Panorama

Weihnachten ohne FettleberGesundes Festmahl? "Riesenportion Rotkohl"

24.12.2021, 09:42 Uhr
imageVon Kevin Schulte
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Rotkohl gehört zu Gans und Kloß dazu, möglichst groß sollte die Portion sein, rät ein Ernährungsmediziner. (Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Die Weihnachtszeit lädt zum Naschen ein. Hier ein Lebkuchenherz, da ein Stück Schokolade aus dem Adventskalender, zwischendurch Dominosteine oder Weihnachtsplätzchen. Und das, bevor an den Feiertagen richtig zugeschlagen wird bei Kartoffelsalat, Würstchen, Ente und Gänsebraten.

Würstchen mit Kartoffelsalat - das ist noch immer das beliebteste Weihnachtsessen in Deutschland, zeigt eine Umfrage aus diesem Jahr. Das Gericht kommt in jedem dritten Haushalt auf den Tisch. Das zweitbeliebteste Gericht ist Ente vor der Gans und dem Raclette.

Lecker, aber auch ziemlich ungesund, oder? Findet Matthias Riedl nicht. Der Ernährungsmediziner sagt im ntv-Podcast "Wieder was gelernt", dass gegen ein zünftiges Weihnachtsessen per se nichts einzuwenden ist. "Die große Frage ist, was esse ich sonst noch über den Tag. Und da haben wir dann natürlich eine Unmenge an Süßigkeiten und Zucker, die schnell mal über das vier- bis fünf- bis sechsfache des empfohlenen Zuckerkonsums kommen. Und das eben auch verteilt über den Tag als Snacking. Es kommt darauf an, wann ich das esse. Wenn ich die Süßigkeit zusammen mit meiner Hauptmahlzeit esse, ist es weniger dickmachend, als wenn ich es isoliert über den Tag verteilt esse."

Matthias Riedl ist Gründer und Ärztlicher Direktor des Medicum Hamburg, das ist Europas größtes Zentrum für Diabetologie und Ernährungsmedizin. Außerdem hat er die Ernährungs-App "My Food Doctor" gegründet und kann deshalb bestätigen, was wir eigentlich alle schon wissen oder ahnen: Wenn es draußen kalt und dunkel wird, wird es im Einkaufswagen süß und ungesund. "Das geht im September schon los mit Spekulatius und dann kommt der Glühwein mit viel Zucker dazu. Dann kommt die Schokolade, dann kommen die Sonderstände in den Supermärkten", sagt Riedl und meint damit den Süßigkeiten-Boom im letzten Quartal des Jahres. "Das ist ein Problem, dass das mittlerweile zu einem Brauchtum und zu einer festen Gewohnheit geworden ist."

"Riesige Zuckerschleckerei"

Die Vorweihnachtszeit entwickele sich mehr und mehr zu einer "riesigen Zuckerschleckerei", sagt Ernährungsfachmann Riedl. Wir schaufeln so große Kalorien- und Zuckerberge in uns hinein, dass wir in kurzer Zeit sofort an Gewicht zulegen. "Und wenn das dann Silvester weitergeht und dann überhaupt nicht mehr aufhört, hat man sozusagen in der Energiebilanz nochmal zwei, drei Kilo zugenommen und das addiert sich dann einfach jedes Jahr", warnt Riedl vor einem Teufelskreis.

Die Phasen im Jahr, in denen wir über eine längere Zeit keine Süßigkeiten, keine Kalorienberge, in uns reinschaufeln, die sind so gut wie weggefallen. Nach Weihnachten naht schon wieder Ostern, auch da sind die Supermarktregale weit vor den Feiertagen gut gefüllt. Wir hangeln uns vom Weihnachts- zum Osterbraten. "Es ist also nicht das Problem, dass wir es an Weihnachten mal richtig krachen lassen, richtig toll essen, uns richtig satt fühlen, auch mal Süßigkeiten schlemmen. Das Problem ist, dass das kein Ende mehr hat und das macht uns am Ende krank", erklärt der Ernährungsmediziner im Podcast.

