Panorama

Afrikas Klimaretter "Wolkenwälder" speichern jede Menge CO2

Die Baumriesen sind nicht nur atemberaubend schön, sondern unendlich wertvoll.

Die Baumriesen sind nicht nur atemberaubend schön, sondern unendlich wertvoll.

(Foto: Nicole Macheroux-Denault)

Auf Satellitenbildern ist der Unterschied deutlich zu sehen. Im Kibale-Nationalpark im Südwesten Ugandas wachsen heute mehr Bäume als 1995. Von diesen "Wolkenwäldern" profitiert das Klima mehr, als viele glauben.

In Glasgow haben sich über 100 Staats- und Regierungschefs verpflichtet, verstärkt gegen die Entwaldung zu kämpfen. Aufsehen erregt, dass Brasilien mitmacht, die Heimat des größten, ökologisch wichtigen Amazonas-Regenwalds. Über Afrikas "grüne Lungen" wird wenig gesprochen. Dabei sind sie zunehmend bedroht und, wie eine neue Studie überraschend zeigt, in den Bergregionen pro Hektar sogar effektivere Kohlenstoffspeicher als der Amazonas.

Es ist paradox. Die Sorge um das Überleben der seltenen Berggorillas ist weitaus größer als die um die tropischen Bergregenwälder, in denen sie leben. Dabei sind die sogenannten "Wolkenwälder" Afrikas nicht nur Lebensraum für bedrohte Tierarten wie Berggorillas, Schimpansen, Waldelefanten. Sie sind auch echte Klimaretter.

"Ich finde es schockierend, dass so viel Geld in den Schutz von Gorillas, Nashörnern oder Elefanten fließt und nicht in den Erhalt der Bäume, von denen sie leben", sagt Dr. Aida Cuni-Sanchez von der Universität York. "Ein Nashorn kann man in einen Zoo bringen, die großen alten Bäume nicht. Ich finde, es sollte eine absolute Priorität sein, Bäume mit einem Durchmesser von über 3 Metern zu schützen." Die Ökologin und Botanikerin plädiert sogar dafür, die Giganten zum Weltkulturerbe zu erklären.

Grüne Kohlenstoffspeicher

Cuni-Sanchez hat guten Grund für diese Forderung. Gemeinsam mit einem Team internationaler Wissenschaftler hat sie insgesamt 72.000 Bäume in 44 tropischen Bergregenwäldern in 12 afrikanischen Nationen vermessen und ihre Kohlenstoff-Speicherkapazität errechnet. Bergregenwälder liegen auf Höhen über 1500 Meter. In Ruanda, der Demokratischen Republik Kongo und Uganda sind sie die letzten verbleibenden Oasen für vom Aussterben bedrohte Berggorillas und Schimpansen. "Unsere Untersuchungen ergaben, dass afrikanische Bergregenwälder wesentlich mehr Kohlenstoff binden als bisher gedacht", so Cuni-Sanchez. Das sind bis zu 70 Prozent dessen, was die Regenwälder der Amazonasregion leisten.

Tropische Regenwälder bedecken nur einen kleinen Teil der Erdoberfläche, aber sie speichern zwischen 40 und 50 Prozent des in Biomasse enthaltenen Kohlenstoffs. In Afrika sind gigantisch hohe Eisenholzbäume, viele Hundert Jahre alt, einige mit fünf Metern Durchmesser, für diese Leistung verantwortlich. "Natürlich sind afrikanischen Bergregenwälder im Vergleich zum Amazonas klein. Aber pro Einheit - für uns ist das immer die Größe eines Fußballfeldes - binden sie mehr Kohlenstoff als irgendein anderer Wald", sagt Cuni-Sanchez. Drei Viertel mehr als die aktuellen Schätzungen des IPCC, des Weltklimarates.

Das ist die gute Nachricht. Die Schlechte: Die effizienten afrikanischen Klimaretter sind in Gefahr. Erst im Juli verkündete die Demokratische Republik Kongo einen 10-Punkte-Plan, der vorsieht, ein 20-jähriges Moratorium zur kommerziellen Abholzung der Tropenwälder aufzuheben. Die von Cuni-Sanchez in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichten Studie fand heraus, dass seit der Jahrhundertwende eine Bergregenwald-Fläche doppelt so groß wie die Bundesrepublik zerstört wurde. Wenn das so weitergeht, verliert die Welt bis 2030 eine weitere Fläche, die fast anderthalbmal so groß ist wie Deutschland.

Bergregenwälder werden schneller abgeholzt als niedriger gelegene Wälder. "Wenn man also unsere Forschungsergebnisse gemeinsam betrachtet, gibt es nur eine Konsequenz: Wir müssen den tropischen Bergregenwäldern mehr Beachtung schenken, weil sie solch effiziente Klimaretter sind", so Cuni-Sanchez.

Ziegen dank Bäumen

Von der Arbeit im Nationalpark profitieren die Einheimischen gleich mehrfach.

