Kollege von Everard-Mörder Weiterer Londoner Polizist vor Gericht
04.10.2021, 10:16 Uhr
Zuletzt standen Vertreter der Londoner Polizei stark in der Kritik. Zunächst ermordet ein Beamter eine junge Frau, aktuell ist ein weiterer Polizist der gleichen Einheit der Vergewaltigung einer Frau angeklagt.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Der Fall der getöteten Sarah Everard löst in Großbritannien eine Debatte über Gewalt gegen Frauen bei der Polizei aus. Der Mörder wird erst vergangene Woche zur Höchststrafe verurteilt. Auch einer seiner Kollegen muss sich wegen Vergewaltigung vor Gericht verantworten.
Wenige Tage nach dem Urteil gegen den Mörder der Londonerin Sarah Everard ist ein Kollege des Polizisten wegen Vergewaltigung angeklagt worden. Der 46-Jährige wurde am Montag in Untersuchungshaft genommen. Er arbeitete zuletzt in derselben Abteilung wie der zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder von Everard, wie Scotland Yard mitteilte. Beide waren für den Schutz des Parlaments und diplomatischer Gebäude in London zuständig.
Der Fall soll sich am 4. September 2020 in der Stadt St. Albans nordwestlich von London ereignet haben, als der Mann nicht im Dienst war. Der Polizist, der am Samstag festgenommen und suspendiert wurde, wies die Vorwürfe kategorisch zurück. Er hatte die Frau über eine Online-Plattform kennengelernt und sich mit ihr zu einem Drink verabredet.
Scotland-Yard-Chefin Cressida Dick zeigte sich zutiefst besorgt über den Fall. "Ich verstehe vollkommen, dass die Öffentlichkeit ebenfalls besorgt ist", wurde sie in der Mitteilung zitiert. Die mutmaßliche Tat soll sich in der nördlich von London gelegenen Grafschaft Hertfordshire außerhalb der Dienstzeit des Angeklagten zugetragen haben.
Johnson kritisiert, eine Untersuchung lehnt er aber ab
Die 33-jährige Londonerin Sarah Everard war im März entführt, vergewaltigt und ermordet worden. Später stellte sich heraus, dass der Täter, ein Polizist, sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Corona-Regeln festgenommen und entführt hatte. Der Fall ließ das Vertrauen in die britische Polizei bröckeln und löste eine Welle der Empörung über Gewalt gegen Frauen in dem Land aus.
Premierminister Boris Johnson warf der Polizei noch am Wochenende vor, Gewalt gegen Frauen nicht ernst genug zu nehmen. Eine unabhängige Untersuchung zu dem Mord an Everard lehnte er jedoch ab. Stattdessen müsse der gesamte Umgang mit Vergewaltigungen, häuslicher Gewalt, sexualisierter Gewalt und Beschwerden von Frauen über Belästigung systematisch untersucht werden, sagte der Premier am Sonntag im BBC-Fernsehen. Ermittlungen endeten zu häufig ohne Verurteilung, weil die Staatsanwaltschaft nicht eng genug mit der Polizei zusammenarbeite, kritisierte Johnson.
Kritiker hatten nach dem Mord an Everard eine frauenfeindliche Kultur innerhalb der Polizei angeprangert. So berichten Insider, dass Kollegen, die sich Übergriffe zuschulden kommen lassen, gedeckt würden. Der jüngste Fall dürfte die Debatte weiter anheizen.
Quelle: ntv.de, ses/dpa