Politik

SPD-Chefs attackieren Union "CDU und CSU hetzen im Chor mit der AfD"

Esken und Klingbeil im CityCube Berlin: Sie bleiben SPD-Vorsitzende.

Esken und Klingbeil im CityCube Berlin: Sie bleiben SPD-Vorsitzende.

(Foto: picture alliance / photothek)

Zum Auftakt des Bundesparteitags bewerben sich Saskia Esken und Lars Klingbeil auf eine neue Amtszeit. Beide gehen auf die Haushaltskrise im Bund ein - und attackieren die Union mit scharfen Worten. Den CDU-Vorsitzenden Merz nennt Klingbeil "Friedrich von gestern".

Die SPD hat ihren Bundesparteitag im Berliner Messezentrum begonnen. Zum Auftakt des dreitägigen Treffens hielten die Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil ihre Bewerbungsreden für eine Wiederwahl in ihre Spitzenämter. Beide gingen auf die weiter ungelöste Haushaltskrise der Bundesregierung ein. "Die Finanzierung der Krisenbewältigung muss durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu gedacht werden. Und auch die Finanzierung großer Generationenaufgaben, wie der Klimawandel, muss auf neue Beine gestellt werden", sagte Esken. Beides sei nicht aus dem Kernhaushalt zu stemmen. "Und ganz bestimmt sind wir nicht bereit, dafür unseren Sozialstaat aufzugeben", sagte Esken. Trotz der vielen Krisen habe die SPD viele Erfolge in der Regierung zu verzeichnen.

Über die Haushaltskrise sagte Klingbeil, dass nun die Gegner sozialer Politik eine Gelegenheit witterten: "Die sehen jetzt ihre Chance, die Axt an den Sozialstaat anzulegen. Staatliche Aufgaben und Investitionen zurückzufahren", sagte der Parteichef und frühere SPD-Generalsekretär. Der Nachholbedarf in der Infrastruktur, bei den Schulen und der Bundeswehr seien das "Resultat neoliberaler Politik der Vergangenheit". Friedrich Merz schwärme von den wirtschaftspolitischen Vorstellungen der 90er-Jahre. "Friedrich von gestern wird niemals die Zukunft unseres Landes sein", sagte Klingbeil. "Die Zukunft dieses Landes ist ein Staat, der investiert, der schützt, der Sicherheit in diesen turbulenten Zeiten gibt."

Auch Esken attackierte die Union und deren Fraktionsvorsitzenden scharf: "CDU und CSU hetzen im Chor mit der AfD gegen die Ampel. Mit dieser Merz-CDU haben wir wahrhaftig die populistischste Opposition aller Zeiten." Die Union zeige "kein Verantwortungsbewusstsein, keine Liebe zum Land", sagte Esken weiter. "Da ist nur noch politischer Vandalismus." Esken forderte erneut eine Reform der Schuldenbremse, die die Union ablehnt. Esken warnte davor, dass "das Land kippt". Sie warf Rechtspopulisten vor, Niedriglohnverdiener und Bürgergeldbezieher gegeneinander aufzuhetzen. Auch die Union beteilige sich daran.

"Solidarität ist keine Einbahnstraße"

Klingbeil nahm in seiner Rede auch die geopolitische Lage in den Blick: "Die Herausforderungen werden in den nächsten beiden Jahren noch zunehmen", sagte Klingbeil. "In der Welt werden die geopolitischen Spannungen anhalten." Autoritäre Staaten versuchten, die regelbasierte Ordnung zu untergraben, Grenzen würden infrage gestellt. "Protektionismus und Nationalismus sind weltweit auf dem Vormarsch", warnte Klingbeil.

Klingbeil kritisierte zudem Unternehmen, die sich Einmischungen des Staates verbitten, nachdem sie Corona-Hilfen wie das Kurzarbeitergeld bekommen hatten. "Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer vom Gemeinwohl profitiert, ist dem Gemeinwohl verpflichtet", sagte Klingbeil. Die Partei will auf dem Parteitag die Forderung nach einem "Zukunfts-Soli" verabschieden, mit dem sich die oberen zehn Prozent der Einkommen weiter an Investitionen beteiligen sollen. Noch zahlt diese Einkommensschicht den sogenannten Solidaritätszuschlag, der für alle anderen schon abgeschafft ist.

