Fragen und Antworten Wie die Polizei weiter nach Arian sucht
29.04.2024, 13:47 Uhr Artikel anhören
Am Sonntag waren 1200 Helfer im Einsatz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wo ist Arian? Seit einer Woche ist der Sechsjährige aus Bremervörde in Niedersachsen verschwunden. Trotz der bislang größten Suchaktion am Wochenende fehlt von dem Jungen weiterhin jede Spur. Nun ändert die Polizei erneut ihre Vorgehensweise. "Aufgeben ist noch keine Option", heißt es.
Was ist der Stand der Ermittlungen?

Arian trug zuletzt einen gelben Pullover, aber weder Jacke noch Schuhe.
(Foto: Polizeiinspektion Rotenburg)
Die Suche nach Arian geht weiter, allerdings nicht mehr in dem Umfang wie noch am Wochenende. Die Bundeswehr ist nicht mehr an der Suche beteiligt. Mehrere Trupps der Bereitschaftspolizei sollen aber weiter die Region nach dem autistischen Jungen durchkämmen. Die Polizei wird einem Sprecher zufolge nicht mehr flächendeckend, sondern "anlassbezogen" suchen, etwa wenn es neue Hinweise oder "Ideen" gebe. "Alle Informationen nehmen wir ernst", betonte ein Polizeisprecher. "Wir betreiben hier extrem viel Aufwand." Die Polizei richtete inzwischen auch eine Ermittlungsgruppe ein.
Doch es gibt auch neue Hinweise. "Wir haben jetzt auch übers Wochenende wieder einige Fußspuren gefunden", sagte ein Sprecher der Polizei. Die Fußabdrücke könnten von dem Jungen stammen. Die Ermittler verfolgten die Spuren mit Hunden - zunächst aber ohne Erfolg.
Was war passiert?
Am Montag vor einer Woche verschwand Arian aus seinem Elternhaus in Elm, einem Ortsteil von Bremervörde mit rund 1400 Einwohnern. Nach Angaben des Vaters hatte der sechsjährige Autist erst kürzlich gelernt, wie man Türen öffnet. Aufnahmen einer privaten Überwachungskamera bestätigen die Angaben der Eltern. Sie zeigen Arian, wie er gegen 19:15 Uhr durch sein Wohngebiet läuft, bekleidet mit einem gelben, langärmligen Pullover, einer schwarzen Jogginghose und Socken. Eine Jacke und Schuhe trägt er nicht. Der Junge läuft in Richtung eines benachbarten Waldgebietes, dann verliert sich seine Spur.
Wie verlief der Großeinsatz am Wochenende?
Die Helfer sind seit einer Woche im Dauereinsatz, am Sonntag führten sie bis in die Abendstunden ihren bislang größten Sucheinsatz durch. 800 Helfer grasten mit einer 1,5 Kilometer langen Menschenkette das Gebiet nördlich des Wohnorts des Jungen ab. Hinzu kamen 400 weitere Kräfte, die an anderen Orten suchten. Insgesamt waren 1200 Kräfte im Einsatz. Man konzentrierte sich auf ein Gebiet, in dem man in den vergangenen Tagen zahlreiche Spuren gefunden habe. Ziel war es, "lückenlos alles noch einmal umzudrehen", erklärte eine Polizeisprecherin. Auch Suchhunde und Drohnen wurden eingesetzt. Technisches Hilfswerk und Feuerwehr durchsuchten Gräben und darin befindliche Rohre. Nachts waren etwa 60 Soldaten mit Nachtsichtgeräten im Einsatz.
Die Einsatzkräfte hatten zunächst versucht, den autistischen Jungen mit Kinderliedern, Luftballons und Feuerwerk anzulocken - ohne Erfolg. Seit der Nacht zum Samstag suchen sie wieder im Stillen, um den Jungen keine Angst zu machen.
Welche Rolle spielt die Oste?
