
Kaffee, Barzahlungen - old habits die hard ...
(Foto: PantherMedia / malaha3 Malashchenko)
Bar bezahlen heißt in Italien nicht selten schwarz zahlen. Deswegen gibt es dafür eine Höchstgrenze von 2000 Euro. Und obwohl schon diese nicht viel gebracht hat, will die neue Regierung die Norm weiter lockern.
Na super, die WC-Spülung ist kaputt, das Wasser fließt und fließt. Der Klempner muss her. Was viele Nerven kosten kann - zum einen, weil man ihn fast schon auf den Knien bitten musste, dass er so schnell wie möglich kommen möge, zum anderen, weil man sich wieder einmal mit der Entscheidung konfrontiert sieht: "Bestehe ich jetzt auf die Rechnung und riskiere damit, mir das nächste Mal einen Neuen suchen zu müssen, oder zahle ich bar, also schwarz?" Zur Sicherheit hebe ich schon mal 200 Euro ab. Es ist aber auch schon passiert, dass mir ein Klempner gleich am Telefon sagte: "Ich bin Rentner, arbeite nur nebenbei noch ein wenig und stelle keine Rechnung aus." Am Ende löst man das Dilemma am besten nach Gefühl und nach Höhe des Betrags.
Noch fieser ist die ganze Sache bei Fachärzten, wenn sie bei älteren, bettlägerigen Patienten Hausvisiten machen. Mein schon sehr betagter Vater erzählte mir einmal davon: Der Arzt verlangte für die Visite 200 Euro Cash und machte nicht einmal die Geste, eine Honorarrechnung ausstellen zu wollen. Das hatte mich so wütend gemacht, dass ich beim nächsten Mal dabei war. Und siehe da, der Arzt stellte gewissenhaft die Honorarrechnung aus. Mittlerweile sind solche Fälle seltener geworden, weil jeder die Arztkosten über die Steuernummer automatisch von der Steuererklärung abziehen kann.
Obergrenze - warum ausgerechnet Italien?
Schon immer kämpft der italienische Staat gegen die hohe Steuerhinterziehung. Schätzungen zufolge liegt diese bei 30 Milliarden Euro. Jede Regierung verspricht aufs Neue, diesem Missstand ein Ende zu bereiten. So auch die gerade ins Amt gekommene Rechts-Mitte-Regierung. Die ersten Ansagen hören sich aber eher nach einer Lockerung der Bekämpfungsmaßnahmen an.
Zu den Instrumenten, die in den letzten Jahren in Italien eingeführt wurden, um die Steuerschlupflöcher zu stopfen, zählt die Festlegung einer Betragsgrenze bei Barzahlungen. Im Moment liegt sie bei 2000 Euro. Alle höheren Beträge müssen per Banküberweisung erfolgen und sind somit verfolgbar. Doch schon ein paar Tage nach der Vereidigung forderte Matteo Salvini, Vizepremier und Vorsitzender der nationalpopulistischen Lega, sie auf 10.000 Euro zu erhöhen.
Die Opposition protestierte dagegen, wies darauf hin, dass man damit auch der organisierten Kriminalität einen Freibrief zur Geldwäsche ausstelle. Darauf erwiderte Salvini, dass es in Deutschland, Österreich und Schweden so eine Obergrenze gar nicht gebe und was die Mafia betreffe - da gehe es eh um weitaus höhere Beträge.
Zweifel über dieses Vorhaben drückte auch der Harvard Ökonom und ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds, Kenneth Rogoff, aus. In einem Interview mit der Tageszeitung "La Repubblica" gab er zu bedenken, dass die höhere Bargeldgrenze sehr wohl Schwarzzahlungen fördern könne. Und was den Vergleich mit Österreich, Deutschland und Schweden betreffe: "Dort gibt es keine Obergrenze, weil in diesen Ländern eine gewisse Steuerdisziplin herrscht." Auch Salvinis Koalitionspartner scheinen darin eine Gefahr zu sehen, weswegen man sich schließlich auf eine Obergrenze von 5000 Euro geeinigt hat.
