Eskalation in Berg-Karabach Armenien: Türkei schickt bereits Soldaten
28.09.2020, 11:07 Uhr
Auf diesem Bild vom Wochenende ist laut der aserbaidschanischen Regierung zu sehen, wie armenische Streitkräfte ein aserbaidschanisches Militärfahrzeug zerstören.
(Foto: dpa)
In Berg-Karabach sprechen weiter die Waffen, wieder gibt es mehrere Tote. Beide Seiten geben sich die Schuld an der Eskalation, ein Ende der Gewalt ist erst mal nicht in Sicht, trotz Rufen nach Mäßigung aus dem Ausland.
Armenien hat der Türkei vorgeworfen, sich massiv in den Konflikt um die Region Berg-Karabach einzumischen. Die Agentur Interfax zitierte den armenischen Botschafter in Russland mit den Worten, die Türkei habe rund 4000 Kämpfer aus Nordsyrien nach Aserbaidschan geschickt. Die Agentur Ria berichtete, der Botschafter habe erklärt, die Kämpfer würden bei den Zusammenstößen in Berg-Karabach eingesetzt. Aserbaidschan wies die Vorwürfe zurück.
Einen Tag nach der Gewalteskalation zwischen den verfeindeten Nachbarn Armenien und Aserbaidschan gehen derweil die Kämpfe in der Region weiter. Beide Seiten berichteten am Morgen von Beschuss. In der Nacht gab es Gefechte mit unterschiedlicher Intensität, wie die Sprecherin des armenischen Verteidigungsministeriums mitteilte. Die gegnerische Seite soll am Morgen auch schweres Gerät und Artillerie eingesetzt haben. Das Militär in Aserbaidschan teilte mit, dass armenische Streitkräfte die Stadt Terter an der Grenze zu Berg-Karabach beschossen hätten. Man warne Armenien vor "angemessenen Gegenmaßnahmen", hieß es.
Laut der pro-armenischen Regionalregierung in Berg-Karabach stieg die Zahl der Todesopfer auf 39. Demnach wurden in der Nacht zum Montag 15 weitere ihrer Kämpfer getötet. Bereits am Sonntag waren sieben zivile Todesopfer gemeldet worden, darunter fünf aserbaidschanische und zwei armenische. Nach offiziellen Angaben aus Baku wurden am Sonntag 16 Soldaten durch Beschuss getötet und mehr als 100 verletzt.
Die Gefechte zwischen den Ländern begannen am frühen Sonntagmorgen. Dabei soll auch Berg-Karabachs Hauptstadt Stepanakert beschossen worden sein. Beide Länder gaben sich gegenseitig die Schuld für die Gefechte und verhängten den Kriegszustand. In Aserbaidschan gab es in einigen Regionen auch Ausgangssperren am Abend. Es handelt sich um die schwerste Eskalation seit Jahren.
Konflikt flammte 2016 auf
Die von Armenien kontrollierte, christlich geprägte Region mit geschätzt 145.000 Einwohnern gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. Um Religion geht es aber nur vordergründig. So werfen die Armenier den Aserbaidschanern vor, die Armenier in Berg-Karabach schon zu Sowjet-Zeiten systematisch unterdrückt zu haben, als beide Länder noch Teil der UdSSR waren.
1989 kam es zum Krieg, nachdem Armenien und Berg-Karabach eine Vereinigungserklärung abgegeben hatten. Baku verlor nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Kontrolle über das Gebiet. Seit 1994 gilt in der Region eine Waffenruhe. Zuletzt flammte der Konflikt 2016 stark auf - es starben mehr als 120 Menschen. Das völlig verarmte Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, das dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat. Aserbaidschan hat die Türkei als verbündeten Bruderstaat.
UN-Generalsekretär António Guterres forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe und mahnte eine diplomatische Lösung in dem Konflikt an. Auch die US-Regierung nahm nach eigenen Angaben zu beiden Seiten Kontakt auf und forderte die Konfliktparteien dazu auf, die Kampfhandlungen sofort einzustellen. Zuvor hatten bereits Deutschland, Frankreich, Italien und die EU ein sofortiges Ende der Kämpfe gefordert. Der Westen und die Länder der Region beobachten den Konflikt auch mit Sorge, weil er den Südkaukasus zu destabilisieren droht, durch den wichtige Öl- und Gaspipelines verlaufen.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP/rts