Blick nach Skandinavien lohnt Tief "Linus" bringt Schnee und Orkanböen
16.11.2023, 15:29 Uhr Artikel anhören
Auf freien Gipfeln wie Feldberg, Belchen oder Herzogenhorn werden Orkanböen mit bis zu 120 km/h erwartet.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die europäische Wetterküche brodelt auf Hochtouren. Südeuropa schwitzt in letzter Hitze, der Norden bibbert seit Wochen bei arktischen Temperaturen. Und Deutschland mittendrin - eine Situation, die uns neben weißen Überraschungen auch stürmische Aussichten bringt.
ntv.de: Pausen lassen uns Regen und Sturm in diesem Herbst wohl kaum - woran liegt das?
Björn Alexander: Antriebe sind unter anderem die zum Teil weiterhin recht warmen Meere, die der atlantischen Wetterküche relativ viel Energie zur Verfügung stellen. Aber auch das Wetter in Europa trägt über sehr große Temperaturkontraste zur Intensität der Wetterlagen bei.
Über welche Unterschiede sprechen wir?
Zum Teil waren es in den letzten Tagen deutlich über 50 Grad Celsius. Einerseits um die 30 Grad als Spitzenwerte in Teilen Spaniens mit Schlagdistanz zu den November-Rekorden. Andererseits hat sich über Skandinavien in den letzten Wochen der Winter sehr massiv und früh ausgebreitet.
Wie kalt ist es in Nordeuropa?
Im schwedischen Kiruna zum Beispiel lagen die Tageshöchstwerte bei um die minus 20 Grad. Nachts sanken die Werte in der Region sogar auf um oder unter minus 30 Grad. Selbst Oslo vermeldetet am Mittwoch Dauerfrost - und das passiert sogar im Hochwinter nicht unbedingt. Kurzum: In Nordeuropa sitzt eine enorme Kaltluftblase auf einer satten Schneedecke ziemlich fest im Sattel. Und das wiederum dürfte die Winterfreunde hierzulande ebenfalls hellhörig werden lassen.
Warum?
Im Vergleich zu vielen anderen Jahren ist die Kaltluft damit nicht weit entfernt und muss nicht erst aus polaren Breiten nach Europa geschaufelt werden. Gleichzeitig werden Kaltluftvorstöße aus den hohen Breiten damit nicht - wie in den Vorjahren - über Nordeuropa angewärmt, sondern kommen eisgekühlt zu uns.
Steht uns ein kalter Winter bevor?
Dadurch verläuft zumindest die Weichenstellung für den Dezember und für den Winter in Deutschland generell unter ganz anderen Vorzeichen. Wichtig ist hierbei allerdings, welche Muster sich in der Großwetterlage einstellen. Dabei haben die Wettercomputer für die zweite Novemberhälfte und zum Start in den Dezember auch ein paar sehr spannende Ansätze im Programm. Insbesondere das Amerikanische Wettermodell, das schon bis zum Monatsende blickt, sieht durch eine umfangreiche Tiefdruckentwicklung über Nordeuropa in den Prognosen wiederholt ein hohes Potenzial für Wintereinbrüche.
Ist das denn schon sicher?
Grundsätzlich ist es mit der Sicherheit bei den Wetterprognosen in diesen Tagen so eine Sache. Denn derartig turbulente Lagen haben leider immer größere Unsicherheiten bei den Details und den Trends im Rennen. Außerdem ist beim Blick auf die großräumige Temperaturverteilung auch klar: Die Reste des Sommers im Süden sind ebenso nah und könnten mit einem Tief über Westeuropa ebenfalls rasch zu uns schwappen.
Wie macht sich diese kontrastreiche Situation kurzfristig bemerkbar?
Mit dem kleinen, aber intensiven Tief "Linus" (internationaler Name ist "Frederico"). Das zieht in der Nacht zum Freitag von Frankreich über Süddeutschland ostwärts. Hierbei sind zunächst in Südbaden Sturmböen, vereinzelt auch schwere Sturmböen bis um die 100 Kilometer pro Stunde möglich. Auf den Höhen des Schwarzwaldes drohen orkanartige Böen, auf freien Gipfeln wie Feldberg, Belchen oder Herzogenhorn sind sogar volle Orkanböen um oder über Tempo 120 drin. Im Laufe der Nacht verlagert sich das Sturmfeld nach Osten, sodass auch in Bayern teils schwere Sturmböen zu erwarten sind. Außerdem wird auf der Rückseite kurzzeitig der Skandinavien-Winter angezapft.
Mit welchen Folgen?
Die Entwicklung ist im Detail zwar noch unsicher. Dennoch deuten die Wettercomputer in der Landesmitte oberhalb von 400 bis 600 Metern zunehmend Schnee an. Im Süden sinkt die Schneefallgrenze voraussichtlich gegen 800 Meter - mit der Gefahr von Schneeglätte. Neben einer Schneeauflage im Bergland und teils kräftigerem Schneefall in den Alpen kann es regional in Sachen Schnee auch noch weiter runtergehen. Ein paar nasse Flocken sind in den durchziehenden Schauern definitiv denkbar. Zumal es die Temperaturen am Freitag tagsüber ebenfalls nur noch auf maximal 1 bis 9 Grad bringen. Eine geschlossene Schneedecke im Flachland ist allerdings unwahrscheinlich.
Spielt auch die südeuropäische Wärme mit?
Zum Sonntag kommen wir auf die nächste Vorderseite der Tiefs, weshalb es spürbar milder wird. Mit Spitzen bis 15 Grad. Langeweile will somit nicht aufkommen. Aber immerhin mischt zwischendurch kurz ein Zwischenhoch mit.
Was bringt uns das Zwischenhoch?
Der Samstag hat im Osten noch letzte Schnee- oder Schneeregenschauer im Gepäck. Ansonsten ist es aber freundlich und trocken. Das Ganze bei 2 bis 10 Grad. Erst später folgt aus Westen neuer Regen, der sich am Sonntag ostwärts ausweitet und im Osten anfangs mit Schnee durchmischt sein kann. Anschließend steigt die Schneefallgrenze bei 4 bis 15 Grad aber schnell an.
Und in der neuen Woche?
Bleibt uns das wechselhafte und zum Teil windige bis stürmische Wetter erhalten. Dazu bringen es die Temperaturen am Montag auf etwas ausgeglichenere 6 bis 13 Grad. Am Dienstag werden die Niederschläge von einem nordöstlichen Wind südwärts gedrückt und die Schneefallgrenze sinkt erneut. Denn mit 4 bis 11 Grad wird es wieder kälter und zum Mittwoch auch schöner.
Wie lange hält die Wetterbesserung?
Vermutlich bis Donnerstag. Dann sehen die Wettercomputer erneute Niederschläge folgen. Diesmal aus Nordwesten, womit auch kühlere Luft mit Höchstwerten von 3 bis 9 Grad und Schnee in den Mittelgebirgen mitmischen könnte.
Quelle: ntv.de