Aussage über Fossil-Ausstieg COP28-Chef sieht sich als Opfer einer "Falschdarstellung"
04.12.2023, 16:26 Uhr Artikel anhören
"Ich bin etwas überrascht wegen der andauernden und wiederholten Versuche, die Arbeit der COP28-Präsidentschaft zu unterlaufen", sagte al-Dschaber.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
COP28-Präsident al-Dschaber leitet die Klimakonferenz effizienter als einige seiner Vorgänger. Dennoch reißt die Kritik an ihm nicht ab. Grund ist ein Bericht, wonach er den Nutzen eines Ausstiegs aus fossilen Energien für die Klimaziele bezweifelt. Al-Dschaber weist dies nun zurück.
Der Präsident der Weltklima-Konferenz COP28, Sultan al-Dschaber, ist dem Eindruck entgegengetreten, er nehme wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel nicht ernst. "Ich bin etwas überrascht wegen der andauernden und wiederholten Versuche, die Arbeit der COP28-Präsidentschaft zu unterlaufen", sagte al-Dschaber vor Journalisten in Dubai. Mit Blick auf einen Bericht der britischen Zeitung "Guardian" sagte al-Dschaber, dabei handele es sich um "eine Aussage aus dem Zusammenhang gerissen mit Falschdarstellung", die eine "maximale Berichterstattung" ausgelöst habe.
Der "Guardian" hatte am Sonntag über missverständliche Äußerungen al-Dschabers zur Bekämpfung der Erderwärmung berichtet. Danach habe der COP28-Präsident am 21. November in einer Online-Veranstaltung gesagt: "Es gibt keine Wissenschaft, kein Szenario, das besagt, dass der Ausstieg aus fossilen Energien dazu führt, die 1,5 Grad zu erreichen." Als Kronzeugen präsentierte al-Dschaber auf der Pressekonferenz den Chef des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen IPCC, Jim Skea. Skea betonte, al-Dschaber verfolge die Wissenschaft sehr genau und verstehe deren Erkenntnisse voll und ganz.
Nach Auffassung des IPCC ist die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2050 nur zu erreichen, wenn die Nutzung fossiler Energien spürbar zurückgeht und die Kohleverbrennung vollständig eingestellt wird. Die Bundesregierung fordert von der laufenden Weltklimakonferenz in Dubai einen Beschluss zum Ausstieg aus fossilen Energien, wie Kohle, Öl und Gas. Die COP28 geht unter dem Vorsitz al-Dschabers noch bis zum 12. Dezember. Al-Dschaber ist bei Klimaschützern umstritten, weil er zugleich Chef der staatlichen Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate ADNOC ist. Seit dem Beginn der COP28 sind diese Zweifel nicht kleiner geworden.
Fortschritt bei Fonds für klimabedingte Schäden
Dabei gelang al-Dschaber gleich zum Auftakt ein Paukenschlag. Am ersten Konferenztag stellte die COP nicht nur die Arbeitsfähigkeit des von Entwicklungsländern ersehnten Fonds für klimabedingte Schäden her - der Gastgeber Vereinigte Arabische Emirate steuerte auch gleich 100 Millionen Dollar dazu bei, was als ein wichtiges Signal für Beiträge auch wirtschaftsstarker Schwellenländer gewertet wurde.
Allerdings sehen sich alle, die wie der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser schon vorher gewarnt hatten, mit al-Dschaber würde auf der COP "der Bock zum Gärtner gemacht", sich nun durch die vom "Guardian" zitierten Aussagen bestätigt. Die britische Klimaexpertin Natalie Jones empfahl dem Konferenzpräsidenten, er solle besser mal einen Blick in die Berichte der Internationalen Energieagentur (IEA) und des Weltklimarats IPCC werfen - die klar die Abkehr von den Fossilen als Voraussetzung für das Erreichen der Klimaziele sehen.
Dass die Vorwürfe den großgewachsenen 50-Jährigen nicht ungerührt lassen, zeigte sein Auftritt auf der Pressekonferenz: Nachdrücklich bekannte sich Al-Dschaber zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimaschutzprozesses. "Ich habe immer deutlich gemacht, dass alles, was wir tun, sich auf die Wissenschaft konzentriert", sagte er. Schon zuvor hatte al-Dschaber stets Darstellungen zurückgewiesen, er sei ein Trojanisches Pferd der Ölindustrie.
Für Kritiker sind CCS-Technologien "Ablenkungsmanöver"
"Ich bin jemand, der sich den Großteil seiner Karriere mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat", hob er stattdessen gern hervor. Tatsächlich hatte al-Dschaber 2006 in den Emiraten Masdar, den Staatskonzern für erneuerbare Energien, gegründet. Als Chef von ADNOC ist er mit dem Auftrag angetreten, den Öl- und Gasriesen zukunftsfest und bis 2045 klimaneutral zu machen. Der frühere US-Vizepräsident Al Gore warf dem Unternehmen allerdings in Dubai vor, angeblich nicht vorhandene Methan-Emissionen seien sogar auf Satellitenbildern "aus dem Weltraum zu sehen".
Auf der COP, deren bisherigen Verlauf er als Erfolg wertete, setzte sich al-Dschaber unter anderem für eine Initiative mehrerer Staaten gemeinsam mit großen Konzernen der Öl- und Gasindustrie, die "Global Decarbonization Alliance", ein. Die Teilnehmer wollen sich verpflichten, Emissionen bei Förderung und Verarbeitung der Brennstoffe zu senken, auch durch sogenannte CCS-Technologien. CCS steht für Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2).
Kritiker der neuen Initiative sprechen von einem "Ablenkungsmanöver" vom notwendigen Ausstieg aus den Fossilen und dem Versuch von "Greenwashing". Andere hoffen zumindest auf Fortschritte bei der Vermeidung der Methan-Emissionen. Was sich bisher abzeichnet ist, dass al-Dschaber die Klimakonferenz strukturierter und effizienter leitet als manche COP-Präsidenten vor ihm. Es müsse gelingen, "das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten", sagte er. Dafür stellt sich der COP-Präsident auch hinter die Ziele für eine Verdreifachung des Ausbaus erneuerbarer Energien und eine Verdopplung der Fortschritte bei der Energieeffizienz bis 2030. Nur zum Ausstieg aus den Fossilen blieb er erneut schweigsam.
Quelle: ntv.de, lve/rts/AFP