Konfrontation bei G20-Treffen Baerbock zu Lawrow: "Sie müssen diesen Krieg jetzt beenden"
22.02.2024, 06:40 Uhr Artikel anhören
Zwischen Baerbock und Lawrow sitzen der italienische Vize-Außenminister Edmondo Cirielli und die mexikanische Außenministerin Alicia Barcena Ibarra.
(Foto: dpa)
Beim G20-Außenministertreffen in Rio sitzt Russlands Vertreter Lawrow nur drei Plätze entfernt von seiner deutschen Kollegin Baerbock. Die nutzt die Gelegenheit und richtet deutliche Worte an Lawrow. An die übrigen Teilnehmer appellierte sie, die russische Aggression gegen die Ukraine ernst zu nehmen.
Außenministerin Annalena Baerbock hat sich beim Treffen der G20-Außenminister der führenden Wirtschaftsmächte direkt an ihren russischen Kollegen Sergej Lawrow gewandt und ein Ende des Krieges in der Ukraine verlangt. "Wenn Ihnen Menschenleben am Herzen liegen, wenn Ihnen Ihr eigenes Volk am Herzen liegt, russische Kinder und Jugendliche, müssen Sie diesen Krieg jetzt beenden", sagte die Grünen-Politikerin im brasilianischen Rio de Janeiro direkt an Lawrow gewandt, der drei Plätze links von ihr saß. "Wenn Russland diesen Krieg jetzt beenden würde, wäre morgen der Weg zum Frieden und zur Gerechtigkeit weit offen", fügte sie hinzu.
Lawrow saß in der G20-Runde rechts von seinem saudi-arabischen Kollegen Prinz Faisal bin Farhan al-Saud und links von der mexikanischen Außenministerin Alicia Bárcena Ibarra. Neben der Mexikanerin saß der Vertreter Italiens, dann kam Baerbock. An die anderen Mitglieder der Runde gerichtet appellierte Baerbock: "Wenn wir eine 'gerechte Welt' aufbauen wollen, müssen wir Kriege und Krisen gemeinsam angehen. Entschlossen, respektvoll und mit der Bereitschaft zur Selbstreflexion."
Sie respektiere die unterschiedlichen Perspektiven zum Krieg in der Ukraine. Ein Land, das 10.000 Kilometer von Kiew entfernt sei, empfinde eine andere Bedrohung der Sicherheit als ein Land in Europa. Aber "Russlands Aggression ist mehr als ein regionaler Konflikt", mahnte Baerbock. Der russische Angriffskrieg "fordert uns alle auf, die Grundprinzipien, die uns alle schützen, entschlossen zu verteidigen: die Charta der Vereinten Nationen, das Völkerrecht und die Menschenrechte. Diese Prinzipien schützen alle Nationen, egal wie groß oder klein."
G20 beraten über Reform der internationalen Institutionen
Der G20-Runde gehören neben Deutschland, Frankreich und den USA unter anderem auch Russland und China an. Die G20 steht für etwa 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft und 60 Prozent der Weltbevölkerung. Brasilien hat aktuell den Vorsitz.
Vor dem Hintergrund breiter Kritik am militärischen Vorgehen Israels gegen die islamistische Hamas und dem humanitären Leid der Zivilbevölkerung in Gaza forderte Baerbock eine humanitäre Pause, damit man auf einen nachhaltigen Waffenstillstand hinarbeiten könne. "Dieser Konflikt hat in vielen unserer Länder große Emotionen ausgelöst", sagte die Ministerin. Sie forderte ihre Zuhörer auf, den Schmerz auf beiden Seiten zu sehen und zu erkennen, "dass Menschlichkeit unteilbar ist". Deshalb sei eine Lösung nötig, die es Palästinensern und Israelis ermögliche, friedlich und in Sicherheit Seite an Seite zu leben - in zwei Staaten.
An diesem Donnerstag wollen die G20-Außenminister angesichts der Blockade des UN-Sicherheitsrats über eine Reform der internationalen Institutionen beraten. Baerbock sagte, die Modernisierung der Finanzinstitutionen gehöre für sie ganz oben auf die Tagesordnung der G20. Die am stärksten von der Klimakrise betroffenen Staaten zahlten die höchsten Zinsen. "Das ist zutiefst ungerecht, und es ist auch wirtschaftspolitisch mehr als kontraproduktiv", kritisierte Baerbock.
Baerbock reist weiter zu UN
Auch der UN-Sicherheitsrat ist zwei Jahre nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in seinen Entscheidungen häufig blockiert, da sich Moskau quer stellt. Ein Umbau des internationalen Systems gehört zu den erklärten Zielen der brasilianischen G20-Präsidentschaft. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte zuletzt den UN-Sicherheitsrat als unglaubwürdig kritisiert und den internationalen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vorgeworfen, sich zu stark in die inneren Angelegenheiten der Gläubigerländer einzumischen.
Am Donnerstagnachmittag will die Bundesaußenministerin von Rio aus nach New York weiterreisen. Dort sind am Freitag zum zweiten Jahrestages des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar mehrere Veranstaltungen geplant, an denen Baerbock teilnehmen will. In Sitzungen der Generalversammlung und des Weltsicherheitsrats will sie das Wort ergreifen. Auch ein Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres ist geplant.
Zudem soll es einen Meinungsaustausch mit der früheren französischen Außenministerin Catherine Colonna geben. Colonna leitet eine unabhängige Gruppe von Experten zur Prüfung der Vorwürfe gegen Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Einigen Mitarbeitern des Hilfswerks wird vorgeworfen, an den Terrorakten der islamistischen Hamas vom 7. Oktober in Israel beteiligt gewesen zu sein. Mehrere westliche Länder haben wegen der Anschuldigungen vorübergehend die Zahlungen an UNRWA eingestellt, darunter die beiden größten Geldgeber, die USA und Deutschland.
Quelle: ntv.de, jog/dpa