Vorbild Baden-Württemberg Baerbock liebäugelt mit Meldeportal für Steuerbetrug
02.09.2021, 10:46 Uhr
Annalena Baerbock sieht bei Steuerbetrug ein "dickes Problem" in Deutschland.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
In Baden-Württemberg können Bürger Verdachtsfälle von Steuerbetrug nun online melden. Dessen grüner Finanzminister erntet dafür heftige Kritik. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hingegen findet, die nächste Regierung sollte ein solches Portal auf Bundesebene einführen.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kann sich eine Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern wie in Baden-Württemberg auch auf Bundesebene vorstellen. "Wir müssen Orte schaffen, wo auch gemeldet werden kann, wenn man weiß, dass es zu heftigem Steuerbetrug kommt", sagte die Grünen-Kanzlerkandidatin bei Prosieben. Das werde nun in Baden-Württemberg gemacht und wäre eigentlich "auch Aufgabe eines Bundesfinanzministers gewesen", sagte Baerbock. "Die nächste Bundesregierung sollte das auch einführen."
Zuvor war Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz, der ihr Parteikollege ist, für die Einführung des bislang bundesweit einmaligen Hinweisportals kritisiert worden. Union, FDP und AfD argumentierten, dass ein solches Portal Denunziantentum fördere. Allerdings sind solche Anzeigen schon bisher möglich, nur eben per Brief oder Mail. Dafür finden sich im Netz sogar passende Formulare der Finanzämter.
Baerbock verteidigte das EU-weite Anliegen, gegen Steuerbetrug und Geldwäsche konsequent vorzugehen. Deutschland habe hier ein "dickes Problem", sagte die Grünen-Kandidatin. Vergleiche mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR (Stasi), der Menschen verfolgt habe, kritisierte sie als unpassend. "Das verhöhnt aus meiner Sicht all diejenigen, die in einer Diktatur gelebt haben."
Kritik von Lindner und Merz
FDP-Chef Christian Lindner hält nichts von Baerbocks Forderung. "Was wir nicht brauchen, ist eine staatliche Aufforderung zu Denunziantentum unter Nachbarn", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Forderung, die jetzt die Grünen erheben, offenbart Misstrauen in die Bürger, nicht Vertrauen."
Stattdessen sei die Digitalisierung der Finanzverwaltungen überfällig, mahnte Lindner an. "Wir brauchen sie, um zum Beispiel Umsatzsteuerbetrug in Karussellmodellen zu bekämpfen", findet der FDP-Chef.
Ähnlich äußerte sich der CDU-Politiker Friedrich Merz: "Die Einführung dieses Steuerprangers in Baden -Württemberg und die Zustimmung von Frau Baerbock zeigen erneut das staatsautoritäre Denken der Grünen", sagte er ntv. "Was sagt eigentlich Ministerpräsident Winfried Kretschmann dazu?"
Steuergewerkschaft sieht Vorwürfe als ehrabschneidend
Dagegen wies die Deutsche Steuergewerkschaft Kritik am Online-Portal scharf zurück. Anonyme Anzeigen gebe es, seit es Finanzämter gibt, sagte der DStG-Vorsitzende Thomas Eigenthalter dem "Handelsblatt". Das Portal in Baden-Württemberg sei "eher eine Verbesserung", denn die Steuerverwaltung dort könne nun durch gezielte Rückfragen den "Anzeigenschrott" von "werthaltigen Hinweisen" trennen.
Zu Vorwürfen in sozialen Netzwerken, es gehe hier um "Denunziantentum" und "Stasi-Methoden", sagte Eigenthaler, dies sei für die Steuerverwaltung ehrabschneidend. "Steuerbeamte sind keine Stümper", betonte er. "Sie können schnell erkennen, ob nur denunziert wurde oder man einer Steuerhinterziehung gezielt nachgehen muss." Die Verwaltung sei nicht an "kleinlichen Nachbarschaftskonflikten" interessiert, sondern hoffe, mit dem Portal "dicke Fische" zu fangen.
Quelle: ntv.de, chl/dpa/AFP