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Amtsinhaber siegt in Nordhausen AfD scheitert bei Oberbürgermeisterwahl

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"Wir müssen jetzt die Spaltung überwinden und Wege finden, um zusammenzuarbeiten", sagte der Wahlsieger Buchmann nach der Verkündung des Ergebnisses.

"Wir müssen jetzt die Spaltung überwinden und Wege finden, um zusammenzuarbeiten", sagte der Wahlsieger Buchmann nach der Verkündung des Ergebnisses.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bis zur Hälfte der Auszählung im thüringischen Nordhausen sieht es nach einem weiteren kommunalen Sieg für die AfD aus. Doch schließlich kann sich der parteilose Kai Buchmann in der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters durchsetzen.

Die AfD ist bei der Oberbürgermeisterwahl im thüringischen Nordhausen gescheitert. Der parteilose Amtsinhaber Kai Buchmann setzte sich nach vorläufigem Ergebnis bei einer Stichwahl überraschend gegen den AfD-Kandidaten Jörg Prophet durch. Das teilte das Wahlamt der Stadt mit. Demnach erhielt Buchmann nach einem langen Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Auszählung 54,9 Prozent der Stimmen, Prophet 45,1 Prozent. Insgesamt waren rund 32.900 Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen. Die AfD konnte damit ihre Erfolgsserie bei Kommunalwahlen in Ostdeutschland nicht fortsetzen.

Im Juni war Robert Sesselmann im Südthüringer Landkreis Sonneberg zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt worden, wenig später siegte ein AfD-Kandidat bei der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt). Die Auszählung wurde im Ratssaal von Nordhausen von Applaus begleitet, immer dann, wenn Buchmann vorn lag oder sein Vorsprung sich vergrößerte. Draußen vor dem Gebäude versammelten sich kurz vor Bekanntgabe des Ergebnisses Dutzende Menschen und jubelten. Einige hatten Plakate dabei, die sich gegen die AfD richteten. Als das Ergebnis bekannt wurde, brach langanhaltender Jubel im Ratssaal aus. Buchmann ging umher und reichte jubelnden Anhängern seine Hände und umarmte Mitstreiter.

In Nordhausen galt der AfD-Kandidat Prophet, ein 61 Jahre alter Unternehmer, nach dem ersten Wahldurchgang vor zwei Wochen als Favorit. Er erzielte am 10. September 42,1 Prozent der Stimmen, Buchmann nur 23,7 Prozent. Bei einem Erfolg in der Stichwahl wäre Prophet der erste Oberbürgermeister in Deutschland mit AfD-Parteibuch gewesen. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet, bundesweit ist die Partei ein Verdachtsfall.

Prophet wird Geschichtsrevisionismus vorgeworfen

Prophet wünschte dem Wahlsieger Buchmann Erfolg. Er reiche ihm als Oppositionsführer im Stadtrat die Hand, konstruktiv zusammenzuarbeiten, sagte er. Buchmann ist seit Oktober 2017 Oberbürgermeister in Nordhausen. Er wurde nun für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt. Buchmann bezeichnete den Ausgang der Stichwahl als "gutes Ergebnis". Es gehe jetzt darum, die Spaltung in der Stadt zu überwinden.

Nordhausen hat rund 42.000 Einwohner und ist eine Industrie- und Hochschulstadt. Am Rande der Stadt liegt die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Die Nationalsozialisten hatten in das Lager etwa 60.000 Menschen verschleppt, mindestens 20.000 Häftlinge starben. Vor der Stichwahl hatten mehrere Politiker, Verbände und Organisationen vor einer Wahl des AfD-Kandidaten Prophet gewarnt. Im Thüringer Verfassungsschutzbericht 2021 wurde ein Text von Prophet als Beispiel für die "geschichtsrevisionistische Agenda" der AfD angeführt.

Auch der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hatte Prophet unter anderem Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Als sich während des Wahlabends abzeichnete, dass Prophet dem parteilosen Amtsinhaber bei der Wahl um das Oberbürgermeisteramt unterliegen wird, betonte Wagner im Gespräch mit ntv seine Erleichterung. "Mir ist ein riesengroßer Stein vom Herzen gefallen", sagte er. Die Sorge sei groß gewesen, dass mit dem AfD-Kandidaten jemand an die Macht kommt, "der den Holocaust kleinredet".

Grundkonsens "ins Rutschen gekommen"

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"Ich glaube, auch bei den Überlebenden gibt es heute Abend eine riesengroße Erleichterung", sagte er weiter. Auch israelische Medien hatten nämlich über die Oberbürgermeisterwahl berichtet. Wagner warnte jedoch auch vor der hohen Zustimmung für Prophet. Dass rund 45 Prozent der Wählerinnen und Wähler für ihn stimmten, sei ein weiteres Beispiel dafür, dass der politische Grundkonsens in Deutschland "ins Rutschen gekommen ist".

Auch Buchmann war vor der Wahl in die Kritik geraten. Gegen ihn läuft noch ein Disziplinarverfahren. Zwischenzeitlich war er unter anderem wegen Mobbing-Vorwürfen vom Dienst suspendiert worden, ein Gericht hob dies aber später auf.

Quelle: ntv.de, spl/dpa

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