Der einfühlsame Kunde
Novella ist um die 30 Jahre alt und hat einen Obst- und Gemüseladen, bei dem ich gerne einkaufe. Sie führt lauter Produkte, die "hässlich, aber gut" sind. Ich frage sie, was sie von Salvinis Forderung hält: "Nichts. Auch, weil mir zum Beispiel die Bezahlung mit Karte oder einer App viel lieber ist. Ich brauche da nicht jeden Tag in die Bank zu gehen, um das Geld abzulegen." Und immer mehr Leute würden nicht mehr bar bezahlen, auch wenn es nur um ein paar Euro geht.
Interessant sei aber etwas anderes, findet Novella: "Wir sind ja verpflichtet, den Kassenbeleg auszustellen. Und es passiert noch immer, dass Kunden, die bar bezahlen, sagen: 'Ich brauche den nicht und Sie sparen sich Steuern.' Ich reagiere jedes Mal verdattert und gebe ihnen trotzdem den Beleg."
Weiteres Beispiel: Eine Freundin, freiberufliche Grafikerin, verdient weder gut noch schlecht. Was soviel heißt wie - sie muss auf ihre Ausgaben achten. Eine Putzfrau einmal in der Woche für ihre Zweizimmerwohnung leistet sie sich dennoch, denn sie hasst es, zu putzen. "Wie bezahlst du ihr?", frage ich. "In bar, also schwarz", antwortet sie und fügt erklärend hinzu: "Ich kann ihr 10 Euro die Stunde geben, mehr ist bei mir nicht drin. Ich habe ihr gesagt, ich kann sie anmelden und die Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Das Netto wäre dann natürlich weniger. Sie meinte, für die 120 Euro, die sie von mir im Monat bekommt, mache das keinen Sinn."
Der Cashless-Köder
Um den Italienern die Cashless-Zahlungen schmackhaft zu machen und gleichzeitig die Schwarzgeld-Zahlungen zu bekämpfen, wurde vom 8. Dezember 2020 bis 31. Juni 2021 eine Initiative zugunsten der Kunden gestartet. Wer in diesem Zeitraum 50 Einkäufe mit Karte bezahlte, bekam ein Cashback von maximal 150 Euro zurück. Die Regierung unter Premier Mario Draghi hat die Aktion, die den Staat knapp 900 Millionen Euro kostete, abgeschafft. Das Geld sollte effektiver eingesetzt werden, außerdem kamen die Prämien viel mehr dem kaufkräftigeren Norden als dem Süden des Landes zugute.
Die Barbezahlung bleibt weiter die herkömmlichste Zahlungsweise, doch immer mehr Italiener entdecken die Vorteile anderer Instrumente, wie eine Studie der Mailänder Fachhochschule Polimi belegt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres ist der Wert der Bezahlungen mit diesen um zweiundzwanzig Prozent im Vergleich zum selben Jahresabschnitt 2021 gewachsen. Ab 1. Juni 2022 sind außerdem alle Geschäfte und Dienstleister verpflichtet, Kartenzahlungen anzunehmen, auch wenn es sich nur um einen Euro handelt. Wer sich weigert, dem droht eine Geldstrafe von dreißig Euro Plus vier Prozent des Werts der Rechnung.
Gewohnheiten sind aber schwer abzulegen - Cash ist weiter die bewährteste Zahlungsmethode. Und so kommt es immer wieder vor, dass man im Café, wenn man den Espresso bar bezahlt, der Kassierer ein wenig zögert, und erst wenn der Kunde darauf pocht, wird ein Beleg ausgedruckt. Freilich, es geht nur um 1,10 Euro - wie man aber weiß, sind die Italiener starke Kaffeetrinker.
Quelle: ntv.de