Juso-Chef attackiert Scholz "Da draußen brennt die Hütte"
09.12.2023, 12:54 Uhr Artikel anhören
Der neugewählte Juso-Chef Philipp Türmer attackiert in seiner Replik auf die Grundsatzrede von Olaf Scholz den Bundeskanzler scharf. Auf dem Bundesparteitag warf Türmer dem Regierungschef vor, nur als "Moderator der Macht" zu agieren. Warteschlangen an der Tafel seien "ein Armutszeugnis für die Sozialdemokratie".
Auf einem von großer Einigkeit geprägten Bundesparteitag der SPD hat der erst vor wenigen Wochen neu gewählte Chef der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos, Philipp Türmer, die Stimmung gesprengt. "Olaf, wer aus der Defensive will, muss auf Angriff spielen", sagte Türmer mit Blick auf die schlechten Umfragewerte und Landtagswahlniederlagen der SPD. Die Menschen wollten, dass der Kanzler Empathie zeige, erkläre und entscheide, "keinen Moderator der Macht". Die Bundesregierung dürfe die "Leute nicht verarschen".
Türmer warf Scholz vor, nicht genügend Führung nach außen zu zeigen und sich stattdessen als "Paartherapeut" von Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP und dem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu betätigen. "Olaf, du hast mal gesagt, wer Führung bestellt, soll sie bekommen", sagte Türmer. "Hiermit bestelle ich sie und wir warten dringend auf Lieferung."
Wenig Applaus für Türmer
"Die Menschen stehen mit kalten Füßen vor Schlangen der Tafeln", sagte Türmer. Das sei ein "Armutszeugnis für die Sozialdemokratie", so der Juso-Chef. "Da draußen brennt die Hütte." Die Debatte über die Haushaltskrise werde auf Kosten der Ärmsten immer perfider. Die Krise sei auch nicht gelöst, wenn die Partei während der Kanzlerrede dreimal aufstehe.
Scholz' Rede war mit langem Applaus bedacht worden. Er hatte darin einen Kurs der Zuversicht gepredigt und eine Lösung des Haushaltsstreits in der Ampel in Aussicht gestellt, die nicht zulasten des Sozialstaats gehen werde. Die Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie Generalsekretär Kevin Kühnert sind am Freitag ebenfalls umjubelt worden und erhielten große Mehrheiten bei ihrer Wiederwahl. Der Applaus für Türmer fiel bei seiner Gegenrede dagegen spärlich aus.
Am Vortag hatten die Jusos noch viel Zustimmung erfahren: Ihnen gelang es, zwei Änderungen beim am Freitagnachmittag verabschiedeten Leitantrag mit dem Titel "Zusammen für Deutschland" durchzusetzen. So lässt die Forderung nach einer Reform der Schuldenbremse nun auch Spielraum für eine gänzliche Abschaffung, so zumindest die Deutung der Jusos. Ferner stimmten die rund 600 Delegierten gegen einen Vorschlag der SPD-Spitze, künftig eine Art "Zukunfts-Solidaritätsbeitrag" für Spitzenverdiener einzuführen. Stattdessen fordert der Leitantrag nun eine einmalige Abgabe auf die Vermögen von Superreichen, deren Höhe und Umsetzung aber nicht näher definiert ist.
Quelle: ntv.de, shu/mdi