Beliebte Weihnachtsleckerei Ugandas Heuschrecken-Fänger bangen um Knuspersnack


Nachdem den Heuschrecken die Flügel ausgerupft werden, werden sie gewaschen und dann in heißem Fett frittiert.
(Foto: Simone Schlindwein)
Was in der Bibel als Plage beschrieben wurde, ist in Uganda ein Segen: die gigantischen Heuschreckenschwärme, die jedes Jahr in der Adventszeit fliegen. Denn gerupft und mit Zwiebeln frittiert, werden diese proteinreichen Insekten als Snack in der Weihnachtszeit vernascht.
Juliet Nakato zündet ein Streichholz an und versucht damit ein Feuer in Gang zu bringen. Sie stapelt feuchtes Holz und Mangoblätter: "Ich möchte ganz viel Rauch erzeugen", sagt sie und hustet. "Das betäubt die Grashüpfer, dann können sie nicht mehr davonfliegen."

Juliet Nakato bereitet ihre Insektenfallen vor - eine körperlich anstrengende Aufgabe.
(Foto: Simone Schlindwein)
Die 16-jährige Uganderin steht inmitten von fast senkrecht aufgerichteten Wellblechen auf einem Acker am Stadtrand der ugandischen Hauptstadt Kampala. Es dämmert bereits, die ersten Sterne sind zu sehen. Sorgenvoll guckt das junge Mädchen in den Himmel. "Dieses Jahr ist es keine gute Saison, es fliegen nur wenige", sagt sie und wirkt betrübt. "Von den Einnahmen bezahlen wir meine Schulgebühren."
Von der Plage zum Knuspersnack
Was in der Bibel einst als apokalyptische Plage beschrieben wurde, ist in Uganda für viele Bäuerinnen und Bauern ein wirtschaftlicher Segen. In dem landwirtschaftlich geprägten Land lebt kurz vor Weihnachten nämlich ein ganzer Wirtschaftszweig von den dort Nsenene genannten Heuschrecken. Landesweit bauen Farmer jährlich im November Anlagen aus Wellblechen auf, um die fliegenden Hüpfer einzufangen.

Aktuell schwirren nur vereinzelt Heuschrecken über den trichterförmigen Insektenfallen umher.
(Foto: Simone Schlindwein)
Dazu werden Dieselgeneratoren mitten in die Sumpfgebiete geschleppt, grelle Scheinwerfer aufgebaut und in den Himmel gerichtet, die die Schwärme, die vor allem nachts fliegen, anziehen sollen. Unter den Lichtkegeln werden reflektierende Wellbleche wie Trichter aufgespannt, Netze drumherum gezogen, sodass sich die Insekten darin verfangen und letztlich in eine Tonne hineinrutschen, in der sie mit Rauch betäubt werden. Sobald die Tonne voll ist, machen sich abertausende flinke Finger daran, den Insekten die Flügel zu rupfen und sie zu waschen. Eine ganze Armada an Frauen frittiert sie dann zu knusprigen, knackigen Snacks.
Leere Fallen sorgen Ugandas Präsidenten

Heuschrecken sind in Uganda ein beliebter Snack - nicht nur an Weihnachten.
(Foto: Simone Schlindwein)
Restaurants und Sportbars werben sonst um diese Jahreszeit mit ihren Nsenene-Angeboten. Entlang der Hauptverkehrsstraßen, wo sich zu Stoßzeiten die Autos stauen, werden die Grashüpfer normalerweise aus Eimern heraus in kleine Plastiktüten abgefüllt und an die wartenden Autofahrer verkauft. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn die Ugander zu Weihnachtspartys eingeladen werden, darf dieser Snack auf keinem Buffet fehlen.
Doch jetzt spekuliert das ganze Land, warum dieses Jahr die Fallen leer sind. Selbst Ugandas Präsident Yoweri Museveni äußerte sich dazu: "Dies ist Museneene (der Monat der Heuschrecken). Doch wo sind sie? Ist es der Klimawandel?", heißt es dazu auf seinem X-Account. "Ich esse Nsenene zwar nicht. Allerdings wünsche ich den Nsenene-Essern viel Glück", so der Präsident.
Forscher finden Ursachen für Heuschrecken-Schwund
Dies hat nun Wissenschaftler veranlasst nachzuforschen, warum die Heuschrecken dieses Jahr ausbleiben. Und sie schlagen Alarm: "Die Bevölkerung muss ihre Haltung gegenüber der Umwelt ändern", mahnt Philip Nyeko, einer der führenden Insektenforscher an Ugandas staatlicher Makerere-Universität. Die meisten Grashüpfer brüten in den Sumpfgebieten entlang des Nil oder rund um den Victoriasee. Doch diese Feuchtbiotope, die zwar per Gesetz geschützt sind, werden zunehmend zerstört. "Die meisten unserer essbaren Insekten werden für immer verschwinden, wenn ihr ihre Brutgebiete nicht schützen", warnt er.

In Juliet Nakatos Insektenfalle verirren sich derzeit nur wenige Heuschrecken - zu wenige, bedauert die 16-Jährige.
(Foto: Simone Schlindwein)
Ein weiterer Insektenforscher, Javira Beturumura, nennt den zunehmenden Klimawandel als weitere Ursache. In diesem Jahr führt das Wetterphänomen El Niño im Pazifik wieder zu starken Regenfällen in der Region. Doch bei Nässe schlüpfen die Larven nicht.
Als das letzte Tageslicht verblasst und das Feuer qualmt und raucht, knipst Nakato das Licht an. Zwei grelle Glühbirnen blenden, deren Licht von den Wellblechen mehrfach reflektiert werden. "Meine Augen schmerzen und ich habe Verbrennungen auf der Haut", gibt Nakato zu und sucht den Himmel ab nach den fliegenden Insekten. Nur wenige verirren sich in ihre Falle und rutschen betäubt in die Tonne. "Wir beten, dass die großen Schwärme noch vor Weihnachten kommen, damit meine Mutter sie verkaufen kann", sagt sie. "Sonst können wir im Januar meine Schulgebühren nicht bezahlen."
Quelle: ntv.de