Politik

Die Kriegsnacht im Überblick Bis zu 9000 Leichen in Massengräbern bei Mariupol vermutet - Russen erobern 42 Orte

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Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Russland den Vorschlag einer Feuerpause über die orthodoxen Osterfeiertage abgelehnt. Moskau verlege zudem weiter Truppen für den Krieg in die Ukraine. Satellitenbilder sollen ein Massengrab in Manhusch bei Mariupol mit bis zu 9000 Leichen zeigen. Russische Einheiten erobern in 24 Stunden 42 Orte im Donbass. Die Bundesregierung will Mittel für den Wiederaufbau in der Ukraine bereitstellen. Fridays for Future will an diesem Freitag europaweit gegen Gas aus Russland demonstrieren. Die 56. Kriegsnacht im Überblick:

Die Absage einer Feuerpause zum Osterfest der orthodoxen Christen an diesem Wochenende zeige, sagte Selenskyj, was der christliche Glaube und einer der fröhlichsten und wichtigsten Feiertage den Führern Russlands gelte. "Wir werden aber trotzdem die Hoffnung behalten. Die Hoffnung auf Frieden, die Hoffnung darauf, dass das Leben über den Tod siegt."

Unter anderem hatte Papst Franziskus im Vorfeld des Osterfestes der orthodoxen Christen an diesem Wochenende zu einer Waffenruhe aufgefordert. Orthodoxe Christen begehen Ostern in diesem Jahr am 24. April. Sie stellen die größte Glaubensgruppe in der Ukraine.

Weiter Widerstand in Mariupol

Selenskyj zufolge dauert der Widerstand in der Hafenstadt Mariupol an. Die Stadt widersetze sich weiter Russland, sagte er in der Nacht. "Trotz allem, was die Besetzer über sie sagen." Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Stadt am Donnerstag für erobert erklärt. Allerdings haben sich in dem dortigen Stahlwerk Asowstal nach russischen Angaben mehr als 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt. Sie gingen bisher nicht auf Putins Forderungen ein, die Waffen niederzulegen. Putin ordnete keine Erstürmung, sondern eine hermetische Abriegelung des Geländes an.

Laut dem US-Kriegsforschungsinstitut ISW ist es "eher unwahrscheinlich", dass durch eine Reduzierung des Operationstempos in Mariupol nun signifikante Kräfte für russische Offensiven an anderen Orten im Osten frei werden. Russische taktische Bataillone hätten im Kampf um die Stadt hohe Verluste erlitten und bräuchten Zeit für eine Verlegung, heißt es in der jüngsten ISW-Analayse. Ein Teil der dort eingesetzten Truppen werde zudem für mehrere andere Missionen gebraucht, darunter die Belagerung des Asowstal-Werks oder die Sicherung der restlichen Stadt.

Massengräber bei Mariupol mit bis zu 9000 Leichen vermutet

Jüngste Satellitenbilder der US-Firma Maxar Technologies zeigen nach Unternehmensangaben indessen "die Existenz einer Massengrabanlage im Nordwesten von Manhusch", einem Dorf 20 Kilometer westlich von Mariupol. Maxar erklärte, es seien mehr als 200 Massengräber. Anhand vorheriger Sattelitenbilder sei klar, dass die ersten Ende März ausgehoben worden und stetig neue dazugekommen seien.

Allein in diesem Dorf sollen "die Besatzer zwischen drei- und 9000 Bewohner begraben haben", erklärte die Stadtverwaltung von Mariupol auf Telegram. "Sie graben 30 Meter lange Löcher und bringen die Leichen unserer Bewohner von Mariupol in Lastwagen", sagte Bürgermeister Wadym Bojtschenko bei einer auf Youtube übertragenen Pressekonferenz. Er schätzte, dass die russischen Angriffe seit Beginn der Belagerung mindestens 20.000 Menschen getötet haben.

Auf dem Satellitenbild von Maxar Technologies vom 23. März 2022 sind noch keine Massengräber zu sehen.

Auf dem Satellitenbild von Maxar Technologies vom 23. März 2022 sind noch keine Massengräber zu sehen.

(Foto: Maxar Technologies)

Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenfoto vom 3. April soll Massengräber in Manhusch parallel zum Straßenverlauf zeigen.

Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenfoto vom 3. April soll Massengräber in Manhusch parallel zum Straßenverlauf zeigen.

