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Nach Attacke auf Zeugen Jehovas Union: Behörden hätten Amoktat wohl verhindern können

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Philipp F. war offenbar ein "religiöser Fanatiker" - was man vor der Tat anhand seines veröffentlichten Buches hätte feststellen können.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

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Nach dem Angriff auf die Zeugen Jehovas mit sieben Toten kritisiert CDU-Innenpolitiker Marc Henrichmann die Behörden. Ein anonymer Hinweisgeber hat diese vor der Tat auf Philipp F. aufmerksam gemacht - eine anschließende Überprüfung bleibt jedoch ohne Konsequenzen.

Die Amoktat in einer Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas bietet aus Sicht des CDU-Innenpolitikers Marc Henrichmann keinen Anlass für eine Verschärfung des Waffenrechts. Sie werfe vielmehr ein Schlaglicht auf Versäumnisse der lokalen Behörden im Umgang mit dem späteren Schützen, für dessen mangelnde Zuverlässigkeit es mehrere Anhaltspunkte gegeben habe, sagte der Bundestagsabgeordnete. "Es ist unverantwortlich, dass die Hamburger Behörden dem Täter die waffenrechtliche Erlaubnis nicht entzogen haben", sagte Henrichmann. "Unsere Waffengesetze bieten alle Möglichkeiten, bei psychischen Auffälligkeiten die Waffen sofort einzuziehen - bis der Sachverhalt geklärt ist."

Am 9. März hatte Philipp F. in Hamburg sieben Menschen - darunter ein ungeborenes Kind - mit Schüssen aus einer halbautomatischen Pistole getötet und sich danach selbst umgebracht. Neun Menschen wurden verletzt. Der Sportschütze hatte ein Buch veröffentlicht, in dem er wirre religiöse Thesen auch im Zusammenhang mit dem Holocaust äußert. Ein anonymer Hinweisgeber hatte zwei Monate vor der Tat auf eine mögliche psychische Erkrankung und Gefährlichkeit des 35-Jährigen aufmerksam gemacht und das Buch als Beleg angeführt. Die Polizei sah nach einer Internet-Recherche jedoch keinen Grund, ihm die Waffe abzunehmen.

Polizei wusste vorher doch von dem Buch

Kurz nach der Tat hatte Polizeipräsident Meyer mitgeteilt, die Beamten hätten das Buch bei der Onlinesuche nicht gefunden. Einige Tage später stellte er jedoch gegenüber dem "Spiegel" aufgrund eines "Missverständnisses in der internen Kommunikation" klar: Die Mitarbeiter der Waffenbehörde hätten das Buch zwar auf der Internetseite des späteren Amokläufers gefunden, den Titel aber nicht als sonderlich alarmierend eingeschätzt. Daraufhin hätten sie darauf verzichtet, es "für 64 Euro bei Amazon zu bestellen".

Zwei Beamte der Waffenbehörde stellten später bei einer unangekündigten Kontrolle in der Wohnung des Sportschützen nach Angaben der Behörde nichts Auffälliges fest, außer dass eine Patrone nicht vorschriftsgemäß eingeschlossen war.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will das Waffenrecht verschärfen. Ihr Vorhaben sieht unter anderem ein Verbot von kriegswaffenähnlichen, halbautomatischen Langwaffen für Privatleute vor. Wer eine Erlaubnis zum Besitz einer Waffe beantragt, soll künftig seine psychische Gesundheit nachweisen müssen. Das ist bisher nur für Menschen bis 25 Jahre vorgeschrieben. "Mehr Sicherheit bekommen wir nicht durch mehr Regeln, wenn schon die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht vollzogen werden", wandte Henrichmann ein. Sogenannte Reichsbürger, Extremisten und psychisch kranke Personen müssten schnell und konsequent entwaffnet werden - "unser Waffengesetz gibt das her".

In dem Hamburger Fall hätte die Waffenbehörde ein psychologisches Gutachten in Auftrag geben können. Die unsachgemäß gelagerte Patrone hätte den Widerruf der Erlaubnis und damit den Entzug der Waffe gerechtfertigt.

Quelle: ntv.de, rog/dpa

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