"Kein Vergnügen" Macron telefoniert zwei Stunden mit Putin
05.05.2022, 11:39 Uhr (aktualisiert)
Frankreichs Präsident Macron musste sich schon für seine Telefonate mit Kremlchef Putin rechfertigen.
(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)
Dass ein Telefonat mit dem russischen Präsidenten kein Vergnügen ist, erklärt Macron den Franzosen ganz ohne Umschweife. Nun greift der Präsident erstmals seit seiner Wiederwahl zum Hörer und spricht zwei Stunden mit dem Kreml-Chef. Es geht um Mariupol.
Erstmals seit Ende März hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit Russlands Präsident Wladimir Putin zum Krieg in der Ukraine telefoniert. Das Gespräch habe mehr als zwei Stunden gedauert, hieß es aus dem Élyséepalast. Macron rief Putin dazu auf, die Fortsetzung der Evakuierung von Zivilisten aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol zu ermöglichen. Diese müsse in Abstimmung mit den Hilfsorganisationen erfolgen. Den Geretteten müsse dabei "gemäß internationalem humanitärem Recht" die Wahl gelassen werden, wohin sie gebracht werden, betonte der französische Staatschef.
Der Kreml teilte mit, Putin habe Macron über die "Befreiung" der ukrainischen Hafenstadt Mariupol durch russische Truppen informiert sowie über die erfolgreiche Evakuierung von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk. Überschattet wurde diese Darstellung von ukrainischen Medienberichten, wonach russische Soldaten mit einem neuen Sturm auf Asowstal begonnen haben sollen - obwohl dort wohl immer noch rund 200 Zivilisten festsitzen. Nachdem am vergangenen Wochenende mehr als 120 Menschen von dem Werksgelände gerettet wurden, scheiterte ein weiterer Evakuierungsversuch am Montag.
Zum Telefonat mit Macron teilte der Kreml weiter mit, Putin habe beklagt, dass die europäischen Länder den ukrainischen Beschuss von Ortschaften im Donbass ignorierten. Der Westen hätte den Tod von Zivilisten etwa durch das Einstellen von Waffenlieferungen vermeiden können, hieß es. Moskau wirft Kiew immer wieder Angriffe gegen Zivilisten vor - ungeachtet dessen, dass Russland selbst die Ukraine am 24. Februar angegriffen hatte. Seitdem sehen sich russische Truppen dem Vorwurf ausgesetzt, etwa im Kiewer Vorort Butscha und andernorts schwere Kriegsverbrechen begangen zu haben.
"Pflicht zum Dialog"
Zuletzt hatte sich Macron vom polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki herbe Kritik an seinen zahlreichen Telefonaten mit Putin anhören müssen. "Wie oft haben Sie mit Putin verhandelt und was haben Sie erreicht? Man debattiert und verhandelt nicht mit Kriminellen. Kriminelle müssen bekämpft werden", sagte er Anfang April der französischen Zeitschrift "Le Parisien". Zudem fragte er Macron, ob er auch mit Hitler oder Stalin verhandelt hätte. Der französische Präsident wies die Kritik an seinen Gesprächen mit Putin zurück. Er habe "Stunden" in Gesprächen mit dem russischen Staatschef verbracht, sagte Macron. "Jede Diskussion ist von Zynismus geprägt, es ist nie ein Vergnügen." Es sei aber seine "Pflicht", den Dialog mit Putin aufrechtzuerhalten.
Bundeskanzler Olaf Scholz dementierte derweil, dass Putin ihm in einem Telefonat mit einem atomaren Angriff auf Deutschland gedroht haben soll. "Das ist Unfug. Fakt ist: Russland ist eine hochgerüstete Nuklearmacht", sagte Scholz in einem "Stern"-Interview. Man müsse aber russische Drohungen angesichts des Krieges generell ernst nehmen. "Unsere Aufgabe ist es zu verhindern, dass solche Waffen eingesetzt werden", sagt er auf eine Nachfrage zum Einsatz von Atombomben durch Russland. Deshalb brauche man bei all den Entscheidungen, die getroffen werden müssten, "einen wachen Verstand" und dürfe nicht überstürzt handeln. "Es geht buchstäblich um Leben und Tod."
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 03. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, mau/dpa