"Wirst allein zugrunde gehen" Tochter unterbricht Pelicots Reuebeteuerungen
20.11.2024, 14:47 Uhr Artikel anhören
Die Tochter Caroline wirft dem Vater vor, auch sie betäubt und missbraucht zu haben.
(Foto: IMAGO/MAXPPP)
Der Missbrauchsprozess von Avignon neigt sich langsam dem Ende entgegen. Dominique Pelicot, der seine Frau zehn Jahre lang für Vergewaltigungen angeboten hat, will keine Ahnung gehabt haben, wie viel Leid er ausgelöst hat. Seine Tochter reagiert voller Wut.
Im Missbrauchsprozess von Avignon hat der Serienvergewaltiger Dominique Pelicot mit Blick auf seine Familie Reue geäußert. "Ich hatte keine Ahnung, dass ich ihnen so viel Leid angetan habe", sagte er bei seiner letzten Anhörung von Gericht. "Ich bedaure, was ich getan habe."
Pelicot wandte sich auch direkt an seine Tochter Caroline, die ihrem Vater vorwirft, sie - wie ihre Mutter - mit Medikamenten betäubt und missbraucht zu haben. "Ich kann ihr nicht das Gegenteil beweisen", sagte er. "Es fällt mir schwer, sie so zu sehen, ich möchte mit ihr darüber reden", begann der Angeklagte, bevor seine Tochter ihm von der anderen Seite des Gerichtssaals aufgebracht das Wort abschnitt. "Gib es doch zu, vor diesem Gericht", schrie sie ihn an. "Ich werde Dich niemals wiedersehen. Du wirst allein zugrunde gehen."
"Alle haben, zumindest als sie dieses Horrorhaus verlassen haben, verstanden, dass andere vor ihnen kamen und andere folgen würden", sagte Anwalt Antoine Camus, der Gisèle Pelicot als Nebenkläger vertritt. "Jeder hat in seinem Maß, auf seinem Niveau zu dieser Monstrosität, zu diesem Martyrium dieser Frau beigetragen." Alle 50 neben Pelicots Ex-Mann angeklagten Männer hätten entschieden, einen Körper zu missbrauchen, der keine Einwilligung geben konnte. Alle hätten entschieden, sich vom Denken zu verabschieden.
Stéphane Babonneau, der zweite Anwalt von Gisèle Pelicot, forderte, die Tatsache, dass die Taten gemeinschaftlich und durch die Betäubung mit Medikamenten begangen wurden, als erschwerende Merkmale anzuerkennen. Auf Vergewaltigung stehen in Frankreich 15 Jahre Haft, bei schwerer Vergewaltigung drohen 20 Jahre.
Perfekter Modus Operandi
Auch Camus gab zu bedenken, das Strafrecht könne die Schwere der Taten nicht in Gänze fassen. Er kritisierte zudem einige Verteidigungsstrategien. Mehr als die Hälfte der Angeklagten ließ über ihre Anwälte aufwerfen, nicht bei vollem Bewusstsein gewesen zu sein. Einige geben an, der Hauptangeklagte könnte sie auch unter Drogen gestellt haben. "Wenn die Verteidigung auch frei ist, sagt sie doch viel darüber aus, wer wir sind", sagte Camus.
Gisèle Pelicot, die von ihrem Mann über Jahre hinweg immer wieder betäubt und gemeinsam mit fremden Männern vergewaltigt wurde, hatte während des Prozesses betont: "Eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung". Mehrere der 51 Angeklagten hatten argumentiert, sie hätten den Eindruck gehabt, sich an einem sexuellen Spiel eines freizügigen Paares zu beteiligen, in dem sich die Frau nur schlafend stellt.
Zu dem Vorgehen des Ex-Mannes, seine Frau mit Medikamente zu betäuben, sagte Camus: "Die chemische Unterwerfung ist nichts anderes als der Modus Operandi des perfekten Verbrechens." Jeden Tag sei Pelicot bei sich zu Hause mit ihrem Ehemann aufgewacht. Das andere Gesicht ihres Mannes habe sie nicht gekannt.
Camus sagte, 99 Prozent der Opfer eines solchen Vorgehens hätten keine Beweise. Die Tochter der Pelicots bestätige diese Regel. Gisèle sei durch die Masse an Videos und Fotos der Taten die Ausnahme. "Ohne diese Videos ist es wahrscheinlich, dass diese Misshandlung Gisèles angedauert hätte, bis dies sie umgebracht hätte."
Urteil Mitte Dezember
Dominique Pelicot hatte den Mitangeklagten - und zahlreichen weiteren Männern, die nicht identifiziert werden konnten - in Internetforen angeboten, seine betäubte Frau zu vergewaltigen. Nur wenige der Angeklagten hatten sich in dem seit Anfang September laufenden Prozess bei Gisèle Pelicot für ihre Taten entschuldigt.
Gisèle Pelicot wird in Frankreich inzwischen als feministische Heldin gefeiert. "Es ist an der Zeit, Vergewaltigung mit anderen Augen zu sehen", hatte die 72-Jährige am Vortag bei ihrer letzten Anhörung erklärt und vor der "Verharmlosung" sexueller Gewalt gewarnt.
Von Montag an soll die Staatsanwaltschaft ihre Plädoyers halten, anschließend sind die Anwälte der Angeklagten an der Reihe. Das Urteil soll spätestens am 20. Dezember fallen.
Quelle: ntv.de, sba/AFP