Kritik an "Kotau vor Populisten" Andrea Ypsilanti tritt enttäuscht aus der SPD aus
12.06.2023, 15:20 Uhr Artikel anhören
Eine Geschichte der Entfremdung? Ypsilanti verlässt die SPD.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Hessens frühere SPD-Landeschefin verlässt ihre Partei. Ihre Begründung: Der jüngste EU-Asylkompromiss lasse sie "ohnmächtig und sprachlos" zurück. In Hessens SPD glaubt man aber auch, dass dies "eher das i-Tüpfelchen" gewesen. Es habe eine schleichende Entfremdung gegeben.
Die frühere hessische SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti ist aus der Partei ausgetreten. Ein Sprecher des hessischen Landesverbands in Wiesbaden sagte, die 66-Jährige habe ihren Austritt erklärt, der somit vollzogen sei. Ypsilanti begründete ihren Schritt als Reaktion auf den jüngsten Asylkompromiss der EU-Länder.
"Dieser Kompromiss ist ein Kotau vor den Rechtsextremen und Populisten, auf Kosten des Rechtsstaats", kritisierte Ypsilanti beiTwitter. Dies wolle sie nicht "mittragen". Der Beschluss habe sie "ohnmächtig und sprachlos" zurückgelassen.
Sie habe bereits am Anfang ihrer politischen Laufbahn gegen den Asylkompromiss von 1992 gekämpft, den die Oppositionspartei SPD damals mitgetragen hatte, betonte sie. Die Neuregelung verschärfte ab 1993 das Asylrecht. Der jüngste EU-Beschluss werde "noch mehr und noch schlimmeres Elend zur Folge haben", mahnte Ypsilanti.
Die EU-Innenminister, darunter auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD, hatten am Donnerstag den Weg für umstrittene Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen frei gemacht. Damit sollen Menschen mit geringen Aufnahmechancen erst gar nicht in die EU kommen. Dafür soll es Asylzentren in Grenznähe geben, von wo aus Migranten direkt abgeschoben werden sollen.
Bereits nach dem Asylkompromiss am Donnerstag hatte Ypsilanti eine Twitter-Mitteilung Faesers, die auch hessische SPD-Chefin ist und bei der Landtagswahl im Oktober als Spitzenkandidatin und Herausforderin von Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU antritt, kritisiert. Faeser sprach von einem "historischen Erfolg" - Ypsilanti kommentierte dies mit den Worten: "Nicht dein Ernst."
Gescheitert bei Wahl zur Ministerpräsidentin
Ypsilanti war von 2003 bis 2009 Landesvorsitzende der SPD. Zwischen 2007 von 2009 war sie zudem Fraktionschefin. Ypsilanti hatte sich 2008 trotz gegenteiligen Versprechens mithilfe der Linken zu Hessens erster Ministerpräsidentin wählen lassen wollen. Vier Abweichler aus den eigenen Reihen verhinderten das. Nach der Niederlage der SPD bei der Neuwahl 2009 trat Ypsilanti als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurück. Heute ist sie Vorstandsprecherin bei der linken Denkfabrik Institut solidarische Moderne.
Der hessische SPD-Generalsekretär Christoph Degen sagte zu Ypsilantis Parteiaustritt: "Ich bedauere das sehr." Ihre Expertise werde fehlen. Degen sprach von einem schleichenden Prozess der Entfremdung zwischen Ypsilanti und der Partei in den vergangenen Jahren. Der neue Asylkompromiss sei "eher das i-Tüpfelchen" gewesen.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa