Modi ein Jahr an der Macht BND zieht ernüchternde Indien-Bilanz
20.05.2015, 08:33 Uhr
Modis Reformen bringen das Land nur in kleinen Schritten voran.
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Seit einem Jahr regiert Narendra Modi Indien und damit die größte Demokratie der Welt. Doch seine Reformpläne zeigen wenig Erfolg, stellt der BND fest und zieht Bilanz. Auch gegen Terroranschläge sei das Land nicht geschützt, so der deutsche Geheimdienst.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat ein Jahr nach dem Start der neuen indischen Regierung außergewöhnlich offen eine ernüchternde Zwischenbilanz der Entwicklung des 1,25-Milliarden-Einwohner-Landes gezogen. "Der große Wurf lässt weiter auf sich warten, Investoren wollen endlich Taten sehen", heißt es in einer Analyse des deutschen Auslandsgeheimdienstes zur Lage in Indien.
Ein Jahr nach dem Wahlsieg von Premier Narendra Modi habe "die Welle der Euphorie (...) ihren Zenit überschritten". Unter Modi sei eine nachhaltige Annäherung zwischen Indien und seinem Erzfeind Pakistan und damit einhergehend eine konstruktive Zusammenarbeit für die Zukunft Afghanistans nicht zu erwarten, heißt es in dem Papier weiter. Die Analyse folgt nur fünf Wochen nach einem Besuch Modis in Berlin.
"Der große Wurf lässt weiter auf sich warten, Investoren wollen endlich Taten sehen", heißt es vom BND - ein Jahr nach Modis Wahl.
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Mitte April hatte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) offen für indische Pläne zur militärischen Aufrüstung gezeigt. Modi und Merkel trafen auch Absprachen für eine vertiefte Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Bildung, Klima, Umwelt und erneuerbare Energien. Anfang Oktober sind in Neu Delhi die dritten deutsch-indischen Regierungskonsultationen geplant.
Reformprogramm ohne Erfolgsaussicht
Die Atommacht Indien gewinnt wegen ihrer Stellung als größte Demokratie der Welt und Annäherung an die Bevölkerungsstärke Chinas - dort leben etwa 1,35 Milliarden Menschen - zunehmend an politischem und wirtschaftlichem Gewicht. Modis hochgestecktes Reformprogramm, mit dem er sein Land innerhalb einer Generation aus der Armutsspirale befreien will, werde im eigenen Land blockiert, schreibt der BND. Die oppositionell geführten Bundesstaaten verhinderten mit ihrer Mehrheit im Oberhaus alle wesentlichen Reformvorhaben. Um diese Mehrheitsverhältnisse zu ändern, müsse Modis Regierungspartei BJP in den kommenden zwei Jahren alle wichtigen Wahlen auf bundesstaatlicher Ebene gewinnen. "Mit diesem Ziel vor Augen umgeht die indische Regierung alle unpopulären Maßnahmen", urteilt der BND.
"Weitere Rücksichten verlangen die radikal-hinduistischen, anti-westlichen und nationalistischen Gruppierungen, denen Modi seine politische Karriere und letztlich auch seinen Wahlsieg zu verdanken hat", schreibt der BND ganz undiplomatisch. Bislang gehe es in dem Land nur in kleinen Schritten voran. So gebe es erste Ansätze zur Bekämpfung der Korruption und punktuelle Anreize, um Investoren ins Land zu locken. "Dies ist aber nicht ausreichend, um Indien aus Armut und Rückständigkeit zu befreien." Indien brauche für seine wachsende Bevölkerung jährlich zwölf Millionen neue Arbeitsplätze.
Mangelnde Terrorprävention
Eine weitere Baustelle bleibe die innere Sicherheit Indiens, analysiert der BND. "Für einen zweiten Anschlag der Dimension von Mumbai 2008 wäre Indien voraussichtlich nicht gewappnet", heißt es in dem Papier. Bei einer dreitägigen Terrorserie im November 2008 hatten Angehörige einer aus Pakistan operierenden Extremistengruppe in Mumbai Luxushotels besetzt und mehr als 160 Menschen getötet.
Auch außenpolitisch sieht der BND Nachholbedarf für die Regierung in Neu Delhi. So wolle Modi Indien zur regionalen Großmacht auf Augenhöhe mit Russland und China entwickeln. Den eigenen Anspruch etwa auf militärische Vorherrschaft im Indischen Ozean könne das Land allerdings derzeit nicht gewährleisten - wegen der "unzureichenden Fähigkeiten der indischen See- und Luftstreitkräfte".
Quelle: ntv.de, lsc/dpa