Bis einschließlich Samstag konzentrierten sich die Helfer vorrangig auf das Gebiet entlang der Oste, einem Nebenfluss der Elbe. Da Arian Wasser mag, ist er möglicherweise den Fluss entlanggelaufen. Auch gefundene Fußspuren deuten daraufhin. Eine Befürchtung ist, dass Arian in den Fluss hineingefallen sein könnte. Einsatzkräfte fuhren mit sogenannten Sonarbooten auf dem Fluss, auch Taucher waren im Einsatz.
Gibt es Hinweise auf einen Kriminalfall?
Nein, sagte ein Polizeisprecher. Auch einen Wolfsangriff schloss er aus.
Warum erschwert der Autismus des Jungen die Suche?
Arian hat durch seinen Autismus ein anderes Wahrnehmungsgefühl als die meisten Menschen. Der Sechsjährige kann laut Polizei nicht verbal auf sich aufmerksam machen und reagiert nicht auf Ansprachen. Das erschwert die Suche nach ihm. Er empfinde außerdem keinen Hunger, keinen Durst und keinen Ekel, sagt ein Sprecher.
Den Helfern wird geraten, Arian nicht anzufassen, sollten sie ihn finden. Autisten könnten Berührungen von Fremden als unangenehm oder schmerzhaft empfinden, sagte die Ergotherapeutin Jutta Bertholdt. Sie berät die Einsatzkräfte. Es könne sein, dass Arian als Autist anders als Altersgenossen keine Angst vor etwa dem dunklen Wald habe.
Am Samstag wurden bei der Suche nach Arian Botschaften seiner Mutter abgespielt. Darin erlaubt sie ihm, sich an Einsatzkräfte zu wenden. Er könne ohne die Erlaubnis einer Vertrauensperson vor einer Kontaktaufnahme mit Einsatzkräften zurückschrecken, so Bertholdt. Menschen mit Autismus seien Regeln vergleichsweise wichtig, sagte Bertholdt.
Wo könnte sich Arian aufhalten?
"Wir glauben, dass Arian sich auf den Weg gemacht hat, um ein großes Abenteuer zu erleben, und dass er sich nicht nur hier in Elm, sondern auch in den Gemeinden Estorf, Kranenburg, Oldendorf, Burweg bis nach Hechthausen bewegen und verstecken könnte", schrieben Arians Eltern auf Facebook. Die genannten Gemeinden liegen zum Teil 16 Kilometer von Arians Wohnhaus entfernt.
Nach wie vor gehen die Eltern davon aus, dass sich Arian irgendwo versteckt halten könnte. Sie bitten Anwohner, ihre Schuppen, Gärten und Grundstücke nach dem Jungen abzusuchen und Aufnahmen von Überwachungskameras zu kontrollieren. Ihr Sohn könne sich zudem in Wäldern, unter Bäumen, auf Hochsitzen oder an Baustellen aufhalten. Wer Hinweise auf Arians Verbleib geben kann, soll sich bei der Polizei unter der Telefonnummer 04761/7489-135 oder -144 melden.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Arian noch lebt?
Zum Zeitpunkt von Arians Verschwinden breiteten den Ermittlern die kalten Nächte mit Minusgeraden die größte Sorge. "Arian hat Überlebenschancen", sagte der Arzt Christoph Sprecht zu RTL. "Mit sechs Jahren ist der Junge zum Glück nicht mehr so klein wie beispielsweise ein Zweijähriger. Da kühlt sein Körper nicht so schnell aus." Trotzdem könnten bei Arian nach mehreren kalten Nächten lebensgefährliche Erfrierungen auftreten. "Es kommt darauf an, ob Arian eine Unterkunft finden oder bauen konnte, die Schutz bietet. Und ob er Nahrung zu sich nehmen konnte", sagte Specht.
Inzwischen ist es im Raum Bremervörde wärmer, bei nächtlichen Temperaturen um die elf Grad. Doch klar ist auch: Auch nach einer Woche intensiver Suche gibt es kein Lebenszeichen. Man sei von einer "euphorischen in die realistische Phase" der Suche nach dem autistischen Jungen eingetreten, sagte Polizeisprecher Heiner van der Werp dem NDR.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa