Politik

Telefonate zur Ukraine-Krise Bidens Appelle prallen an Putin ab

Putin und Biden im Juni in Genf. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen ihren Ländern noch angespannter.

Putin und Biden im Juni in Genf. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen ihren Ländern noch angespannter.

(Foto: picture alliance/KEYSTONE)

Rund eine Stunde dauert das Gespräch der Präsidenten. Biden droht Putin erneut mit schweren Konsequenzen, sollte Russland die Ukraine angreifen. Danach bleiben die Fronten verhärtet. Auf US-Seite nährt das Telefonat zudem die Zweifel daran, ob Putin überhaupt gesprächsbereit ist.

US-Präsident Joe Biden hat Russlands Staatschef Wladimir Putin in einem Telefonat eindringlich vor einem Einmarsch in die Ukraine gewarnt. Das Weiße Haus teilte nach dem Gespräch mit, Biden habe betont, eine Invasion würde "großes menschliches Leid verursachen und das Ansehen Russlands schmälern". Die Folge wäre eine entschlossene Reaktion der USA und ihrer Verbündeten, was schwere Konsequenzen für Moskau hätte. Biden habe erneut klargemacht, die USA seien weiter bereit zu diplomatischen Gesprächen, aber "ebenso auf andere Szenarien vorbereitet". Moskau wies die US-Warnungen vor einem russischen Angriff auf die Ukraine scharf zurück und sprach von "provokativen Spekulationen" und "Hysterie".

Ein ranghoher Mitarbeiter der US-Regierung betonte nach dem rund einstündigen Telefonat der beiden Präsidenten, die Dynamik, die sich in den vergangenen Wochen entwickelt habe, habe sich durch das Gespräch nicht grundsätzlich verändert. Die US-Seite habe Ideen auf den Tisch gelegt, mit Blick auf die Sicherheit in Europa, die auch einige Bedenken Russlands berücksichtigen würden. Konkreter wurde der Regierungsbeamte nicht.

Es sei unklar, ob Russland Interesse daran habe, sein Ziel auf diplomatischem Weg zu erreichen anstatt mit Gewalt, sagte er weiter, betonte aber: "Es steht hier zu viel auf dem Spiel, als dass man Russland nicht jede Chance geben sollte, ein Vorgehen zu vermeiden, das unserer Meinung nach katastrophal wäre." Die beiden Präsidenten hätten vereinbart, dass ihre Teams in den kommenden Tage Kontakt halten sollten, sagte der US-Regierungsbeamte weiter. "Russland könnte sich trotzdem zu einer Militäraktion entscheiden."

Putin kritisiert fehlenden Druck auf Kiew

Putin beklagte in dem Telefonat mit Biden Kremlangaben zufolge fehlenden Druck des Westens auf die Ukraine. "Er (Putin) hat angemerkt, dass vonseiten westlicher Staaten nicht der gebührende Druck ausgeübt wird, damit Kiew seine Verpflichtungen erfüllt", sagte der außenpolitische Berater Putins, Juri Uschakow, der Staatsagentur TASS zufolge. Bei den US-Warnungen vor einem möglicherweise bevorstehenden Angriff Russlands auf das Nachbarland Ukraine handele es sich um "Hysterie", so Uschakow. Dennoch sei das Gespräch "ziemlich ausgewogen und sachlich" gewesen.

In Europa und in den USA wächst dennoch die Sorge vor einer Eskalation. Mehrere Staaten, darunter Deutschland, riefen ihre Bürger zur Ausreise aus der Ukraine auf. Angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten an der Grenze zur Ukraine wird befürchtet, dass der Kreml eine Invasion des Nachbarlandes plant. Moskau bestreitet das seit Wochen vehement. Für möglich gehalten wird auch, dass der Kreml eine Drohkulisse aufbauen will, um eigene Sicherheitsforderungen durchzusetzen.

Biden habe "eine Reihe von Überlegungen" dargestellt, die aus US-Sicht russische Sorgen über die Sicherheit in Europa berücksichtigten, sagte Uschakow. Putin habe zugesichert, diese Ausführungen zu prüfen. Zugleich sei bereits deutlich geworden, dass zentrale russische Forderungen damit nicht erfüllt würden. Russland hat die USA und die NATO zu verbindlichen Sicherheitsgarantien aufgefordert. Der Kreml will unter anderem ein Ende der NATO-Osterweiterung und insbesondere einen Verzicht auf eine mögliche Aufnahme der Ukraine in das Militärbündnis erreichen. Der Westen hingegen argumentiert, dass jeder Staat frei entscheiden dürfe, welchem Bündnis er angehören will.

Kreml spricht von "provokativen Spekulationen"

Zuvor hatte Putin auch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über die Ukraine-Krise gesprochen. Dabei habe Putin "die Situation im Zusammenhang mit provokativen Spekulationen über eine angeblich geplante russische "Invasion" der Ukraine" zur Sprache gebracht, hieß es in einer Mitteilung.

Der Kreml kritisierte zudem, dass die Ukraine vom Westen mit modernen Waffen und Munition aufgerüstet werde. Dadurch könne die ukrainische Führung ermuntert werden, eine militärische Offensive gegen die Ostukraine zu starten. Dort warnen von Russland unterstützte Separatisten vor einem Angriff der Ukraine. Der Kreml beklagte, die Bemühungen um eine Lösung in der Ukraine-Krise befänden sich in einer "Sackgasse". Mit Blick auf die Umsetzung eines 2015 für die Ostukraine beschlossenen Friedensplans warf Moskau dem Westen einmal mehr vor, zu wenig Druck auf Kiew auszuüben. Mehrere Gespräche unter deutsch-französischer Vermittlung im sogenannten Normandie-Format waren zuletzt ergebnislos geblieben.

Macron warnte Putin vor einer Zuspitzung der Lage. Ein "aufrichtiger Dialog" sei nicht mit "einer militärischen Eskalation" an der ukrainischen Grenze vereinbar, sagte er nach Angaben des Élysée-Palasts bei dem rund anderthalbstündigen Telefongespräch mit Putin. Beide Staatschefs hätten "den Willen zur Fortsetzung des Dialogs" geäußert. Macron hatte bereits Anfang der Woche in Moskau mehrere Stunden mit Putin verhandelt. Laut Macron sagte der russische Präsident dabei zu, dass es "weder zu einer Verschlechterung noch zu einer Eskalation kommt".

Macron telefonierte laut Élyséekreisen auch mit Kanzler Olaf Scholz, der am Dienstag zu Gesprächen nach Moskau reisen will. Macron sprach außerdem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und wollte am Abend auch noch mit Biden reden.

Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP

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