Von der Arbeit im Nationalpark profitieren die Einheimischen gleich mehrfach.

(Foto: Nicole Macheroux-Denault)

Grundsätzlich richtig, aber das ist alles andere als einfach. Denn mit einer rasant wachsenden Bevölkerung wächst auf dem afrikanischen Kontinent der Bedarf an Anbauflächen und Holz. Die wertvollen "grünen Lungen" sind regelrecht im Weg, es sei denn, die Bevölkerung erkennt ihren Wert hier und heute. Gutes Beispiel ist der Kibale-Nationalpark im Südwesten Ugandas.

Das 760 Quadratkilometer große Schutzgebiet ist Heimat von über 1400 Schimpansen und seltenen Bergelefanten. Bis zum letzten Zentimeter reichen Bananenplantagen, Felder und Dörfer an den Rand des Nationalparks. Mensch-Tier-Begegnungen gehören zum Alltag. Schimpansen und Elefanten zerstören die Ernte der Dorfbewohner, denen das Fällen von Bäumen zur Herstellung von Holzkohle verboten ist. Internationale Touristen lieben den Kibale-Nationalpark, aber in Dörfern wie Kanyante, direkt am Rand des Nationalparks gelegen, war das lange nicht so.

Bergumisa Keredonia ist eine wichtige Frau in Kanyante. Die Kinder des Dorfs laufen ohne Schuhe und mit zerrissenen Kleidern über die sandigen, kleinen Straßen. "Mein Mann ist der Dorf-Chef", sagt Bergumisa Keredonia schüchtern, aber stolz lächelnd. Sie bindet zwei der vielen Ziegen in ihrem Garten los und stellt einen Plastikcontainer mit Bananenschalen auf den Boden. Die Tiere stürzen sich auf das Fressen.

"Die Ziegen sind unsere Haupteinkunftsquelle", erklärt Keredonia. Die Bäume im Nationalpark hätten ihr die Ziegen geschenkt, erklärt die 59-jährige Mutter von fünf Kindern. Die Bäume? "Ja, Bäume sind wertvoll", nickt sie lächelnd. "Sie halten den Klimawandel auf, machen Regen und absorbieren Kohlenstoff." Und sie finanzieren offensichtlich Ziegen. Wie? Genau kann Bergumisa Keredonia das auch nicht erklären. Sie wiederholt, was die Ranger von "Face the Future" ihr erzählt haben.

Bäume werden Emissionszertifikate

Jeder junge Baum ist eine Investition in die Zukunft.

Jeder junge Baum ist eine Investition in die Zukunft.

(Foto: Nicole Macheroux-Denault)

Für sie arbeiten auch Bergumisa Keredonias Mann und 200 weitere Anwohner rund um den Nationalpark. Sie forsten im Auftrag einer niederländischen Telekommunikationsfirma Teile des Parks wieder auf und halten ihn instand. "In den vergangenen 24 Jahren haben von uns gepflanzte Bäume 1,4 Millionen Tonnen Kohlenstoff aufgenommen", sagt Richard Kigenyi, Leiter des Aufforstungsprojektes.

Auf 4300 Hektar des Nationalparks wurden einheimische Bäume gepflanzt. Alle über sieben Jahre alten werden regelmäßig gemessen, ihre "Leistung" als Klimaretter berechnet und als Emissionszertifikate verkauft, mit denen die niederländische Firma handelt. Die Hälfte des Erlöses geht zurück in den Naturschutz in Kibale und die umliegenden Dörfer. In den Jahren 2017 bis 2020 waren das immerhin eine Milliarde ugandische Schilling, umgerechnet circa 240.000 Euro. Und damit wurde zum Beispiel die Ziegenzucht im Dorf Kanyante unterstützt. Bergumisa Keredonia hat also recht, wenn sie sagt, dass Bäume ihr Ziegen gaben. Unterm Strich weiß hier jetzt jedes kleine Kind: Bäume sind wertvoll. "Ich bin sehr stolz auf unser Projekt", so Richard Kigenyi. "Wir haben viel erreicht. Die Bäume wachsen gut und man kann den Fortschritt deutlich sehen." Satellitenbilder des Parks aus dem Jahr 1995 und 2019 geben ihm recht. Der südliche Teil des Nationalparks ist jetzt deutlich dichter bewachsen.

"Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist gut, Bäume zu pflanzen", mahnt hingegen Cuni-Sanchez. "Aber in den Bergregionen Afrikas ist es wesentlich wichtiger und effektiver, tropische Regenwälder zu erhalten. Nicht zehnmal effektiver, nein, hundertmal", sagt sie. Der Grund ist offensichtlich. Neu gepflanzte Bäume wachsen langsam, besonders in höheren Regionen. Bestehende Wälder brauchen nicht 30 Jahre, um effektive Klima-Arbeit zu verrichten. Sie tun es schon und in Afrikas Bergregionen wesentlich besser als bisher gedacht.

Quelle: ntv.de

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