(Foto: picture alliance/dpa/“Satellite image ©2022 Maxar Technologies)

Mit Blick auf den Ort des Massakers an rund 34.000 Juden in Kiew im Zweiten Weltkrieg sprach Bürgermeister Bojtschenko von einem "neuen Babyn Jar". "Damals tötete Hitler Juden, Roma und Slawen. Und jetzt vernichtet Putin Ukrainer. Er hat in Mariupol schon Zehntausende Zivilisten getötet", wurde Bojtschenko demnach im Telegramkanal des Stadtrats zitiert. "Das erfordert eine entschlossene Reaktion der gesamten Welt. Wir müssen diesen Völkermord stoppen, mit allen Mitteln, die möglich sind."

Ukraine: Russische Truppen haben 42 Orte in Donezk eingenommen

Laut einer Beraterin des ukrainischen Präsidentenbüros haben russische Truppen binnen 24 Stunden 42 Orte in der Region Donezk im Osten besetzt. Insgesamt kontrollierten russische Einheiten aktuell in der gesamten Ukraine mehr als 3500 Orte, sagte Olena Simonenko in der Nacht im ukrainischen Einheitsfernsehen. Zuletzt waren auch russische Vorstöße in der Region Luhansk gemeldet worden.

Tote und Verletzte nach Beschuss in mehreren ukrainischen Regionen

Ukrainischen Angaben zufolge sind in mehreren Regionen im Osten und Süden des Landes mehrere Menschen durch Beschuss verletzt oder getötet worden. In der Region Charkiw seien zwei Personen ums Leben gekommen, nachdem ein Geschoss in ihr Auto eingeschlagen war. Insgesamt seien am Donnerstag in der Region Charkiw etwa 50 russische Angriffe durch Artillerie und Mehrfachraketenwerfer registriert worden, sagte der Gouverneur Oleh Synjehubow. Aus der südlichen Stadt Saporischschja hieß es, bei zweimaligem Beschuss der Stadt am Donnerstag seien acht Personen verletzt worden. Die Druckwelle einer Rakete habe unter anderem die Fenster von vier Waggons eines Evakuierungszuges zerstört.

In der Region Dnipropetrowsk seien bei drei Raketenangriffen fünf Menschen verletzt und Bahngleise völlig zerstört worden. Auch aus der südlichen Großstadt Mykolajiw wurde in der Nacht erneut Beschuss berichtet. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Selenskyj: Ukraine wird für Wiederaufbau Hunderte Milliarden brauchen

Wegen des russischen Angriffskriegs braucht die Ukraine nach Einschätzung von Präsident Selenskyj monatlich rund sieben Milliarden US-Dollar (rund 6,5 Milliarden Euro), um ihre wirtschaftlichen Verluste auszugleichen. Zudem werde die Ukraine "Hunderte Milliarden Dollar brauchen, um später wieder alles aufzubauen", sagte Selenskyj am Donnerstag per Videoschalte bei einer internationalen Geberkonferenz der Weltbank in Washington.

Die Bundesregierung will rund 37 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Ukraine bereitstellen. Die Mittel sollen eingesetzt werden, um Schäden zu beheben, die durch den russischen Angriffskrieg verursacht wurden. "Die Ukraine braucht dringend Wohnraum für die Millionen Binnenvertriebenen und sie braucht ein intaktes Stromnetz. Hier kann die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kurzfristig helfen", sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze vor der Weltbanktagung der "Augsburger Allgemeinen".

US-Regierung liefert neu entwickelte Drohne in die Ukraine

Die USA haben nach Angaben des Pentagons einen neuartigen Drohnentyp entwickelt, der Anforderungen des ukrainischen Militärs entspricht und nun weiter angepasst werden soll. "In Gesprächen mit den Ukrainern über ihre Anforderungen waren wir der Meinung, dass dieses spezielle System sehr gut für ihre Bedürfnisse geeignet wäre, insbesondere in der Ostukraine", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerst (Ortszeit). Die Entwicklung der Drohne mit dem Namen "Phoenix Ghost" habe bereits vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs begonnen. Man wolle diese nun weiter so vorantreiben, dass sie noch besser zu den ukrainischen Anforderungen passe. Mehr als 120 der Drohnen sollen im Rahmen eines neuen Militärhilfepakets der US-Regierung in die Ukraine geliefert werden.

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Das wird heute wichtig

  • Außenministerin Annalena Baerbock besucht Litauen. Im Zentrum der Gespräche steht die Reaktion von EU, Nato und internationaler Gemeinschaft auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
  • Ebenso zur Ukraine-Krise treffen sich die Ministerpräsidenten der baltischen Staaten in Riga.
  • Zudem plant die Organisation Fridays for Future europaweit Demonstrationen für ein sofortiges Ende der Gaslieferungen aus Russland. Kundgebungen sind in mehreren Städten in Polen, Ungarn, Belgien und auch Deutschland geplant.

Alle weiteren Entwicklungen des Tages können Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.

Quelle: ntv.de, vmi/dpa

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