Streit um Löhne in Pflegebranche Arbeitgeber werfen Heil Nötigung vor
18.02.2021, 17:54 Uhr
"Putzig" findet Arbeitsminister Heil die Kritik an seinem Drängen auf einen deutschlandweiten Pflegetarifvertrag.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ein Tarifabschluss von Verdi sieht höhere Löhne für die Altenpflege vor. Arbeitsminister Heil wirbt heftig dafür, daraus einen bundesweiten Abschluss zu machen. Dagegen regt sich Widerstand. Arbeitgeber werfen dem SPD-Politiker vor, sich aus Selbstprofilierung zu weit in die Tarifautonomie einzumischen.
In der Diskussion über einen geplanten bundesweiten Tarifvertrag in der Altenpflege attackieren die Arbeitgeber Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, erklärte: "Das sich ständig wiederholende Angebot des Bundesarbeitsministers an die Akteure in der Pflege, er wolle ihnen helfen, Tarifverträge gesetzlich abzusichern, gehört sich nicht." In Deutschland gelte die Tarifautonomie. "Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen werden von wirkmächtigen und repräsentativen Sozialpartnern festgelegt."
Die Beschäftigten in der Altenpflege sollen zum 1. August flächendeckend einheitliche und in vielen Fällen höhere Löhne erhalten - das ist das Ziel eines Tarifabschlusses der Gewerkschaft Verdi und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP). Der Minister konterte zunächst auf Twitter: Dort schrieb er: "Arbeitgeberverbände, die Tarifverträge verhindern wollen und sonst immer rufen, dass der Staat sich raushalten soll, finde ich putzig." Als Antwort auf Heils Tweet gab es heftige Reaktionen aus der Branche. Der BDA erinnerte Heil erneut an das Grundgesetz. Das solle von der Bundesregierung geachtet werden.
Der SPD-Politiker hatte zuletzt im November bekräftigt, einen Tarifvertrag Pflege auf ganz Deutschland erstrecken zu wollen, wenn ein Antrag vorgelegt werde und Voraussetzungen erfüllt seien. Die privaten Pflegeheimträger und Betreiber von Pflegediensten wehren sich gegen einen solchen Tarifvertrag. Sie sprechen es dem relativ kleinen Verband, mit dem Verdi verhandelt, ab, für die Branche sprechen zu können.
Schlechte Bezahlung: "Gilt nicht pauschal für Pflegebranche"
Kampeter erklärte, wenn nun Druck auf ein bestimmtes Ergebnis ausgeübt und mit der gesetzlichen Absicherung gewunken werde, dann komme das "Zwang und Nötigung" in der Tarifpolitik schon sehr nahe. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände fordere die Bundesregierung und insbesondere den Bundesarbeitsminister auf: "Hören Sie auf, einen politischen Willen aus Wahlkampfgründen in die Tarifautonomie hineinzutragen. Beenden Sie die Taktik, die Sozialpartner mit rechtlich fragwürdigen Ankündigungen unter Druck zu setzen."
Die Situation vieler Beschäftigter in der Altenpflege gilt seit Jahren wegen Überlastung, Personalmangel, steigender Ansprüche und fehlender Wertschätzung als angespannt. Nach dem Abschluss von Verdi mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche sind Steigerungen der Einkommen in vier Schritten geplant. Eine Sprecherin des Caritasverbandes erklärte, die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas werde nächste Woche über den Antrag von BVAP und Verdi auf die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ihres Tarifvertrags abstimmen. Der Deutsche Caritasverband habe sich schon lange für gute Arbeitsbedingungen in der Pflege stark gemacht und eigene Vorschläge für eine Pflegereform eingebracht. Weiter hieß es, die pauschale Aussage "Pflegekräfte sind schlecht bezahlt" gelte so nicht überall.
Der Präsident des BPA-Arbeitgeberverbands, Rainer Brüderle, erklärte: "Seit zehn Jahren beweisen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Pflegekommission, dass sie zu einer vernünftigen Zusammenarbeit bereit sind und tragfähige Lösungen erarbeiten können. Warum jetzt im Wesentlichen die Arbeiterwohlfahrt und Verdi ausscheren und mit tatkräftiger Hilfe eines Teils der Politik versuchen, die Branche zu spalten und das Erfolgsmodell Pflegekommission an die Wand zu fahren, kann niemand mit guten Gründen erklären." Der Weg der Allgemeinverbindlichkeit führe in eine Sackgasse.
Der Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, Florian Reuther, erklärte: "Gute Pflege ist natürlich ihr Geld wert. Dabei hat sich bewährt, dass die Lohnfindung zwischen den Beteiligten in den Regionen ausgehandelt wird. Deshalb sollte es keinen bundeseinheitlichen Rundumschlag geben." Das sei auch nicht nötig, weil der Fachkräftemangel in der Pflege die Position der Arbeitnehmer stärke. "Höhere Löhne in der Pflege führen unmittelbar zu höheren Kosten für die Pflegebedürftigen - oder sie bringen Zusatzlasten für Beitragszahler und Steuerzahler in Milliardenhöhe."
Quelle: ntv.de, mau/dpa