Asyl-Odyssee durch halb Europa Ahmad A. stellte Anträge in vier EU-Staaten
04.08.2017, 21:44 Uhr
Vor seiner Tat lebte Ahmad A. in einem Flüchtlingsheim in Hamburg-Längenhorn.
(Foto: picture alliance / Bodo Marks/dp)
Wer er in Deutschland einen Asylantrag stellt, muss sich einer Anhörung stellen: Auch Ahmad A., der spätere Messerangreifer von Barmbek, tat dies 2015. Die Protokollakten zeichnen noch nicht das Bild eines Islamisten. Aber sie offenbaren Lücken im EU-Asylsystem.
Der Messerangreifer von Hamburg hat seine Flucht nach Europa mit der im Gazastreifen regierenden radikal-islamischen Hamas begründet. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks gab er bei einer Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) an, er sei immer wieder von der Hamas vorgeladen worden. Grund dafür sei gewesen, dass er mit der gemäßigten und vom Westen anerkannten Fatah-Bewegung sympathisiert habe. Aus Angst und wegen der "Probleme mit der Hamas" habe er Gaza 2008 schließlich verlassen. Auch sein Bruder sei zuvor nach Schweden geflüchtet.
Der sogenannten Dublin-III-Verordnung zufolge ist stets das EU-Land für Flüchtlinge verantwortlich, dessen Boden sie zuerst betreten haben. Reist ein Asylsuchender trotzdem weiter, darf das Land, in dem er ankommt, ihn zurückschicken. Da die meisten Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa kommen, müssen Italien und Griechenland besonders viele Schutzsuchende versorgen. Rom und Athen pochen deshalb auf mehr europäische Solidarität. Weil die Dublin-Regeln angesichts der sehr hohen Flüchtlingszahlen nicht mehr funktionieren, setzt auch Deutschland mittlerweile auf eine andere Verteilungsmethode von Flüchtlingen in der EU. Vor allem die osteuropäischen Mitgliedstaaten wehren sich aber gegen Quotenregelungen und andere Lösungsvorschläge.
Laut den Protokollakten floh Ahmad A. zunächst mithilfe eines Schleusers nach Ägypten - und von dort aus weiter in die Türkei. Dann sei er über Griechenland nach Europa gekommen. In Norwegen habe er 2009 einen ersten Asylantrag gestellt, der aber ein halbes Jahr später abgelehnt worden sei. 2013 versuchte es A. demnach in Schweden noch einmal, doch das Land habe ihn unter Verweis auf die Dublin-Regeln wieder nach Norwegen abgeschoben. Noch im gleichen Jahr sei er dann nach Spanien gereist, wo ihm die Behörden 2014 seine Papiere abgenommen hätten.
Daraufhin versuchte er eigenen Angaben zufolge erneut, Asyl in Norwegen zu beantragen - wieder ohne Erfolg. Im März 2015 kam Ahmad A. schließlich nach Deutschland. Dem Protokoll zufolge, aus dem auch die "Nürnberger Nachrichten" zitieren, erklärte der Palästinenser bei seiner Anhörung, dass er endlich zur Ruhe kommen wollte. "Ich möchte noch hinzufügen, dass ich seit sechs Jahren immer wieder warte, hin- und herreise". Er wolle sich niederlassen, so der 26-Jährige, und "meinen Plänen für mein Leben folgen".
Onkel glaubt nicht an Radikalisierung
Ahmad A. hatte vor einer Woche in einem Hamburger Supermarkt unvermittelt auf Kunden eingestochen, einen Mann getötet und mehrere Menschen verletzt. Er sollte 2015 eigentlich nach Norwegen zurückgeschickt werden. Doch seine Abschiebung scheiterte daran, dass das Bamf damals die Frist für das Wiederaufnahmeersuchen an Norwegen um einen Tag verpasste. Den Landesbehörden war der Mann als Islamist bekannt, wurde aber als nicht unmittelbar gefährlich eingestuft. Auch gibt es Hinweise, dass er psychisch labil war.
Ein in Norwegen lebender Onkel von Ahmad A. hatte der Wochenzeitung "Die Zeit" erklärt, er glaube nicht, dass A. ein Extremist geworden ist. "Von seiner Erziehung und von seinem Charakter her passt das nicht", sagte er. "Vielleicht hat die Ablehnung seines Asylantrages ihn aus der Bahn geworfen? Davor war er eigentlich zufrieden." Das Blatt berichtete über weitere Angaben des Onkels, wonach der 26-Jährige eigentlich vorgehabt haben soll, in Europa sein begonnenes Studium der Zahnmedizin zu beenden.
Quelle: ntv.de, jug/dpa