Sprachlich das Jahr geprägt "Krisenmodus" ist "Wort des Jahres" - "Realität ist ziemlich düster"
08.12.2023, 10:12 Uhr Artikel anhören
Im vergangenen Jahr war "Zeitenwende" gekürt worden. Den Begriff habe Bundeskanzler Olaf Scholz nach Russlands Überfall auf die Ukraine "prominent verwendet".
(Foto: picture alliance/dpa)
Seit bald gut einem halben Jahrhundert wählt die Gesellschaft für deutsche Sprache aus Tausenden Vorschlägen ein Wort, das das gesellschaftliche Leben des Jahres sprachlich besonders prägt. Nun gibt die Jury ihre Entscheidungen bekannt.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat den Begriff "Krisenmodus" zum "Wort des Jahres" 2023 gekürt. Krisen habe es schon immer gegeben, im zu Ende gehenden Jahre schienen sie und ihre Bewältigung jedoch zu kulminieren, erklärte die Jury zur Begründung. Dabei bezog sie sich auf einen Satz von Vizebundeskanzler Robert Habeck, der in der Sendung "Anne Will" gesagt hatte: "Wir sind umzingelt von Wirklichkeit." Die Jury modelte ihn um in "Wir sind umzingelt von Krisen." Auf dem zweiten Platz landete "Antisemitismus", dahinter "leseunfähig". Insgesamt hatte Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) aus 1800 Vorschlägen zehn Begriffe ausgewählt, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben des Jahres sprachlich besonders prägten.
"Die Liste spiegelt die Realität wider, und die Realität ist derzeit ziemlich düster", sagte die GfdS-Geschäftsführerin Andrea Ewels. Die Gesellschaft befinde sich seit 2020 im "Krisenmodus", sagte sie mit Blick etwa auf die Corona-Pandemie, den Überfall Russlands auf die Ukraine, die Energiekrise, die Bildungsmisere und den Angriff der Hamas auf Israel. "Der Ausnahmezustand ist zum Dauerzustand geworden", sagte Ewels. "Das löst bei den Menschen Angst, Unsicherheit und Ohnmacht aus. Diese Gefühle beherrschen den Alltag und man weiß nicht, was kommt denn noch."
Nicht Häufigkeit entscheidend
Die Vorschläge stammen aus verschiedenen Medien, zudem kann jeder Begriffe einsenden. "Für die Auswahl der 'Wörter des Jahres' entscheidend ist dabei nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität", erläuterte die Gesellschaft für deutsche Sprache. Die ausgewählten Wörter und Wendungen seien mit keinerlei Wertung oder Empfehlung verbunden.
Im vergangenen Jahr war "Zeitenwende" gekürt worden. Der Begriff bezeichne "im Allgemeinen den Übergang in eine neue Ära" - in diesem Sinn habe Bundeskanzler Olaf Scholz das Wort nach Russlands Überfall auf die Ukraine "prominent verwendet", hatte es geheißen. Auf den Plätzen zwei und drei landeten "Krieg um Frieden" und "Gaspreisbremse".
Die Jury mit Sprachwissenschaftlern und Medienexperten setzt sich aus dem Hauptvorstand der Gesellschaft sowie den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen. Das "Wort des Jahres" wurde von der GfdS erstmals 1971 und seit 1977 regelmäßig gekürt.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP