Politik

Uran-Anteil sehr umstritten Britische Munitionspläne erzürnen Russland

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte im Februar Großbritannien und traf Premier Rishi Sunak.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Großbritannien ist einer der engsten Verbündeten der Ukraine im Kampf gegen die russischen Invasoren. Nun kündigt die britische Regierung an, für Kampfpanzer auch spezielle Munition mit abgereichertem Uran zu liefern. Diese ist äußerst umstritten. Russland reagiert rasch und auf verschiedenen Ebenen.

Das russische Außenministerium verurteilt einen britischen Plan, der Ukraine Munition mit abgereichertem Uran zur Verfügung zu stellen. Eine Sprecherin des Ministeriums sagt, derartige Munition sei krebserregend und belaste die Umwelt. Die konservative britische Abgeordnete und Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Annabel Goldie erklärte auf eine Anfrage, derartige Munition werde zusammen mit Challenger-2-Panzern an die Ukraine überstellt. Sie sei "sehr wirksam bei der Bekämpfung moderner Panzer und gepanzerter Fahrzeuge". Abgereichertes Uran erhöht die Durchschlagskraft von panzerbrechenden Waffen und kam etwa in den Golfkriegen zum Einsatz. Die genauen Folgen für Mensch und Umwelt sind umstritten.

Die Munitionsankündigung löste Irritationen in Russland bis zur höchsten Ebene aus. Während seiner Erklärungen anlässlich des Besuchs des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in Moskau ging der russische Präsident Putin explizit auf die kurz vorher bekannt gewordenen Pläne ein und drohte Großbritannien für den Fall der Lieferung solcher Munition. Moskau wäre in diesem Fall "gezwungen zu reagieren", erklärte Putin.

Schoigu spricht von "atomarer Kollision"

Einem Medienbericht zufolge sieht der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu angesichts der britischen Pläne gar eine potenzielle "atomare Kollision" zwischen dem Westen und seinem Land näher rücken. Immer weniger Schritte seien bis dahin noch übrig, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Interfax Schoigu.

Inwiefern das reine Drohgebärde Schoigus ist, bleibt fraglich. Denn fast zeitgleich bekannten sich sein Chef Putin und dessen chinesischer Amtkollege Xi in einer gemeinsamen Erklärung dazu, dass ein Atomkrieg "niemals entfesselt" werden dürfe. In einer nuklearen Auseinandersetzung könne es "keine Sieger" geben, hieß es weiter.

Nichtsdestotrotz hatte Moskau bereits im Januar in Hinsicht auf andere Panzertypen scharf vor dem Einsatz von Uran-Munition gewarnt. "Wir wissen, dass die Panzer Leopard-2 sowie die gepanzerten Infanterieträger Bradley und Marder mit panzerbrechenden Projektilen mit Uransprengköpfen bewaffnet sind", erklärte der Leiter der russischen Delegation bei den Wiener Gesprächen zu Militärsicherheit und Rüstungskontrolle, Konstantin Gawrilow, laut Bericht der russischen Staatsagentur TASS damals. "Ihr Einsatz führt zu der Kontamination des Gebiets, wie es im ehemaligen Jugoslawien und im Irak der Fall war. Falls solche Munition für schwere NATO-Waffen nach Kiew geliefert wird, werden wir dies als den Einsatz schmutziger Atombomben gegen Russland mit allen damit verbundenen Konsequenzen betrachten", sagte er.

Schädlich für Umwelt, Soldaten und Bevölkerung?

Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt, das bei der Anreicherung von Uran für den Einsatz in Atomkraftwerken oder bei der Herstellung von Atomwaffen entsteht. Es ist nur etwa 60 Prozent so radioaktiv wie natürlich vorkommendes Uran, eignet sich aber aufgrund seiner Eigenschaften zur Verwendung in panzerbrechender Munition.

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US-Soldaten verpacken 2004 Munition mit abgereichertem Uran im Irak (Archivbild).

(Foto: picture alliance / EPA)

Die Journalistin Sydney Young beschreibt die Munition in ihrer Recherche vor zwei Jahren für das "Harvard International Review" als recht preiswert und warnt vor den Folgen für die Umwelt sowie für die Bevölkerungen in Kriegsgebieten. "Abgereichertes Uran kann sowohl für Soldaten als auch für die lokale Zivilbevölkerung ein Risiko darstellen", schreibt Young. "Wenn Munition aus abgereichertem Uran ein Ziel trifft, verwandelt sich das Uran in Staub, der von Soldaten in der Nähe der Explosionsstelle eingeatmet wird. Der Wind trägt dann Staub in die umliegenden Gebiete und verschmutzt das lokale Wasser und die Landwirtschaft."

Abgereichertes Uran wurde ihr zufolge in den vergangenen Jahrzehnten in großen Konflikten eingesetzt, unter anderem auf dem Balkan und während des Ersten und Zweiten Golfkriegs. Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich hätten beide während des Ersten Golfkriegs abgereichertes Uran verwendet, die Vereinigten Staaten noch mehr als Großbritannien.

Eine im Fachmagazin "BMJ Glob Health" veröffentlichte Studie zu Auswirkungen von Waffen mit Uran im Irak kam zum Ergebnis, dass die verfügbaren Beweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen der Exposition gegenüber abgereichertem Uran und gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der irakischen Bevölkerung hindeuteten. Die Autorinnen und Autoren verwiesen aber auf die schwierige Datenlage und forderten mehr Forschung.

Nach den russischen Reaktionen wies die britische Regierung einem Bericht der BBC zufolge die Sichtweise Moskaus zurück und beschrieb abgereichertes Uran als "Standardkomponente", die nichts mit Nuklearwaffen zu tun habe. Die britische Armee nutze abgereichertes Uran seit Jahrzehnten in Munition. Die BBC zitierte zudem einen ehemaligen britischen Panzerkommandeur, demzufolge die betreffende Munition in Challenger-2-Panzern lediglich Spurenelemente von abgereichertem Uran enthalte. Er beschrieb Putins Reaktion als "klassische Desinformation".

Quelle: ntv.de, mpe/rts/AFP

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