"Substanz der Partei" in Gefahr Bundes-CDU lehnt Thüringen-Deal mit Linken ab
22.02.2020, 15:02 UhrDie Regierungskrise in Thüringen stellt die CDU vor eine Zerreißprobe: Laut Parteitagsbeschluss darf weder mit der AfD, noch mit der Linkspartei kooperiert werden. Dass Letzteres nun in Thüringen vereinbart wurde, führt zu Unmut auf Bundesebene.
Die Bundes-CDU lehnt die Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Thüringer Regierungschef mithilfe von CDU-Stimmen ab. Wer Ramelow zum Ministerpräsidenten wähle, verstoße gegen die Parteibeschlüsse, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak. Die Abgeordneten im Thüringer Landtag seien "nach der Verfassung frei, aber alle Mitglieder der CDU Deutschland sind an die Beschlüsse des Bundesparteitages gebunden". Ein Parteitagsbeschluss der CDU verbietet eine Zusammenarbeit mit Linkspartei und AfD.
Es gehe "um nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit der CDU Deutschlands insgesamt", fügte Ziemiak hinzu. "Es geht um Grundüberzeugungen und Grundwerte und nicht um politische Spielchen." Der Generalsekretär bedauerte, dass es nicht möglich gewesen sei, angesichts der "unglaublich schwierigen Situation" in Thüringen eine Expertenregierung zu bilden. Er betonte auch, die Linke sei nicht mit der AfD zu vergleichen. Ein Vergleich Ramelows mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke verbiete sich ebenso.
Jedoch sei ein Parteitag der CDU "aus ganz unterschiedlichen Gründen" zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Koalition oder eine andere Zusammenarbeit mit Linkspartei oder AfD nicht möglich sei. "Fest steht für mich, dass eine Wahl von Herrn Ramelow mit den Beschlüssen der CDU Deutschland nicht vereinbar ist", sagte Ziemiak. Die Wählerinnen und Wähler müssten wissen, "was sie bekommen, wenn sie CDU wählen". Daher könne in diesem Zusammenhang "niemand aus der CDU" für Ramelow als Ministerpräsident stimmen. Am Montag will die Parteiführung in Berlin über die neue Situation in Thüringen beraten.
"Weg nach vorne nur in zügigen Neuwahlen"
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wandte sich entschieden gegen eine Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Thüringer Ministerpräsidenten mit Hilfe der CDU. Spahn, der als möglicher Kandidat für den CDU-Vorsitz gilt, twitterte: "Eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU lehne ich ab. Wir sind als Union in einer Vertrauenskrise. Die letzten Wendungen aus Thüringen kosten weiteres Vertrauen. Es geht jetzt um die Substanz unserer Partei - nicht nur in Thüringen."
Und weiter argumentierte das Mitglied des CDU-Präsidiums: "So schwierig die Lage für unsere Kollegen vor Ort in Thüringen ist: Nachdem die Suche einer überparteilichen Persönlichkeit gescheitert ist, hilft kein weiteres Taktieren. Ich sehe einen Weg nach vorne nur in zügigen Neuwahlen. Da müssen wir dann zusammen mit aller Kraft kämpfen."
Ähnlich äußerte sich auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Er lehne eine Zusammenarbeit seiner CDU mit der Linkspartei weiter kategorisch ab, sagte Schäuble dem "Handelsblatt": "Die Linkspartei ist rechtlich noch die alte SED. Wir hatten und haben Kollegen im Bundestag, die Opfer der Stasi gewesen sind." Der Kampf gegen den Kommunismus sei ein Teil der CDU.
Lindner: Anders als Höcke ist Ramelow kein Extremist
Mit Blick auf die nun vereinbarte Kooperation der Thüringer CDU mit der Linkspartei sagte Schäuble: "Natürlich ist Bodo Ramelow kein Kommunist, er war Gewerkschafter in Hessen." Aber das ändere nichts daran, dass die Linke aus der Nato austreten wolle, dass sie eine unklare Haltung zur EU habe, dass sie in der Außenpolitik starke Rücksicht auf Russland nehme. "Da gibt es keine Zusammenarbeit mit der CDU", sagte Schäuble. Es blieb offen, ob Schäuble zwischen den Linken im Bund und auf Landesebene einen Unterschied macht.
FDP-Chef Christian Lindner dagegen hält eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Einzelfall in Sachfragen für möglich, lehnt dies aber mit der AfD strikt ab. Lindner sagte ntv.de, der ehemalige Ministerpräsident Bodo Ramelow halte die DDR zwar weiterhin nicht für einen Unrechtsstaat, doch anders als der AfD-Politiker Björn Höcke sei Ramelow kein Extremist. "Deshalb kann man mit der Linken im Einzelfall in Sachfragen zusammenarbeiten." Auf die Frage, ob die FDP jetzt die Scherben in Thüringen aufkehren und Ramelow unterstützen sollte, sagte Lindner: "In solchen Fragen entscheiden Fraktionen autonom."
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte das Nein der CDU-Führung zu der Vereinbarung in Thüringen deutlich. "Es ist unverantwortlich, wie die Bundes-CDU aus ideologischen Gründen die Lage chaotisiert und damit eine sinnvolle Lösung für Thüringen infrage stellt", sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Für einen Ausweg aus der Regierungskrise müssen alle Beteiligten einen Schritt aufeinander zu machen", sagte sie.
Linke, SPD und Grüne hatten sich am Freitagabend mit der CDU auf eine Ministerpräsidentenwahl am 4. März geeinigt. Die Neuwahl des Parlaments soll im Jahr darauf am 25. April 2021 erfolgen. Bis dahin soll es eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen CDU und Rot-Rot-Grün bei verschiedenen Projekten geben - darunter dem Haushalt für das kommende Jahr.
Quelle: ntv.de, lwe/dpa/AFP