Panorama

Pfleger fühlt sich gut gewappnet "Wir erwarten jeden Tag, dass es losgeht"

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"Wir sind gut vorbereitet und warten gefühlt jeden Tag darauf, dass der große Run losgeht", sagt Axel Herzing.

(Foto: dpa)

Die Corona-Pandemie hat den Alltag komplett auf den Kopf gestellt. Doch was denken und fühlen die Menschen, die mit den Auswirkungen des Virus direkt konfrontiert sind? Axel Herzing arbeitet in Lünen als Pfleger und fühlt große Unsicherheit, aber auch starken Zusammenhalt.

Mein Name ist Axel Herzing, ich bin 39 Jahre alt und arbeite seit 18 Jahren im Pflegeberuf. Mein Arbeitsplatz ist das katholische Klinikum Lünen/Werne in Nordrhein-Westfalen. Ich bin dort am Standort Lünen tätig und habe über die Notaufnahme oder, wie wir es nennen, die zentrale Aufnahme meinen Weg in die Endoskopie gefunden. Dort gehöre ich zum Leitungsteam.

Es ist eine völlig unsichere Zeit, in der wir uns aktuell befinden, weil auch wir, die in den Krankenhäusern tätig sind, mit solch einer drastischen Situation noch nie konfrontiert waren. Wenn ich in diesen Tagen morgens erwache und mich für die Arbeit fertig mache, denke ich: Was passiert heute? Gibt es neue Regeln durch Bund und Länder? Gibt es neue Anweisungen, die es zwingend einzuhalten gilt? Gibt es Kollegen, die Hilfe brauchen und die ich mit meinem Team unterstützen kann?

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Axel Herzing ist in der Endoskopie als Pfleger tätig.

(Foto: privat)

Denn trotz der aktuellen Bedrohungslage ist der Zusammenhalt in unserem Krankenhaus groß. Wir sind 1400 Mitarbeiter, knapp 2000, wenn man beide Krankenhäuser zusammennimmt. Die Solidarität untereinander ist riesig, Fachrichtungen, die noch Kapazitäten haben, unterstützen andere Bereiche, die aufgrund der Situation mehr ausgelastet sind und Hilfe benötigen.

Wir sind auf den großen Run vorbereitet

Wir haben in der aktuellen Lage mit vielen Schwierigkeiten, physischem und psychischem Stress zu kämpfen. Das liegt unter anderem auch an den Sicherheitsvorschriften. Aus dem Krankheitsbild, das mit dem Virus einhergeht, ergeben sich ja völlig neue Herausforderungen für uns. Obwohl es von vielen Menschen immer wieder mit einer gewöhnlichen Grippe verglichen wird, ist Covid-19 im Krankenhausalltag etwas ganz anderes, einfach schon deswegen, weil der Krankheitsverlauf für Risikogruppen unvorhersehbar ist, und wie wir leider jeden neuen Tag bestätigt bekommen, auch tödlich verlaufen kann. Hier kommt uns aber zugute, dass wir schon sehr früh eine Task Force gegründet und uns auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereitet haben.

Die unmittelbare Zukunft der Pandemie ist im Moment noch eine Black Box. Die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auch wir versorgen Corona-Patienten auf unseren Stationen, und es ist auch ein kritischer Fall darunter, aber das ist nicht mit Ländern wie Italien vergleichbar. Dennoch sind wir gut vorbereitet und warten gefühlt jeden Tag darauf, dass der große Run losgeht. Es ist schwer vorherzusagen, wir müssen abwarten. Aber schon jetzt ist uns klar, dass von medizinischer Seite her harte Entscheidungen anstehen werden. Ärzte werden über Leben und Tod urteilen müssen und darüber, ob eine Therapie angewendet wird oder nicht.

Wir hangeln uns von Tag zu Tag, schauen auf die Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Den Corona-Zahlen aus China aber traue ich schon aufgrund der Tatsache nicht, dass alleine deren Zählweise schon sechs Mal geändert wurde. Und in Italien sehen wir, was passieren kann, wenn man die Lage zu lange ignoriert, ein anfälliges Gesundheitssystem besteht und keine konkrete Strategie existiert. Der Blick in die USA zeigt uns auch, wie rasant die Corona-Fallzahlen nach oben schnellen können. Ich bete dafür, dass wir in Deutschland nicht einmal annähernd solche Zustände bekommen. Aber das kann ich mir auch nicht vorstellen. Wir haben trotz allem ein gutes Gesundheitssystem, die Menschen bei uns können immer zum Arzt gehen und wir haben viele Spezialisten.

Kerzen und Beifall reichen nicht

Mittlerweile hat Gesundheitsminister Jens Spahn ein Zehn-Milliarden-Euro-Paket für den Medizinsektor auf den Weg gebracht. Das ist gut, auch wenn dieser Maßnahme erst viele Proteste seitens der Krankenhäuser vorausgehen mussten. Doch wie es für viele dieser Häuser nach der Corona-Pandemie weitergehen wird, steht in den Sternen. Die Vergangenheit hat uns leider gelehrt, dass wir oft im Stich gelassen worden sind.

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Solidaritätsapplaus ist eine schöne Geste, aber das reicht nicht.

(Foto: picture alliance/dpa)

Man kann Spahn zugutehalten, dass er in den letzten Jahren etwas für die Pflege getan hat, dennoch ist es auch im Hinblick auf das, was Pfleger und Krankenschwestern in diesen schweren Tagen leisten, viel zu wenig! Und was ist mit den Altenpflegern und den ambulanten Pflegekräften? Die leisten genauso harte Arbeit wie wir im Krankenhaus, werden aber total vergessen! Dieses ganze Beifallklatschen und Kerzen anzünden ist eine schöne Geste. Aber sie muss auch für diese Kollegen gelten, ebenso wie für Polizisten, Feuerwehrleute, Supermarktmitarbeiter und alle anderen, die in dieser Krise unermüdlich und trotz aller Widrigkeiten ihren Job machen! Die Floskel "systemrelevante Berufe" allein nützt niemanden.

Wir werden diese Krise meistern

Wir benötigen auch dringend mehr Schutzausrüstung. In meinem Krankenhaus haben wir gut vorgesorgt, indem wir diverse Programme initialisiert haben, um Schutzausrüstung einzusparen. In vielen Medizinbereichen ist die Versorgung aber nach wie vor dramatisch.

Ich denke, die deutsche Bevölkerung ist sehr gut versorgt. Auch deswegen, so ist zumindest meine Wahrnehmung, haben wir eine relativ geringe Sterberate. Mit diesen Faktoren, unserer Zusammenarbeit und der Einhaltung aller notwendigen Regeln, so einschränkend sie auch empfunden werden mögen, werden wir diese Krise den Umständen entsprechend meistern. Wir werden gewiss so manches Mal an unsere Grenzen gelangen, aber wir werden nicht aufgeben und alles Menschenmögliche tun, um zu helfen und Leben zu retten.

Aufgezeichnet von Verena Maria Dittrich

Quelle: ntv.de

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