Dauerhaftes Schlemmen führe schon "innerhalb weniger Tage bei manchen Menschen dazu, dass der Blutzuckeranstieg messbar ist", erklärt Riedl. Die Werte können schon nach kurzer Zeit "teilweise in leicht diabetische Bereiche kommen".

Wenn man über mehrere Wochen immer wieder zu viele Kalorien zu sich nimmt, verfettet die Leber und die Bauchspeicheldrüse auch. So steigt die Diabetes-Gefahr. Auch durch Kohlenhydrate. In Deutschland gebe es eine Flut davon, weil Fertigprodukte damit in großen Mengen angereichert werden, sagt Matthias Riedl. Dazu komme der Zucker, "das schlimmste Kohlenhydrat überhaupt".

Volkskrankheit Diabetes

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Laut Robert-Koch-Institut leiden inzwischen etwa sieben Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes. In höheren Altersklassen ist es längst jeder oder jede Dritte bis Vierte. Generell sei inzwischen mindestens ein Drittel der deutschen Bevölkerung dafür anfällig, warnt Mediziner Riedl.

Der einzige Lichtblick: Eine Fettleber oder eine verfettete Bauchspeicheldrüse ist reversibel. "Die kriegt man wieder weg. Indem man sagt, okay, nach Weihnachten und Silvester nehme ich deutlich weniger Kohlenhydrate und weniger Zucker zu mir. Das tut der Leber gut und die kann sich dann wieder entfetten."

Aber das passiert immer seltener. Weltweit. Von 1980 bis 2014 ist die Zahl der Menschen, die an Diabetes leiden, von 108 auf 422 Millionen gestiegen, sagt die Weltgesundheitsorganisation. 2045 könnten es mit 700 Millionen Betroffenen dann schon fast doppelt so viele sein. Vor allem auf Länder mit mittleren Einkommen rast eine Diabetes-Welle zu. Kommt der Wohlstand, kommt das ungesunde Essen und möglicherweise der frühe Tod: Alle acht Sekunden stirbt weltweit ein Mensch aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung, warnt die Techniker Krankenkasse.

Deutschland eifert USA nach

Unrühmlicher Vorreiter ist nach wie vor Nordamerika. Vor allem in den USA ist Überernährung mittlerweile die Hauptursache für Leberversagen. Auch das Essen in der Weihnachtszeit trägt seinen Teil dazu bei. Truthahn, dazu Kartoffelmus und eingekochte Cranberrys. So sieht ein typisches amerikanisches Weihnachtsessen aus. An sich kein Problem, aber riesige Portionen und riesige Mengen an Süßigkeiten machen den Unterschied zwischen einem normalen Festtagsessen und einer wochenlangen Völlerei.

Und Deutschland ist dabei, den Amerikanern nachzueifern. Dabei gibt es deutlich gesündere Weihnachts-Alternativen, sagt Matthias Riedl. Zum Beispiel Karpfen blau. "Ein gesunder Fisch, der sich überwiegend pflanzlich ernährt. Dazu Kartoffeln und frischer Meerrettich, der auch noch gegen Infekte wirkt. Wenn man die Relation einhält und frisches Gemüse dazu serviert, wäre das ein gesünderes Gericht als Kartoffelsalat mit Würstchen."

Aber was kommt bei Ernährungswissenschaftler Riedl auf den Tisch? "Karpfen blau gelingt mir nicht so gut, deshalb bin ich klassisch unterwegs: Ein kleines Stück Ente und selbstgemachte Klöße mit einer Riesenportion Rotkohl. Das kann ich jedem empfehlen. Rotkohl wirkt gegen Leberverfettung und Rotkohl ist auch ein gutes Mittel gegen alle Zivilisationskrankheiten."

Und wenn Sie dann die Süßigkeiten direkt nach dem Hauptgericht essen, haben Sie alles richtig gemacht. Wichtig sei es, sich satt zu essen, stellt Mediziner Riedl klar. Dann sei der Drang auf den Snack zwischendurch auch nicht so groß.

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Quelle: ntv.de

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