Der frühere SPD-Generalsekretär Klingbeil kritisierte zudem die Debatte über den Einkommensabstand von Bürgergeld und Niedriglöhnen. "Merz, Söder, Spahn: das sind die, die gerade mit Krokodilstränen unterwegs sind", rief Klingbeil. Wann es um den Mindestlohn gehe, sei die Union dagegen. Das Trio interessierten Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerinteressen immer nur dann, wenn sie sie gegen die Ärmsten in diesem Land instrumentalisieren können. Das sei "zutiefst unanständige Politik". Den Ampelkoalitionspartner FDP, der ebenfalls beklagt, Arbeit würde sich nicht lohnen, erwähnte Klingbeil dagegen nicht.

Eindringliche Warnung vor der AfD

Klingbeil warnte davor, dass nur die Lauten den Diskurs bestimmten. Die SPD müsse sich auf die Sorgen und Themen derjenigen konzentrieren, die nicht zu hören seien, aber jeden Tag arbeiteten und sich um ihre Mitmenschen kümmerten. "Das sind die Leute, die morgens aufstehen und arbeiten gehen, die eine gute Zukunft für ihre Kinder wollen. Die jeden Kitastreik, jeden Stundenausfall in der Schule abfedern müssen. Die sich aber trotzdem nicht krankmelden bei der Arbeit, die sich zerreißen", sagte Klingbeil. "Die würden vielleicht auch gern mal schreien, aber nicht vor Wut, sondern vor Erschöpfung." Für diese Menschen müsse die SPD Politik machen.

"Es darf in der Politik nicht darum gehen, ob jemand Auto fährt, Bratwurst isst oder einmal im Jahr nach Mallorca fliegt, nicht darum, welche Sprache wir sprechen oder ob wir gendern", sagte Klingbeil. Es gehe "um bezahlbare Mieten, um gute Löhne, um anständige Pflege und die beste Bildung", sagte Klingbeil und wandte sich in scharfen Worten gegen die AfD. Diese führe "Deutschland ins Verderben" und sei "arbeiterfeindlich", sagte Klingbeil. "Sie hasst nichts mehr als unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat.

Ruf nach Reform der Schuldenbremse

Die SPD kommt vom Freitag bis Sonntag auf dem Messegelände Berlin zu ihrem Bundesparteitag zusammen. Neben den Vorsitzenden werden auch der Generalsekretär Kevin Kühnert sowie die Vorstandsmitglieder neu gewählt. Ferner wollen die Delegierten programmatische Leitlinien beschließen, die die politischen Ziele der Partei für die kommenden Jahre umreißen sollen. Am Samstagvormittag wird sich Bundeskanzler Olaf Scholz an seine Partei wenden. Mit Spannung werden Scholz' Einlassungen zur Haushaltskrise der Bundesregierung erwartet. In einer anschließenden Aussprache könnten dem Regierungschef auch kritische Töne entgegenschlagen. Insbesondere der Parteinachwuchs Jusos ist mit geplanten Asylrechtsverschärfungen der Ampel nicht einverstanden.

Aber auch die Lage der SPD treibt die Delegierten um. Im RTL/ntv-Trendbarometer rangiert die SPD gleichauf mit den Grünen bei 14 Prozent und hatte bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen eine herbe Niederlage erlitten. "Wir haben keinen Grund zur Verzagtheit", appellierte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. In der Debatte über die zu beschließenden Leitanträge sprachen sich mehrere Redner für eine Reform der Schuldenbremse aus, darunter die Ministerpräsidentin des Saarlands, Anke Rehlinger, und die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig.

Schwesig sprach sich aber gegen einen Antrag der Jusos aus, der fordert, die Schuldenbremse gänzlich abzuschaffen. Es sei "wichtig, dass wir zeigen, dass mit dem hart erwirtschafteten Steuergeld" der Arbeitnehmer vernünftig umgegangen werde. "Wollen wir an Relikten der Vergangenheit hängen oder in die Zukunft investieren?", warb Achim Post für eine entsprechende Öffnung der Schuldenbremse. Post will sich am Wochenende in den SPD-Parteivorstand wählen lassen, wo er auf Thomas Kutschaty folgt, den er bereits als Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen beerbt hat.

"Wer jetzt die Kosten der Energiewende scheut, der treibt die Kosten ins Unermessliche für die Menschen hier und weltweit", sagte auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze. Es wäre fatal, wenn sie den Menschen in Marokko die Unterstützung für ein Wasserstoffprojekt streichen müsse, sagte Schulze mit Blick auf mögliche Einsparungen auch in ihrem Haus, um den Kernhaushalt 2024 doch noch zusammenzuschnüren.

Quelle: ntv.de, Mitarbeit: Marc Dimpfel

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