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Trump vor Gericht Für jeden anderen wäre es eine Katastrophe

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Trump im Gerichtssaal. Für den früheren US-Präsidenten hat die Anklage durchaus politischen Nutzen.

Trump im Gerichtssaal. Für den früheren US-Präsidenten hat die Anklage durchaus politischen Nutzen.

(Foto: REUTERS)

Als erster US-Präsident überhaupt wird Trump angeklagt - seine Vernehmung gerät zu einem medialen Spektakel, er dominiert die Schlagzeilen und Fernsehbilder. Das passt dem Republikaner aus mehreren Gründen gerade gut ins Konzept.

Endlich einmal ist Donald Trump wieder dort, wo er hin will und wo er seiner Meinung nach hingehört: Im Rampenlicht, im Zentrum aller Aufmerksamkeit. Allerdings nicht so, wie er sich das vorstellt. Zwar sind in dem New Yorker Gerichtssaal keine Fernsehkameras zugelassen, wo eine knappe halbe Stunde lang die Anklage gegen ihn verlesen wurde. Aber die wenigen TV-Bilder zeigen ihn mit versteinerter Miene, auf Fotos wirkt er ungewohnt betroffen - auch ohne Handschellen.

Der Wind der Geschichte, der an diesem Tag durch New York und die gesamte USA hinwegfegt, scheint nicht einmal Trump unbeeindruckt zu lassen. Dabei geht es nicht nur um den konkreten Fall und die Frage, ob die Schweigegeldzahlung an den früheren Porno-Star Stormy Daniels eine illegale Wahlkampfspende war. Es geht um viel mehr: Es ist das erste Mal, dass ein ehemaliger Präsident wegen krimineller Vergehen angeklagt wurde - und dazu vernommen wurde. Und es ist das erste Mal, dass Trump wegen krimineller Vergehen vor Gericht steht.

Für wohl jeden anderen Kandidaten wäre eine Anklage im beginnenden Vorwahlkampf eine Katastrophe. Für die meisten anderen Kandidaten wären schon Ermittlungen gegen sich, Grund genug gewesen, die Kandidatur zurückzuziehen. Nicht so für Trump, der noch immer die üblichen Regeln des Politikbetriebs außer Kraft setzt. Zumindest kurzfristig profitiert der frühere Präsident sogar von diesem Prozess. Denn er bietet ihm wertvolles Material, um seine Basis anzustacheln - die in den vergangenen Tagen bereits einen Millionenbetrag gespendet hat - und zugleich seine Kontrahenten im Vorwahlkampf der Republikaner zwingt, ihn zu verteidigen.

Trump-Kontrahenten springen ihm zur Seite

Einer seiner größten innerparteilichen Konkurrenten, Florida-Gouverneur Ron DeSantis, sprang Trump rhetorisch zur Seite, indem er die Anklage als politisch motiviert brandmarkte. Die frühere UN-Botschafterin und erklärte Kandidatin Nikki Haley sagte, bei dem Verfahren gehe es bloß um Rache an Trump. Auch der frühere Vizepräsident Mike Pence will kandidieren und stellte sich hinter seinen früheren Chef - obwohl dessen Anhänger ihn beim Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 noch lynchen wollten. Pence nannte den Prozess eine "Ungeheuerlichkeit", die vielen Amerikanern wie "politische Verfolgung" erscheine.

Zwar liegt Trump in den Umfragen unter Republikanern klar in Führung, doch ist sein Weg zu einer erneuten Kandidatur keineswegs sicher. Allein die Tatsache, dass es mehrere Gegenkandidaten gibt, sagt viel aus. Vor nicht allzu langer Zeit hätte sich niemand getraut, gegen den Zampano anzutreten. Trumps Standing in der Partei hat besonders seit der für die Republikaner enttäuschenden Kongresswahl, den Midterms, im November 2022 gelitten. Statt des erhofften Erdrutschsieges gab es eine Zitterpartie - nur äußerst knapp gewannen die Republikaner das Repräsentantenhaus zurück. Ihre knappe Mehrheit im Senat konnten die Demokraten sogar verteidigen. Das wurde auch Trump angelastet - viele der von ihm unterstützten Kandidaten holten schwache Ergebnisse.

