Politik

Friedman nimmt CDU in Schutz 160.000 protestieren in Berlin gegen Kurs der Union

Die Polizei sprach von rund 160.000, der Veranstalter von 250.000 Menschen in der Hauptstadt.

Die Polizei sprach von rund 160.000, der Veranstalter von 250.000 Menschen in der Hauptstadt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Proteste gegen eine Zusammenarbeit von Union und AfD ebben nicht ab. In Berlin ist der Andrang zwischenzeitlich so groß, dass laut Polizei "gar nichts mehr geht". Redner Michel Friedman warnt davor, sich auf die CDU zu "stürzen". Auf dem Rhein sorgen Hunderte Boote für eine kreative Kundgebung.

Aus Protest gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag sind erneut Zehntausende Menschen in ganz Deutschland auf die Straße gegangen. Allein in Berlin waren es nach ersten Angaben der Polizei rund 160.000 Demonstranten, die Veranstalter gaben 250.000 Teilnehmer an.

Anlass der Demonstrationen ist, dass CDU und CSU am Mittwoch im Bundestag mithilfe der AfD einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik durchgesetzt hatten. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit - der beschlossene Antrag hat aber keine bindende Wirkung. Ein von der Union eingebrachter Gesetzentwurf zur Begrenzung der Migration war am Freitag gescheitert.

Viele Teilnehmer hatten Plakate und Transparente dabei. Auf ihnen war unter anderem zu lesen "Es ist 5 vor 1933" und "Kein Merz im Februar". Auch "Lieber Merz-los als Herz-los" und "CDU, gib uns das C zurück", war zu lesen. Vor der CDU-Parteizentrale leuchteten Demonstranten mit Handylichtern, es gab Buhrufe für den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz. Die Demonstranten riefen: "Wir sind die Brandmauer", Merz solle sich schämen.

Der kürzlich aus der CDU ausgetretene Publizist Michel Friedman nahm seine frühere Partei bei der Großdemonstration in Berlin in Schutz. Bei all der berechtigten Kritik an dem Verhalten der CDU und ihrem "unverzeihlichen Fehler" dürfe eines nicht vergessen werden: "Die CDU ist eine demokratische Partei", sagte Friedman. Mit Blick auf die AfD fügte er hinzu: "Die Partei des Hasses ist die Partei, die nicht auf dem Boden der Demokratie steht." Der Fehler der CDU bleibe für Friedman jedoch unentschuldbar.

"Machen wir es uns nicht zu leicht und machen wir es der Partei des Hasses nicht zu leicht, wenn wir jetzt auf die CDU uns stürzen, noch dazu in einem Wahlkampf, statt darauf zu achten, dass jeder Fünfte die AfD wählen wird", sagte Friedman. Es gehe ihm nicht um Parteipolitik, sondern um die Bewahrung der Demokratie, sagte Friedman vor den Demonstrierenden. Er rief sie auf, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Mit Blick auf die AfD sagte er: "Hass, geistige Brandstiftung ist keine Meinung, sondern Gewalt."

Serpil Unvar, Mutter von Ferhat Unvar, der bei den rassistischen Morden in Hanau starb, erinnerte an den antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge in Halle, den Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke und die grausame Gewalttat an ihrem Sohn.

Trotz Ankündigungen der Politik sei gegen Rechtsextremismus bisher wenig passiert. Stattdessen seien Gesetze gegen Migranten und Migrantinnen gemacht worden. Sie warb für Differenzierung und gegen Vorurteile. Es seien genauso wenig alle Migraten gefährlich wie alle Deutschen ausländerfeindlich. Sie habe viel Unterstützung aus der deutschen Bevölkerung erhalten, vor allem von jungen Menschen. Das Abstimmungsverhalten der CDU sei ein Schlag ins Gesicht für viele Menschen in diesem Land. "Rassismus ist nie die Lösung", sagte sie. "Anti-Rassismus und Anti-Faschismus sind keine linken Projekte. Wir brauchen konservative Politiker, die das wissen."

Die Teilnehmer der Kundgebung mit dem Titel "Aufstand der Anständigen - Demo für die Brandmauer" zogen am Nachmittag vom Tiergarten zur CDU-Bundeszentrale. Auch die Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor war voll. Nach Angaben einer Polizeisprecherin war der Platz zwischen der CDU-Parteizentrale und der Siegessäule zu 100 Prozent voll. "Da geht gar nichts mehr", sagte sie. Nach dem Ende der Veranstaltung lobte die Polizei am Abend auf X eine "friedliche und weitestgehend störungsfreie Versammlung".

"Bunt statt braun" war das Motto in Köln.

"Bunt statt braun" war das Motto in Köln.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bootsdemo auf dem Rhein

In Köln demonstrierten Wassersportler unter dem Motto "Bunt statt braun" mit insgesamt 350 Booten. Bei sonnigem Wetter reihten sie sich vor der Skyline mit dem Dom hintereinander auf dem Rhein auf. Dazu hielten sie Transparente mit Aufschriften wie "Kein Rassismus" und "Für Demokratie und Vielfalt" hoch. Organisiert wurde die ungewöhnliche Kundgebung von den "Wassersportfreunden Neptun Köln". In dieser Form sei die Demonstration auf dem Wasser eine Premiere, hieß es. Insgesamt hätten sich auf dem Wasser und an Land etwa 1000 Menschen beteiligt, sagte eine Sprecherin der Wasserschutzpolizei.

Rund 15.000 Menschen protestierten nach einer Schätzung der Polizei in Saarbrücken gegen Rechtsextremismus und eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD. Unter dem Motto "Zusammen Halt - keine Stimme für die Rechtsextremen!" seien zunächst etwa 500 Teilnehmer angemeldet gewesen - allerdings vor der Abstimmung im Bundestag, sagte ein Polizeisprecher. Dann seien schätzungsweise 15.000 Demonstranten gekommen. Störungen oder Zwischenfälle gab es zunächst nicht.

In Bonn versammelten sich laut Polizei in der Spitze mehr als 10.000 Menschen zu einer "Kundgebung für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt". Die Versammlung sei friedlich und störungsfrei verlaufen. In Kiel kamen zwischen 13.000 und 14.000 Teilnehmer zusammen. Auch in Hamburg, Stuttgart, Essen, Regensburg, Ulm, Kiel, Potsdam und Braunschweig zog es Menschen auf die Straße.

Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf X: "Niemals mit den extremen Rechten. Wir halten dagegen." Er sei "mit dieser Botschaft von Hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern" landesweit "sehr einverstanden". Scholz betonte: "Sie gilt auch für mich."

Demonstrationen auch am Samstag

Bereits am Samstag protestierten in Hamburg rund 65.000 Menschen unter dem Motto "Hamburg steht zusammen: Wer mit Faschisten paktiert, hat nichts kapiert!". In Essen zählte die Polizei am Samstag etwa 14.000 Teilnehmer bei einer Kundgebung unter dem Motto "Zusammen gegen rechts".

Im niedersächsischen Göttingen kam es nach Polizeiangaben am Samstag bei Gegenprotesten gegen eine Demonstration sogenannter Querdenker unter der Bezeichnung "Politik gegen das Volk?" zu Sitzblockaden und Wurfattacken. Demonstranten warfen demnach mit Pyrotechnik, Eiern und Flaschen. Drei Polizisten wurden leicht verletzt, es gab eine Festnahme. An den Protesten beteiligten sich laut Polizei 5000 Menschen, an der Querdenkerdemo etwa 140.

Am Samstag protestierten im hessischen Neu-Isenburg laut Polizei außerdem Tausende Menschen gegen eine Wahlkampfkundgebung der AfD mit Parteichefin Alice Weidel. "Einige wenige Gruppen" von Gegendemonstranten versuchten nach Angaben der Beamten, Zufahrtswege zu blockieren. In einem Fall wurde demnach auch versucht, eine Absperrung zu durchbrechen. Die Gesamtzahl der Demonstranten in der Stadt schätzte die Polizei später auf etwa 9000.

Anlass der Demonstrationen ist, dass CDU und CSU am Mittwoch im Bundestag mithilfe der AfD einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik durchgesetzt hatten. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit - der beschlossene Antrag hat aber keine bindende Wirkung. Ein von der Union eingebrachter Gesetzentwurf zur Begrenzung der Migration war am Freitag gescheitert.

Quelle: ntv.de, toh/mdi/dpa/AFP

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