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Zuhören, ohne zu urteilen Zerstört diese Tiktok-Challenge Beziehungen?

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Harmlos oder heftig, das ist die Frage. Im Kern geht es um Vertrauen.

Harmlos oder heftig, das ist die Frage. Im Kern geht es um Vertrauen.

(Foto: IMAGO/Zoonar)

Beim Social-Media-Trend "We listen and we don't judge" erzählen sich Paare vor laufenden Kameras Geheimnisse, die meistens auch den anderen betreffen. Das geht nicht immer gut und wirft Fragen auf: Dürfen wir in Beziehungen keine Geheimnisse haben?

Ein neuer Trend sorgt auf Instagram und Tiktok derzeit für zahlreiche Klicks, aber auch für Streits und angeblich sogar für Trennungen: "We listen and we don't judge", zu Deutsch: "Wir hören zu und wir urteilen nicht". In den Videos mit dieser Überschrift verraten sich Paare vor laufender Kamera abwechselnd gemeine Geheimnisse, die meist mit dem anderen zu tun haben, und versuchen sich dabei nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Dass trotz der teils heftigen Themen keine Diskussion gestartet werden darf, ist der Witz an der Sache.

In den Videos gestehen die Partner und Partnerinnen etwa, das Essen des anderen nicht zu mögen, wenig Spaß am gemeinsamen Sex zu haben oder dass sie die Arbeit des anderen schlecht finden. Während die Paare kaum Zeit für eine Reaktion haben, lassen die Zuschauenden dafür umso mehr ihren Bewertungen freien Lauf. Regelmäßige Kommentare unter den Videos lauten etwa "We listen and we get divorced" ("Wir hören zu und wir lassen uns scheiden") oder "Ist doch gar nicht so schlecht, Single zu sein".

Die meisten Videos sind harmlos. Für die Paare sind sie oft nur ein Witz, für die Zuschauenden durch den ehrlichen Überraschungseffekt vor allem lustig, wie bei Kevin Bacon und seiner Frau Kyra Sedgwick. Der 66-Jährige gesteht seiner Frau, dass er oft mit ihr schimpft, wenn sie nicht da ist, aber Schranktüren oder Schubladen offen gelassen hat. Sedgwick verrät im Gegenzug unter anderem, dass sie ihrem Mann heimlich Pröbchen von Pflegeprodukten hinlegt, die er dann benutzt.

Drei Gründe für Geheimnisse in Beziehungen

Der Trend wirft trotzdem eine wichtige Frage auf: Sollten sich Menschen in Beziehungen wirklich alles sagen? In der Realität ist es oft so, dass wir absolute Ehrlichkeit nur schwer ertragen, auch wenn wir sie uns theoretisch wünschen würden.

Eine Faustregel gibt es als Antwort leider nicht - zu unterschiedlich sind die Beweggründe und die Schwere der möglichen Geheimnisse. Laut der Buchautorin und Psychotherapeutin Amy Morin gibt es aber drei Gründe, warum Menschen Geheimnisse haben: Weil sie sich selbst, ihr Gegenüber oder ihre Beziehung schützen wollen. Wer ein Geheimnis loswerden will, sollte sich daher erst überlegen, warum er es überhaupt hat und ob die Gründe dafür egoistisch sind.

Manche Geheimnisse tun dem Gegenüber unnötig weh. Wer zum Beispiel seinen Ex-Freund ein bisschen hübscher fand als den aktuellen Partner, sollte das einfach für sich behalten. Ein einmaliger, belangloser Flirt auf der Arbeit, der keinerlei Auswirkungen auf die Beziehung hat, muss auch nicht unter allen Umständen thematisiert werden.

Zuhören, ohne zu urteilen

Gefährlich wird es jedoch, wenn Geheimnisse ans Licht kommen, die das Vertrauen zerstören. Optimalerweise bespricht man solche Dinge in einer Partnerschaft schon, bevor es eine Bombe gibt, die platzen könnte. Psychologin Morin rät dazu, sich darüber auszutauschen, wie die Privatsphäre in der Beziehung aussehen soll und welche Details man von seinem Partner erfahren oder auch nicht erfahren möchte.

Um zu verhindern, dass der Partner oder die Partnerin Geheimnisse für sich behält, sollte zudem ein Umfeld geschaffen werden, das Ehrlichkeit fördert. Auf "Psychology Today" schreibt Morin dazu: "Wenn Ihr Partner Informationen preisgibt, sollten Sie Ihre Reaktion darauf kontrollieren. Wenn Sie schreien oder sich aufregen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Partner beim nächsten Mal ehrlich ist." Insofern könnte man von dem Social Media Trend tatsächlich noch etwas lernen, nämlich: "We listen and we don't judge."

Quelle: ntv.de, sba/spot

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