All das nagte an Trumps Nimbus. Es war bereits die dritte Wahl, die so verloren ging - nach der Präsidentschaftswahl gegen Joe Biden und den Kongresswahlen 2018. Außerdem unterlagen die Republikaner Anfang 2021 in einer vielbeachteten Stichwahl um einen Senatssitz im Bundesstaat Georgia.

Hinzu kommen die Ermittlungen gegen ihn. Neben dem Fall in New York drohen Trump drei weitere Anklagen - dabei geht es um den besagten Kapitolsturm am 6. Januar 2021, ferner Trumps eigene Versuche, die Stimmenauszählung in Georgia zu beeinflussen und die Top-Secret-Dokumente, die er rechtswidrig mit aus dem Weißen Haus nach Florida nahm. Beobachtern zufolge ist das New Yorker Verfahren der schwächste Fall. Der republikanische Politikberater und Trump-Gegner Mike Murphy sagte bei NBC News, diese Anklage sei so, als wenn ein Bankräuber dafür zur Rechenschaft gezogen würde, dass er vor seiner Tat bei Rot über die Ampel gegangen ist.

"Sie verfolgen mich, weil ich für euch kämpfe"

Trump kommt zu Pass, dass er diesen Fall wunderbar für sich instrumentalisieren kann. Er stellt sich als absolut unschuldig dar und trichtert seinen Anhängern ein, dass es nicht um Recht und Gesetz gehe, sondern darum, ihn mundtot zu machen. Mehr noch, seine Botschaft ist: Sie verfolgen mich, weil ich für euch kämpfe. Das verfängt noch immer bei vielen seiner Wähler. Insofern wäre auch ein Foto von ihm, dass ihn für die Akten von vorn und der Seite zeigt und damit wie einen Verbrecher aussehen lässt, kein Problem. Es würde seine Anhänger nur noch wütender machen. Und Wut ist gut für Trump.

Der Republikaner profitiert auch davon, dass der Oberstaatsanwalt von Manhattan ein Demokrat ist - der von den Menschen dort in das Amt gewählt wurde wie ein Bürgermeister oder ein Parlamentarier. Das Amt des Oberstaatsanwalts ("District Attorney") ist politisch und ein Sprungbrett für höhere Aufgaben. Amtsinhaber Alvin Bragg versprach sogar im Wahlkampf, Trump anzuklagen. Das aber dient Trump und seinen Verbündeten in den Medien als Munition. Das zeige ja, dass es hier um Politik und nicht um Recht gehe, sagen sie. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Trumps frühere Anwalt Michael Cohen wegen des Stormy-Daniels-Falls bereits hinter Gitter sitzt.

Hinzu kommt, dass die Stadt New York eine Hochburg der Demokraten ist, der vermeintlich "verrückten Liberalen" - und somit im Kulturkampf zwischen Rechten und Linken ein Symbol für "die Anderen" ist. Und mit denen kann sich heutzutage kaum ein Republikaner mehr gemein machen. Experte Murphy sagte bei NBC News, die Trump-Anhänger fragten nun, warum nicht auch Bill Clinton für seinen Sex-Skandal angeklagt wurde - was als Beweis gesehen werde, dass dies ein rein politischer Prozess sei. All das führte auch dazu, dass sich Trumps innerparteiliche Gegner mit ihm solidarisieren mussten. Trump ist wieder einmal das gelungen, was kaum jemand so beherrscht wie er: Er hat die Deutungshoheit errungen, wenn auch nur im eigenen Lager.

Es passt ins Bild, dass Trump nach der Vernehmung gleich nach Florida zurückkehrt, um eine Rede zu halten. Den Schwung möchte er offenbar mitnehmen, um dann wieder seine Botschaft verbreiten, Hexenjagd, politische Verfolgung und bitte spenden Sie jetzt hier, damit ich Amerika retten kann.

Wer also denkt, mit einer Anklage gegen sich ist Trump politisch tot, liegt falsch. Doch das gilt nur für den Vorwahlkampf bei den Republikanern. Sollte Trump noch die drei anderen drohenden Anklagen einsammeln, ginge er schwer angeschlagen in den eigentlichen Wahlkampf gegen Joe Biden oder wer auch immer dann für die Demokraten kandidiert. Manchen Demokraten gilt Trump gar als der Kandidat, der am einfachsten zu schlagen wäre. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg - erstmal muss sich Trump im Vorwahlkampf durchsetzen. Das New Yorker Verfahren ist dafür kein Rückschlag. Im Gegenteil.

Quelle: ntv.de

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