
Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen, hier beim AfD-Bundesparteitag in Hannover.
(Foto: picture alliance / dpa)
Offenbar wollte ein Journalist die AfD gegen Geld beraten und gleichzeitig über sie berichten. Fünf Monate behielt die AfD die Geschichte für sich. Dann bringt sie den Journalisten zu Fall.
Der NRW-Landesvorsitzende der AfD, Marcus Pretzell, hat es offensichtlich geschafft, dass der Axel-Springer-Verlag einen Journalisten entlässt. Pretzell hatte Ende Januar auf seiner Facebookseite einen Vorwurf gegen den "Welt"-Journalisten Günther Lachmann erhoben. Lachmann, so behauptete Pretzell, habe sich der AfD als Berater angedient. Als die AfD abgelehnt habe, habe Lachmann fortan "herabwürdigende Bemerkungen" über die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry in seine Artikel eingebaut. Petry ist Pretzells Lebensgefährtin. Nun teilte die "Welt" mit, dass sie das Arbeitsverhältnis mit Lachmann beende.
Lachmann stand der AfD offenbar nahe und wünschte ihr politischen Erfolg. Das ging so weit, dass er im Juli 2015 an Pretzells Pressesprecherin eine E-Mail schrieb, in der er ein PR-Konzept für die AfD entwirft. Die rechte Zeitung "Junge Freiheit" zitiert an diesem Samstag aus dieser E-Mail: "Wir sprachen gestern darüber, wie die AfD ihr national-konservatives Stigma los wird. Dazu kam mir eine Idee, die ich schnell mal aufgeschrieben habe. Lassen sie sich den Text mal einige Tage durch den Kopf gehen."
Später schrieb Lachmann auf zwei Seiten auf, was er einen "ideologisch-weltanschaulichen Überbau" für die AfD nennt. Die AfD solle sich demnach als "Partei der verantwortungsbewussten Demokratie" darstellen und Versuche abwehren, "die Partei rechts zu verordnen [sic!]".
Lachmann änderte seine Haltung
Dass sich Politiker und Journalisten privat über strategische Fragen unterhalten, kommt vor. Ein strategisches Papier für eine Partei auszuarbeiten, geht aber darüber hinaus. Es ist ein Indiz dafür, dass Lachmann der AfD zu nahe stand, um über sie zu berichten. Der "Welt" scheint das nicht weiter aufgefallen zu sein.
Die Vorwürfe Pretzells gehen noch darüber hinaus. Er schrieb bei Facebook: "Herr Lachmann wollte zwar die AfD mit Frauke Petry und Jörg Meuthen beraten, aber er wollte seinen Job als Journalist bei 'Die Welt' nicht aufgeben und dort weiter verantwortlich sein für die Berichterstattung über die AfD." Von der AfD habe er für den Nebenjob 4000 Euro monatlich verlangt, zu zahlen über Mittelsmänner. "Es wäre sicher ein leichtes gewesen, sich die loyale Berichterstattung dieses Herrn zu kaufen", so Pretzell.
Petry habe das Angebot abgelehnt. Daraufhin hätte Lachmann, der zuvor wohlwollend über Petry berichtet habe, angefangen, "konsequent die Parteivorsitzende mit Dreck zu beschmeißen". Tatsächlich lesen sich die alten Texte Lachmanns anders als die aktuellen. Im Januar schrieb Lachmann dann einen Text, in dem er Petry als isoliert im Bundesvorstand darstellte. Daraufhin veröffentlichte Pretzell seine Vorwürfe – allerdings ohne Beweise vorzulegen.
Fünf Monate lang gedeckt
Nach der Veröffentlichung wies die "Welt" die Vorwürfe auf Anfrage von n-tv.de zunächst zurück. Dem Medienportal "Übermedien" teilte sie mit: "Die Redaktion der 'Welt' begleitet die AfD mit der gleichen journalistischen Sorgfalt, wie andere Parteien auch." Pretzell selbst antwortete nicht auf eine Anfrage von n-tv.de.
Da er keine Beweise vorlegte, war unklar, wer Recht hat. Auch die "Junge Freiheit" ist eine fragwürdige Quelle. Doch dass die "Welt" nun Lachmann entlässt, kann man kaum anders deuten, als dass an den Vorwürfen etwas dran ist. Nachfragen beantwortet der Verlag nicht.
Pretzell nutzt den Vorgang für einen Tiefschlag gegen alle Journalisten: "Man fragt sich unwillkürlich, wer denn noch so alles 'Nebenjobs' in der deutschen Presselandschaft hat, und wer das bezahlt", schrieb er im Januar. Fragen könnte man aber auch: Warum hat die AfD einen solchen Journalisten fünf Monate lang gedeckt?
Quelle: ntv.de