkäufe gemacht habe, seien Nervosität und Angstzustände bei den Kindern besonders groß gewesen, sagt die Zeugin.

Erst ab Ende April 2024 seien die Kinder nach mehrfachen Umzügen schließlich wieder zur Schule gegangen. Der Zehnjährige und seine Schwester hätten neue Namen angenommen, die sie vor der Einschulung geübt hätten. Zum Glück hätten sie neue Freunde gefunden. Bis heute gingen sie aber nicht gern aus dem Haus, seien ängstlich, wenn ihnen dunkel gekleidete Männer entgegenkämen, und hätten Alpträume.

Die 13-Jährige habe versucht, sich während der Entführung alle Details einzuprägen, sagt Have. Anhand ihrer Erinnerungen habe die Familie den Bauernhof, zu dem die Entführer die Kinder am 1. Januar 2024 gebracht hatten, in Süddeutschland lokalisieren können. Von dort hatte Christina Block sie nach eigenen Angaben abgeholt. Einer der Entführer hatte sie am 2. Januar in die Nähe von Hamburg gefahren.

Die Anhörung der Stiefmutter ist damit vorerst die letzte Prozessaussage. Die Vernehmung eines wichtigen Zeugen zur Entführung der Block-Kinder außerhalb des Prozesses hat eine Unterbrechung des Verfahrens zur Folge. Um der Verteidigung Gelegenheit zu geben, die viertägige und 229 Seiten umfassende Aussage des Chefs einer israelischen Sicherheitsfirma bei der Hamburger Staatsanwaltschaft gründlich auszuwerten, unterbrach die Strafkammer am Landgericht den Prozess für drei Wochen.

Fünf Termine wurden aufgehoben, erst am 10. Dezember soll weiterverhandelt werden, wie die Vorsitzende Richterin sagte. Damit solle allen Verfahrensbeteiligten ausreichend Zeit eingeräumt werden, sich in die von der Staatsanwaltschaft übermittelten Erkenntnisse einzuarbeiten, erklärte eine Gerichtssprecherin.

Quelle: ntv.de

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