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Mehr als 40.000 Todesopfer Wiederaufbau in der Türkei soll im März beginnen

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"Gebäude töten Menschen, nicht Erdbeben", hatte Präsident Erdogan einst selbst gesagt, später aber begrüßt, dass Millionen nachweislich unsichere Gebäude legalisiert wurden.

"Gebäude töten Menschen, nicht Erdbeben", hatte Präsident Erdogan einst selbst gesagt, später aber begrüßt, dass Millionen nachweislich unsichere Gebäude legalisiert wurden.

(Foto: REUTERS)

Die Zahl der geborgenen Todesopfer nach dem Beben steigt weiter. Vereinzelt werden auch immer noch Überlebende gefunden. Während die Regierung einen schnellen und sicheren Wiederaufbau verspricht, machen im Internet Videos die Runde, die das widersprüchliche Verhältnis von Präsident Erdogan zu Bauvorschriften zeigen.

Nach den verheerenden Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion soll der Regierung zufolge der Bau neuer Häuser auf türkischer Seite im März beginnen. Wie der türkische Minister für Stadtplanung, Murat Kurum, laut Berichten der Tageszeitung "Hürriyet" und des Staatssenders TRT sagte, sollen unter anderem erdbebensichere Wohnhäuser gebaut werden, die nicht höher als drei bis vier Stockwerke sein sollen. Kurum sprach in diesem Zusammenhang von einem Masterplan, der gemeinsam mit Experten entwickelt werden soll. Unter anderem soll darin die Besiedelung von ungeeigneten Gebieten ausgeschlossen werden.

Laut "Hürriyet" sollen die Planungen für die Bauarbeiten in der vom Erdbeben betroffenen Region in den nächsten zwei bis drei Monaten abgeschlossen sein. Die ersten Bauarbeiten sollen Kurum zufolge jedoch schon im kommenden Monat starten.

Während die Regierung einen erdbebensicheren Wiederaufbau ankündigt, erinnern Internetnutzer in der Türkei mit Dutzenden alten Tweets und Videos, daran, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan das schon früher versprochen hatte, aber die Nichteinhaltung von Bauvorschriften von ihm bewusst hingenommen wurde. In einem Videoclip von 2018 gratuliert Erdogan Beamten zur Einführung eines Amnestiegesetzes, das sechs Millionen Gebäude mit nachweislichen Sicherheitslücken für bewohnbar erklärt. In einem tausendfach geteilten Tweet von 2013 hatte Erdogan aber mitgeteilt: "Gebäude töten Menschen, nicht Erdbeben. Wir müssen lernen, mit Erdbeben zu leben (...) und entsprechende Maßnahmen treffen."

Laut Experten kann die Nichtbeachtung von Baustandards die extrem hohe Opferzahl in der Erdbebenregion erklären. In der Türkei alleine stieg die Zahl der Opfer am Samstag nach offiziellen Angaben auf über 40.000. Das teilte der Vorsitzende der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad, Yunus Sezer mit. In Syrien sind bisher rund 5900 tote Menschen in Zusammenhang mit den verheerenden Beben gezählt worden. Die Zahl wird jedoch nur unregelmäßig aktualisiert. Insgesamt sind damit in beiden Ländern mehr als 46.000 Menschen ums Leben gekommen.

120 mutmaßlich Verantwortliche festgenommen

Die Berichte über Rettungen aus der Türkei reißen derweil noch immer nicht ab. Aus den Trümmern eines eingestürzten Wohnhauses in Antakya sollen Helfer drei Menschen geborgen haben, darunter ein Kind. Sie seien 296 Stunden verschüttet gewesen, berichtete der staatliche Sender TRT. Der Bericht konnte nicht unabhängig überprüft werden. Das zwölf Jahre alte Kind habe jedoch trotz medizinischer Behandlung nicht überlebt, teilte die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu mit.

Den Angaben zufolge handelte es sich bei den drei Personen um einen Mann, eine Frau und ihr gemeinsames Kind. Auf einem Video war zu sehen, wie die Helfer den Mann und die Frau per Trage zu einem Krankenwagen brachten und Mediziner das Kind behandelten. Der überlebende Vater wurde nach seiner Rettung vom dem bekannten amerikanischen TV-Arzt Mehmet Oz im Krankenhaus besucht, wie Anadolu berichtete. Auf Bildern war zu sehen, wie der türkischstämmige Kardiologe Oz am Bett des Mannes stand und ihm mit aufmerksamem Blick zuhörte. Der Mann sagte laut Anadolu, dass er seinen eigenen Urin getrunken habe, um zu überleben. Zudem seien zwei weitere seiner Kinder unter den Trümmern ums Leben gekommen.

Unterdessen ermitteln die Staatsanwaltschaften weiter zu möglichen Verantwortlichen für die eingestürzten Gebäude in der Erdbebenregion. Nach Angaben von Anadolu sollen insgesamt 400 Personen verdächtig sein, wegen möglicher Baumängel an den Gebäuden eine Mitverantwortung für deren Einsturz zu tragen. 120 Menschen seien verhaftet worden, hieß es weiter.

Wie der türkische Forstminister Vahit Kirisci im Staatssender TRT mitteilte, erstreckt sich das betroffene Gebiet allein in der Türkei über eine Fläche von 103.000 Quadratkilometern und umfasst eine Bevölkerung von 13,5 Millionen Menschen, was etwa 17 Prozent der Gesamtbevölkerung der Türkei entspreche.

Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP

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