Mordprozess in Berlin U-Bahn-Täter womöglich schuldunfähig
15.09.2016, 07:48 Uhr
Das Opfer und der Angeklagte kannten sich nicht.
(Foto: dpa)
Eine junge Frau wird auf dem Heimweg auf einem U-Bahnhof attackiert. Ein Mann stößt sie vor einen Zug. Sie hat keine Chance. Der mutmaßliche Täter kommt nun vor Gericht. Eine Verurteilung ist aber unwahrscheinlich.
Auf einem Berliner U-Bahnhof wird eine 20-Jährige von einem Mann vor einen einfahrenden Zug gestoßen. Die Bahn überrollt die junge Frau, sie hat keine Chance. Acht Monate nach der grausamen Tat beginnt vor dem Landgericht Berlin der Prozess wegen Mordes gegen einen 29-Jährigen. Er war nur einen Tag vor dem Verbrechen aus einer psychiatrischen Klinik in Hamburg entlassen worden.
Es war 23.35 Uhr, als die 20-Jährige am 19. Januar auf dem U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg stand. Sie schrieb ihrer Mutter noch eine SMS: "Bin gleich zu Hause. Ich liebe dich." Als der Zug gegen 23.36 Uhr einfuhr, griff plötzlich ein ihr unbekannter Mann von hinten an. Mit großer Wucht habe er sie gestoßen, so die Anklage. Die Zugführerin bremste. Doch sie konnte die Tragödie nicht verhindern.
Die Bestürzung war groß. Blumen, Briefe und Bilder wurden auf dem Bahnsteig abgelegt - darunter ein ergreifender Abschiedsbrief von Mutter und Schwester der Getöteten. "Mein Engel, es ist unfassbar, wie du von uns gegangen bist. Du warst und bist meine perfekte Schwester", hieß es in dem öffentlichen Brief. "Keine Worte der Welt bringen dich zu mir zurück, aber ich werde dich für immer im Herzen tragen", schrieb die Mutter.
Polizeibekannt und psychisch labil
Warum musste die Frau sterben? Der 29-Jährige, der von Zeugen auf dem U-Bahnhof festgehalten und der Polizei übergeben wurde, schwieg in ersten Befragungen. Der gebürtige Hamburger kam in die Gerichtspsychiatrie. Er soll seit Jahren unter erheblichen psychischen Problemen leiden. Zudem beschäftigte der Mann ohne erlernten Beruf seit Jahren Polizei und Justiz.
Er war Angaben zufolge 15 Jahre alt, als er in Hamburg wegen Körperverletzung und Raubes zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde. Seit seiner Jugend war der Beschuldigte häufig in stationärer Behandlung. Zuletzt hatte sich der 29-Jährige am 1. Januar 2016 in Hamburg in Behandlung begeben. Am 18. Januar wurde er entlassen - Angaben zufolge wegen "fehlender akuter Eigen- und Fremdgefährdung".
Berlins Innensenator Frank Henkel hatte nach dem Verbrechen gesagt: "Es muss die Frage gestellt werden, warum dieser Mann mit seiner Vorgeschichte nicht frühzeitiger gestoppt wurde." Die Staatsanwaltschaft geht von Schuldunfähigkeit des Mannes aus und strebt eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie an.
Quelle: ntv.de, sba/dpa